Stein. Sabine Korsukéwitz
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Название: Stein

Автор: Sabine Korsukéwitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783844284119

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СКАЧАТЬ von unseren germanischen Vorvätern lässt sich leider nur sagen, dass sie großartige Raufbolde und ausdauernde Säufer waren. Alles, was sie uns gegeben haben sind ein paar grobschlächtige Hinkelsteine. Da kann es nicht verwundern, dass die Nationalsozialisten eben die Härte und Anspruchslosigkeit als beste germanische Eigenschaften betonten. Was anderes war ja nicht da.

      Zur Ehrenrettung unserer Ahnen schritt kürzlich der Oberkustos des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, Dr. Klaus Goldmann. Er stellte die Theorie auf, dass den Germanen in Sachen Nachruhm ihr Reichtum zum Verhängnis wurde, ihr Reichtum an Holz nämlich. Und außerdem scheint sich da schon in römischer Zeit ein Dreckfuhler eingeschlichen zu haben: Ein Übersetzungsfehler machte aus reichem Kulturland einen düsteren Sumpf:

      Germanien – ein unpräziser Begriff, aber Sie wissen, was ungefähr gemeint ist – war noch in römischer Zeit mit einem solchen Waldreichtum gesegnet, dass Reisende aus fernen, bereits abgeholzten Ländern davon schwärmten. Insbesondere werden die hochgewachsenen, geraden Stämme erwähnt. Die bei Ausgrabungen aus Torf und Mooren gefundenen außerordentlich gerade gewachsenen Stämme, oft von exakt gleichem Durchmesser lassen sogar an erfolgreiche Forstwirtschaft denken. Bis ins Mittelalter hinein wurde fast ausschließlich mit Holz gebaut, Gegenstände und Verzierungen in Holz geschnitzt und mit Pflanzenfarben bemalt.

      Vorstellbar ist also, dass, wie Dr. Goldmann schreibt, in Alteuropa durchaus ein geordnetes Staatensystem mit verfeinerter Kultur existiert hat. Nur sind aufgrund der Vergänglichkeit des Materials Holz kaum noch Spuren davon zu finden. Mit den wenigen gehobenen Schätzen scheint man auch unsachgemäß umgesprungen zu sein. Vieles wurde aus Unwissenheit zerstört. So sind aus Mooren bei Nydam, Dänemark, hölzerne Schilde geborgen worden. Da sie schmutzig waren, wurden sie als erstes mit einem Wasserschlauch abgespritzt. Viel zu spät fiel einem Archäologen auf, dass, was da heruntertropfte, nicht nur Schlamm, sondern auch Farben waren. Die prachtvolle Malerei war fortgespült worden. Jetzt weiß man es besser und es sind neue Funde zu erhoffen.

      Weil also unsere Vorfahren kaum Stein genutzt haben, sieht es heute so aus, als seien sie unkultivierte Barbaren gewesen. Dazu kam die Arroganz der römischen Eroberer, die naturgemäß ihre Feinde nicht im besten Licht erscheinen ließen in ihren Berichten. Kolonialherren rechtfertigen ja immer ihr Tun durch kulturelle und nicht durch militärische Überlegenheit. Auch die römischen Missionare ließen es im Nachhinein so aussehen, als habe die Zivilisation erst mit ihrem Kommen angefangen.

      965 n.Chr. bereiste der jüdischer Händler Ibrahim Ibn Jakub im Auftrag des Kalifen Hakan II. von Cordoba die nördlichen Länder Mitteleuropas, insbesondere Mecklenburg, Sachsen und Böhmen. Er schrieb einen ausführlichen Reisebericht, der leider nur in Abschriften überliefert ist, weil die Bibliothek von Cordoba einem christlichen Autodafé zum Opfer gefallen ist. Ibrahim Ibn Jakub beschreibt diese Länder als reich an Getreide, Fleisch, Honig und Fischen. Hirse, Gerste und Weizen soll zweimal jährlich geerntet und bis nach Byzanz exportiert worden sein. Ebenso sollen die Germanen mit Reitpferden gehandelt haben, die man schließlich nicht gut in dichten , sumpfigen Wäldern züchten kann.

      Ein späterer Kopist/Übersetzer hat dann den Sinn des Textes fast ins Gegenteil verkehrt: Das Missverständnis bezieht sich auf das arabische Wort ham’a, das anscheinend in dieser späteren Übertragung einfach mit ‘Morast’ übersetzt wurde. Das passt aber nicht zu den reichen Getreideernten. Man hätte es mit Lehm und Ton übersetzen müssen, was mehr Sinn macht. Laut Dr. Goldmanns Forschungen war das betreffende Gebiet nämlich trocken gelegtes, fruchtbares Land. Dann gibt es da noch das Wort giyad, Plural von gaida, was man sowohl als sumpfiges Dickicht, als auch als trocken gelegtes Land nehmen kann. Viel von dem trocken gelegten Land wäre demnach später wieder versumpft und überwuchert worden, nach Entvölkerung weiter Landstriche durch Krieg und Epidemien.

      Deshalb also glauben einige moderne Altertumsforscher, dass Germanien nicht das finster-trübe Barbarenland gewesen ist, das Tacitus beschrieben hat, sondern durchaus eine Hochkultur mit Schrift und Kunst, nur leider einer sehr vergänglichen.

      Auch die Wikinger waren wohl nicht die Vorzeit-Hooligans, als die sie neuerdings gern dargestellt werden. Weder das, noch ein Heldenvolk oder gar weitgereiste Diplomaten. Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen. ‘Die Wikinger’ als Volk hat es nie gegeben. Altnordisch vikingr heißt einfach ‘Seeräuber’ und bezeichnet daher nur einen Teil der ausgedehnten und differenzierten skandinavischen Bevölkerung, einen ziemlich großen Teil – zugegeben – sonst hätten sich ihre Raubzüge nicht so eingeprägt. Aber schließlich machen auch heute eine Handvoll brauner Dorfterroristen mehr Schlagzeilen als der viel größere friedliche Rest der Bevölkerung. Ein englischer Wissenschaftler hat den Wandel der Wikinger vom Seeräuber zum Eroberer treffend so beschrieben:

      “To viking war eine saisonale Beschäftigung. Im Winter ließ es sich nicht gut reisen und kriegführen, ob zur See oder auf dem Land. Also ging man heim mit seinem Erwerb zu Eltern, Frau und Kindern, reparierte das Dach, kratzte dem Hausschwein den Rücken, zeugte ein neues Baby und wartete den nächsten Ruf zu den Waffen ab. Aber im Ausland zu überwintern .... gab dem vikingen eine neue Wendung: Wenn einen Winter, warum nicht zwei, wenn zwei, warum nicht drei? Die Winter waren wärmer im Süden, die See gefror niemals, das Land war gut und wartete darauf, eingenommen zu werden. Warum überhaupt nach Hause zurückkehren?”

      Abgesehen von schönen Schmiedearbeiten und Schmuck, haben die Wikinger vor allem eines hinterlassen, das bei den Neoromantikern heute hoch im Kurs steht: Runensteine, roh zugerichtete Findlinge einfach, in die Runenzeichen eingemeißelt sind. Ich rechne sie wegen ihrer Wirkung ebenfalls zu den ominösen Fingersteinen. Zu Beginn des ersten Jahrtausends waren magische und religiöse Inschriften häufig. Eine andere Gruppe dagegen stellt Rechtsdokumente dar. Interessanterweise handelte es sich dabei meist um Gedenksteine an gefallene Männer. Sie wurden überwiegend von den hinterbliebenen Ehefrauen in Auftrag gegeben, weniger aus Pietät, als um sofort die Erbfolge klarzustellen und die Witwen abzusichern. In späterer Zeit und je weiter weg von der Heimat sie gefunden wurden, hatten die Runen dann oft nur noch Graffiti-Charakter: ‘Hägnar war hier!’

      In Schweden gibt es 3000 erhaltene Runeninschriften, in Norwegen etwa sechzig, in Grönland fünfundsiebzig und im kleinen Dänemark immerhin 200. Und obwohl Dänemark so reich an Runensteinen ist, hat es einen 87 Jahre dauernden Vorgang zwischen Preußen und Dänemark gegeben wegen eines einzigen Runensteins, noch dazu einem, der, wie sich herausstellte, doch nur der Graffiti-Sorte angehörte...

      Man muss sich vorstellen: seit der Renaissance war das Interesse an der Antike wiedererwacht, an der Philosophie, der Medizin, der Magie, vor allem aber an ihrer Kunst. Seither war gierig und systemlos gesammelt, aber auch vieles zerstört worden. 1762 erschien Winckelmanns ‘Geschichte der Kunst des Altertums’, das erste systematische und umfassende Werk über die Entwicklung der antiken Kunst, ein Bestseller der so packend geschrieben war, dass er die gebildete Welt mit Begeisterung für antike Schätze erfüllte und praktisch die Klassik einleitete.

      Der Hohenzollernprinz Friedrich Carl Nikolaus von Preußen war so ein Antikensammler, ein wenig wahllos zwar und ohne Respekt, dafür aber von großer Begeisterung. Zu seinen Souvenirs aus aller Welt zählten ein Boot und ein Anker unbekannter Herkunft, 2 nordische Streitäxte, Schildbuckel, Türbeschläge sowie ein Mumiensarg aus Theben, den er 1883 der Ägyptischen Abteilung des Neuen Museums zu Berlin schenkte. Die Mumie hatte er allerdings zuvor im Billardzimmer seines Jagdschlosses Dreilinden “unter den erläuternden Bemerkungen” anwesender Fachleute auswickeln lassen. Und im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 hatte er eben einen wikingischen Runenstein mitgehen heißen, um ihn später bei seinem Jagdschloss Dreilinden aufstellen zu lassen. Der Königliche Oberstabsarzt Friedel, berichtete darüber in einem Brief an seinen Bruder:

      “Lieber Ernst! ... Der Runenstein stammt vom Ochsenwege dicht bei Rothenkrug nahe Apenrade, woselbst er herrenlos dastand und von Prinz Friedrich Carl mitgenommen wurde.” (Der ‘Ochsenweg’, das war jene engste Stelle zwischen Ost und Nordsee, an der die Wikinger ihre Drachenboote zwecks СКАЧАТЬ