Franz Kafka – Das Schloss. Franz Kafka
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Franz Kafka – Das Schloss - Franz Kafka страница 16

Название: Franz Kafka – Das Schloss

Автор: Franz Kafka

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738028560

isbn:

СКАЧАТЬ Folgsam warf die Frau, mit beiden Armen die Akten zusammenfassend, alles aus dem Schrank, um zu den unteren Papieren zu gelangen. Die Papiere bedeckten schon das halbe Zimmer. „Viel Arbeit ist geleistet worden“, sagte der Vorsteher nickend, „und das ist nur ein kleiner Teil. Die Hauptmasse habe ich in der Scheune aufbewahrt und der größte Teil ist allerdings verloren gegangen. Wer kann das alles zusammenhalten! In der Scheune ist aber noch sehr viel.“ „Wirst du den Erlass finden können?“ wandte er sich dann wieder zu seiner Frau, „du musst einen Akt suchen, auf dem das Wort Landvermesser blau unterstrichen ist.“ „Es ist zu dunkel hier“, sagte die Frau, „ich werde eine Kerze holen“, und sie ging über die Papiere hinweg aus dem Zimmer. „Meine Frau ist mir eine große Stütze“, sagte der Vorsteher, „in dieser schweren Amtsarbeit, die doch nur nebenbei geleistet werden muss. Ich habe zwar für die schriftlichen Arbeiten noch eine Hilfskraft, den Lehrer, aber es ist trotzdem unmöglich, fertig zu werden, es bleibt immer viel Unerledigtes zurück, das ist dort in jenem Kasten gesammelt“, und er zeigte auf einen anderen Schrank. „Und gar, wenn ich jetzt krank bin, nimmt es überhand“, sagte er und legte sich müde, aber doch auch stolz zurück. „Könnte ich nicht“, sagte K., als die Frau mit der Kerze zurückgekommen war und vor dem Kasten kniend den Erlass suchte, „Ihrer Frau beim Suchen helfen?“ Der Vorsteher schüttelte lächelnd den Kopf: „Wie ich schon sagte, ich habe keine Amtsgeheimnisse vor Ihnen, aber Sie selbst in den Akten suchen zu lassen, so weit kann ich denn doch nicht gehen.“ Es wurde jetzt still im Zimmer, nur das Rascheln der Papiere war zu hören, der Vorsteher schlummerte vielleicht sogar ein wenig. Ein leises Klopfen an der Tür ließ K. sich umdrehen. Es waren natürlich die Gehilfen. Immerhin waren sie schon ein wenig erzogen, stürmten nicht gleich ins Zimmer, sondern flüsterten zunächst durch die ein wenig geöffnete Tür: „Es ist uns kalt draußen.“ „Wer ist es?“ fragte der Vorsteher aufschreckend. „Es sind nur meine Gehilfen“, sagte K., „ich weiß nicht, wo ich sie auf mich warten lassen soll, draußen ist es zu kalt, und hier sind sie lästig.“ „Mich stören sie nicht“, sagte der Vorsteher freundlich, „lassen Sie sie hereinkommen. Übrigens kenne ich sie ja. Alte Bekannte.“ „Mir aber sind sie lästig“, sagte K. offen, ließ den Blick von den Gehilfen zum Vorsteher und wieder zurück zu den Gehilfen wandern und fand aller drei Lächeln ununterscheidbar gleich. „Wenn Ihr aber nun schon hier seid“, sagte er versuchsweise, „so bleibt und helft dort der Frau Vorsteher einen Akt suchen, auf dem das Wort Landvermesser blau unterstrichen ist.“ Der Vorsteher erhob keinen Widerspruch. Was K. nicht durfte, die Gehilfen durften es, sie warfen sich auch gleich auf die Papiere, aber sie wühlten mehr in den Haufen, als dass sie suchten, und während einer eine Schrift buchstabierte, riss sie ihm der andere immer aus der Hand. Die Frau dagegen kniete vor dem leeren Kasten, sie schien gar nicht mehr zu suchen, jedenfalls stand die Kerze sehr weit von ihr. „Die Gehilfen“, sagte der Vorsteher mit einem selbstzufriedenen Lächeln, so, als gehe alles auf seine Anordnungen zurück, aber niemand sei imstande, das auch nur zu vermuten, „sie sind Ihnen also lästig, aber es sind doch Ihre eigenen Gehilfen.“ „Nein“, sagte K. kühl, „sie sind mir erst hier zugelaufen.“ „Wie denn, zugelaufen“, sagte er, „zugeteilt worden, meinen Sie wohl.“ „Nun denn zugeteilt worden“, sagte K. „sie könnten aber ebenso gut herabgeschneit sein, so bedenkenlos war diese Zuteilung.“ „Bedenkenlos geschieht hier nichts“, sagte der Vorsteher, vergaß sogar den Fußschmerz und setzte sich aufrecht. „Nichts“, sagte K., „und wie verhält es sich mit meiner Berufung?“ „Auch Ihre Berufung war wohlerwogen“, sagte der Vorsteher, „nur Nebenumstände haben verwirrend eingegriffen, ich werde es Ihnen an der Hand der Akten nachweisen.“ „Die Akten werden ja nicht gefunden werden“, sagte K. „Nicht gefunden?“ rief der Vorsteher, „Mizzi, bitte, such ein wenig schneller! Ich kann Ihnen jedoch die Geschichte auch ohne Akten erzählen. Jenen Erlass, von dem ich schon sprach, beantworteten wir dankend damit, dass wir keinen Landvermesser brauchen. Diese Antwort scheint aber nicht an die ursprüngliche Abteilung, ich will sie A nennen, zurückgelangt zu sein, sondern irrtümlicherweise an eine andere Abteilung B. Die Abteilung A blieb also ohne Antwort, aber leider bekam auch B nicht unsere ganze Antwort; sei es, dass der Akteninhalt bei uns zurückgeblieben war, sei es, dass er auf dem Weg verloren gegangen ist – in der Abteilung selbst gewiss nicht, dafür will ich bürgen – jedenfalls kam auch in der Abteilung B nur ein Aktenumschlag an, auf dem nichts weiter vermerkt war, als dass der einliegende, leider in Wirklichkeit fehlende Akt von der Berufung eines Landvermessers handle. Die Abteilung A wartete inzwischen auf unsere Antwort, sie hatte zwar Vormerke über die Angelegenheit, aber wie das begreiflicherweise öfters geschieht und bei der Präzision aller Erledigungen geschehen darf, verließ sich der Referent darauf, dass wir antworten würden und dass er dann entweder den Landvermesser berufen oder nach Bedürfnis weiter über die Sache mit uns korrespondieren würde. Infolgedessen vernachlässigte er die Vormerke und das Ganze geriet bei ihm in Vergessenheit. In der Abteilung B kam aber der Aktenumschlag an einen wegen seiner Gewissenhaftigkeit berühmten Referenten, Sordini heißt er, ein Italiener, es ist selbst mir, einem Eingeweihten, unbegreiflich, warum ein Mann von seinen Fähigkeiten in der fast untergeordneten Stellung gelassen wird. Dieser Sordini schickte uns natürlich den leeren Aktenumschlag zur Ergänzung zurück. Nun waren aber seit jenem ersten Schreiben der Abteilung A schon viele Monate, wenn nicht Jahre vergangen, begreiflicherweise, denn wenn, wie es die Regel ist, ein Akt den richtigen Weg geht, gelangt er an seine Abteilung spätestens in einem Tag und wird am gleichen Tag noch erledigt, wenn er aber einmal den Weg verfehlt, und er muss bei der Vorzüglichkeit der Organisation den falschen Weg förmlich mit Eifer suchen, sonst findet er ihn nicht, dann, dann dauert es freilich sehr lange. Als wir daher Sordinis Note bekamen, konnten wir uns an die Angelegenheit nur noch ganz unbestimmt erinnern, wir waren damals nur zwei für die Arbeit, Mizzi und ich, der Lehrer war damals noch nicht zugeteilt, Kopien bewahrten wir nur in den wichtigsten Angelegenheiten auf – wir konnten nur sehr unbestimmt antworten, dass wir von einer solchen Berufung nichts wüssten und dass nach einem Landvermesser bei uns kein Bedarf sei.“ „Aber“, unterbrach sich hier der Vorsteher, als sei er im Eifer des Erzählens zu weit gegangen oder als sei es wenigstens möglich, dass er zu weit gegangen sei, „langweilt Sie die Geschichte nicht?“

      „Nein“, sagte K. „sie unterhält mich.“

      Darauf der Vorsteher: „Ich erzähle es Ihnen nicht zur Unterhaltung.“

      „Es unterhält mich nur dadurch“, sagte K., „dass ich einen Einblick in das lächerliche Gewirre bekomme, welches unter Umständen über die Existenz eines Menschen entscheidet.“

      „Sie haben noch keinen Einblick bekommen“, sagte ernst der Vorsteher, „und ich kann Ihnen weitererzählen. Von unserer Antwort war natürlich ein Sordini nicht befriedigt. Ich bewundere den Mann, trotzdem er für mich eine Qual ist. Er misstraut nämlich jedem, auch wenn er z. B. irgendjemanden bei unzähligen Gelegenheiten als den vertrauenswürdigsten Menschen kennengelernt hat, misstraut er ihm bei der nächsten Gelegenheit, wie wenn er ihn gar nicht kennen würde oder richtiger, wie wenn er ihn als Lumpen kennen würde. Ich halte das für richtig, ein Beamter muss so vorgehen, leider kann ich diesen Grundsatz meiner Natur nach nicht befolgen, Sie sehen ja, wie ich Ihnen, einem Fremden, alles offen vorlege, ich kann eben nicht anders. Sordini dagegen fasste unserer Antwort gegenüber sofort Misstrauen. Es entwickelte sich nun eine große Korrespondenz. Sordini fragte, warum es mir plötzlich eingefallen sei, dass kein Landvermesser berufen werden solle, ich antwortete mithilfe von Mizzis ausgezeichnetem Gedächtnis, dass doch die erste Anregung vom Amt selbst ausgegangen sei (dass es sich um eine andere Abteilung handelte, hatten wir natürlich schon längst vergessen). Sordini dagegen: warum ich diese amtliche Zuschrift erst jetzt erwähne, ich wiederum: weil ich mich erst jetzt an sie erinnert habe, Sordini: das sei sehr merkwürdig, ich: das sei gar nicht merkwürdig bei einer so lange sich hinziehenden Angelegenheit, Sordini: es sei doch merkwürdig, denn die Zuschrift, an die ich mich erinnert habe, existiere nicht, ich: natürlich existiere sie nicht, weil der ganze Akt verloren gegangen sei, Sordini: es müsste aber doch ein Vormerk hinsichtlich jener ersten Zuschrift bestehen, der aber bestehe nicht. Da stockte ich, denn dass in Sordinis Abteilung ein Fehler unterlaufen sei, wagte ich weder zu behaupten noch zu glauben. Sie machen vielleicht, Herr Landvermesser, Sordini in Gedanken den Vorwurf, dass ihn die Rücksicht auf meine Behauptung wenigstens dazu hätte СКАЧАТЬ