Nostromo. Joseph Conrad
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nostromo - Joseph Conrad страница 2

Название: Nostromo

Автор: Joseph Conrad

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750247864

isbn:

СКАЧАТЬ Bursche hatte es tatsächlich fertiggebracht, einen Leichter voll Silber zu stehlen, und zwar, wie es scheint, einfach deswegen, weil ihm seine Dienstgeber blind vertrauten, die auffallend schlechte Menschenkenner gewesen sein müssen. In der Lebensgeschichte des Matrosen erscheint dieser Mann als ein ruchloser Schurke, ein niedriger Betrüger, sinnlos roh und übellaunig, von gemeinem Aussehen und gänzlich unwürdig der Größe, zu der ihm der Zufall verhelfen hatte. Merkwürdig war es, daß er sich seiner Tat offen rühmte.

      Er pflegte zu sagen: »Die Leute glauben, daß ich mit meinem Schoner da eine Menge Geld verdiene, aber das ist gar nichts. Ich schere mich nicht drum. Ab und zu gehe ich ruhig hin und hole mir einen Silberbarren. Ich muß langsam reich werden – du verstehst.«

      Der Mann wies noch einen anderen merkwürdigen Wesenszug auf. Einmal, bei Gelegenheit irgendeines Streites, drohte ihm der Matrose: »Was sollte mich abhalten, an Land wiederzuerzählen, was Sie mir von dem Silber gesagt haben?«

      Der zynische Gauner war nicht im geringsten bestürzt. Er lachte sogar: »Du Narr, wenn du es wagst, an Land so über mich zu sprechen, so wirst du ein Messer in den Rücken bekommen. Jeder, Mann, Weib und Kind, in dem Hafen ist mir freund. Und wer will beweisen, daß der Leichter nicht gesunken ist? Ich habe dir nicht gezeigt, wo das Silber verborgen ist, oder? So weißt du gar nichts. Und wenn ich gelogen hätte? He?«

      Schließlich brannte der Matrose von dem Schoner durch, angewidert von der schmutzigen Gemeinheit dieses so gar nicht reumütigen Diebes. Der ganze Vorfall nimmt etwa drei Seiten seiner Lebensgeschichte ein. Kaum der Rede wert; als ich sie aber überflog, da weckte die merkwürdige Bestätigung der wenigen, zufälligen Worte, die ich in frühester Jugend gehört hatte, die Erinnerung an jene ferne Zeit, da alles so frisch gewesen war, so überraschend, so abenteuerlich und reizvoll. Fremde Küstenstriche unter den Sternen, Hügelschatten im Sonnenschein, menschliche Leidenschaften im Dunkeln, halbvergessene Worte, entschwundene Gesichter ... Vielleicht, vielleicht gab es doch noch etwas in der Welt, worüber sich schreiben ließ. Dennoch sah ich zunächst nichts davon in der bloßen Erzählung. Ein Gauner stiehlt eine große Menge einer wertvollen Ware – so sagen die Leute. Es ist entweder wahr oder unwahr; und keinesfalls an sich wichtig. Eine umständliche Geschichte dieses Diebstahls zu erfinden, reizte mich nicht, denn da meine Begabung nicht in dieser Richtung liegt, so schien mir der Lohn nicht der Mühe wert. Erst als es mir aufdämmerte, daß der Schatzdieb nicht notwendig ein überzeugter Schuft gewesen sein mußte, daß er vielleicht sogar ein Mann von Charakter sein konnte, der während der Wechselfälle der Revolution eine Rolle gespielt hatte, etwa auch ihr Opfer gewesen war: – da erst erschien mir in dämmerigen Umrissen das Land, das bestimmt war, die Provinz von Sulaco zu werden, mit seiner hohen, schattigen Sierra und seinem nebligen Campo, als stummen Zeugen der Geschehnisse, die sich aus den Leidenschaften der im Guten und im Bösen kurzsichtigen Menschen ergeben.

      Dies sind tatsächlich die ersten Ansätze zu »Nostromo« – dem Buch. Von jenem Augenblick an, glaube ich, mußte es entstehen. Doch zögerte ich selbst dann noch, als hätte mich der Selbsterhaltungstrieb gewarnt, mich auf eine weite und mühsame Reise zu wagen, in ein Land voll Unruhen und Gefahren. Doch es mußte sein.

      Der größte Teil der Jahre 1903 und 1904 ging darüber hin, unterbrochen durch vielfach wiederholtes Zögern, um mich nicht ganz in die ungemessenen Weiten zu verlieren, die sich mit der fortschreitenden Kenntnis des Landes vor mir auftaten. Oft auch, wenn ich mich in den verwickelten Verhältnissen der Republik festgerannt hatte, packte ich, bildlich gesprochen, meinen Koffer, floh von Sulaco, um Luftwechsel zu haben, und schrieb ein paar Seiten an »Im Spiegel der See«. Im ganzen genommen aber währte, wie schon gesagt, mein Aufenthalt in Lateinisch-Amerika, das für seine Gastlichkeit berühmt ist, ungefähr zwei Jahre. Bei meiner Rückkehr fand ich (um etwa mit Kapitän Gulliver zu sprechen) meine Familie wohlauf, meine Frau herzlich erfreut darüber, daß der Trubel ein Ende hatte, und meinen kleinen Jungen während meiner Abwesenheit beträchtlich gewachsen.

      Meine Hauptquelle für die Geschichte von Costaguana ist natürlich mein verehrter Freund, der verstorbene Don José Avellanos, Gesandter an den Höfen von England, Spanien usw. usw., mit seiner unparteiischen und beredten »Geschichte von fünfzig Jahren Mißwirtschaft«. Dieses Werk wurde nie veröffentlicht – der Leser wird entdecken, warum –, und ich bin tatsächlich der einzige Mensch in der Welt, der um seinen Inhalt weiß. Ich habe mich in nicht wenig Stunden ernsten Nachdenkens damit vertraut gemacht und hoffe, daß man meiner Gründlichkeit Glauben schenken wird. Um mir selbst Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und die Befürchtungen weitsichtiger Leser zu beschwichtigen, möchte ich betonen, daß die wenigen historischen Anspielungen niemals nur zu dem Zwecke gemacht sind, um mit meinem einzigartigen Wissen zu prunken, sondern daß jede einzelne davon eng mit der Handlung verknüpft ist: indem sie entweder ein Streiflicht auf laufende Vorkommnisse wirft oder sich unmittelbar auf die Schicksale der handelnden Personen bezieht.

      Was nun die Einzelschicksale angeht, so habe ich mich bemüht, sie alle – Aristokraten und Volk, Männer und Frauen, Romanen und Angelsachsen, Banditen und Politiker – mit so kühler Hand zu zeichnen, wie es in der Hitze und im Drang meiner eigenen widerstreitenden Gefühle nur möglich war. Und schließlich ist ja dies auch die Geschichte ihres eigenen Widerstreits. An dem Leser wird es liegen, zu entscheiden, inwieweit sie Anteilnahme verdienen, für ihre Taten und ihre geheimen Ziele, wie sie sich unter dem bitteren Zwang der Zeit enthüllen. Ich gestehe, daß für mich jene Zeit die Zeit treuer Freundschaft und unvergessener Gastlichkeit ist. Und hier muß ich dankbar der Frau Gould gedenken, der »ersten Dame von Sulaco«, die wir mit gutem Gewissen der stillen Verehrung des Dr. Monygham überlassen dürfen, und ihres Mannes Charles Gould, des idealistischen Schöpfers materieller Interessen, den wir seiner Mine überlassen müssen – von der es in dieser Welt kein Entrinnen gibt.

      Über Nostromo, den zweiten der beiden nach Rasse und Gesellschaftsschicht so verschiedenen Männer, die beide im Bann des Silbers aus der San Tomé-Mine stehen, muß ich noch ein paar Worte mehr sagen.

      Ich hatte keine Bedenken, diese Hauptfigur zum Italiener zu machen. Es ist vor allem durchaus glaubhaft: die westliche Provinz wimmelte damals von Italienern, wie jeder beim Weiterlesen sehen wird; und zweitens paßte kein anderer so gut an die Seite Giorgio Violas, des Garibaldiners, des Idealisten aus der Zeit der alten menschenfreundlichen Revolutionen. Ich brauchte dafür einen Mann aus dem Volke, so frei wie möglich von gesellschaftlichem Herkommen und jeder festgelegten Denkweise. Das soll kein Seitenhieb auf das Herkommen sein. Meine Gründe waren nicht moralischer, sondern künstlerischer Art. Wäre der Held ein Angelsachse gewesen, so hätte er versucht, in die Lokalpolitik hineinzukommen. Nostromo aber zeigt keinen Ehrgeiz nach einer Führerrolle. Er wünscht sich nicht über die Masse zu erheben, ist zufrieden, sich als eine Macht zu fühlen – inmitten des Volks.

      Hauptsächlich aber ist Nostromo, was er ist, weil mir die erste Idee zu seiner Gestalt in früheren Tagen von einem mittelländischen Matrosen kam. Alle, die bestimmte meiner Werke gelesen haben, werden sofort verstehen, was ich meine, wenn ich sage, daß Dominic, der Schiffer der Tremolino, unter gewissen Umständen hätte Nostromo sein können. Auf jeden Fall hätte Dominic den jüngeren Mann vollauf, wenn auch mit Geringschätzung, verstanden. Er und ich waren zusammen in ein ziemlich törichtes Abenteuer verwickelt; aber die Torheit tut ja nichts zur Sache. Es ist mir eine ehrliche Genugtuung, zu denken, daß in meinen ganz jungen Tagen doch etwas in mir gewesen sein muß, wertvoll genug, um mir jenes Mannes halb bittere Treue zu sichern, seine halb spöttische Ergebenheit. Viele Aussprüche Nostromos habe ich zuerst von Dominics Lippen gehört. Die Hand auf der Ruderpinne und mit furchtlosen Augen den Horizont absuchend, unter der mönchischen Kapuze hervor, die sein Gesicht beschattete, pflegte er seiner bitteren Weisheit letzten Schluß zu murmeln: »Vous autres gentilhommes!« in einem beißenden Ton, der mir noch im Ohre klingt. Wie Nostromo! »Ihr bombres finos!« Ganz wie Nostromo. Doch Dominic, der Korsikaner, hatte einen gewissen Ahnenstolz, von dem mein Nostromo frei ist – denn Nostromos Abstammung mußte noch älter sein. Er ist ein Mann mit dem Gewicht zahlloser Geschlechter hinter sich und ohne Verwandtschaft, deren er sich СКАЧАТЬ