Название: Die Pyrenäenträumer - Band 2
Автор: Wolfgang Bendick
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Zu Wasser und zu Lande
isbn: 9783750216471
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Aber auch heute schon lief es gut! Gegen 11 Uhr überkam die Leute ein Kauffieber. Kleine Trauben bildeten sich vor den Ständen, die Verzweiflung der Marktleute war verschwunden, die Nasen blieben ungeputzt, die Filzläuse hatten ihre Ruhe! Zum Glück war Doris mit den Kindern gekommen, welche mit der Kleinen zu den Tieren liefen. Einer von uns schnitt ab, ließ probieren, der andere verpackte, wog, kassierte und unterhielt sich zugleich noch mit den Kunden, denn deren Neugier war langsam erwacht, vor allem, als sie ein Stück gekostet hatten. Sie stellten alle mögliche Fragen und wir luden sie ein, den Hof zu besuchen. Zum Glück kamen am Ende nur wenige zu uns hoch!
Jemand vom Organisations-Komitee fragte nach einem Stück Käse für die Tombola um 13 Uhr. Wir gaben noch ein Gläschen Honig dazu. Irgendwer hatte Musik aufgelegt, die aus den überall in der Straße aufgehängten Lautsprechern plärrte. Das machte die Verständigung fast unmöglich, man musste schreien oder sich mit Zeichen verständigen. Aber irgendwie schuf das eine Jahrmarktstimmung, die auch mich nach dem zweiten Glas Wein von einem wohlmeinenden Nachbarn ergriff. Die Sonne schien, die wenigen Autos auf der Straße waren in der Menschenmenge gefangen, die Kinder zerrten quengelnd ihre Eltern zum Käsestand zurück, weil ihnen die Probe so geschmeckt hatte! Und irgendwann war der Tisch leer, bis auf ein paar Gläser Honig. Wir stopften das Papiergeld aus der Kasse in die Hosentasche, versteckten die Kasse unterm Tisch und schlenderten an den anderen Ständen vorbei zum Marktplatz, wo es einen Gratisaperitif gab und anschließend Preisverteilung. Der Credit Agricole, die Bauernbank, vergab Ölkanister mit Zweitaktöl an die Bauern, die die schönsten Herden hatten, Crama, die Bauernversicherung, verteilt Pokale für die schönsten Tiere. Dann kommt die Ziehung der Tombola. Der erste Preis ist ein Schinken, gestiftet von einem der lokalen Metzger, der zweite Preis unser halber Käse mit dem Glas Honig, gestiftet von ‚Le Pourteres‘ aus Augirein. Diejenigen, die uns erkannt haben, prosten uns zu. Und irgendwie fühlen wir uns plötzlich alle hier auf diesem Platz wie eine große Familie.
Von nun an ging ich regelmäßig auf den Markt. Anfangs stellte ich mich nahe der Apotheke hin, da war auch eine Metzgerei und ein Restaurant mit Bistro, gut besucht, vor allem abends. Doch stank es hier herum dermaßen nach Urin, dass ich es vorzog, mich an das andere Ende des Marktes zu stellen. Der Markt fand jeden dritten Dienstag statt und 14 Tage später. Das war eine Regelung, die noch auf früher zurückging und die abzuändern kompliziert war, wegen des nationalen Märkte-Registers. Es kam vor, dass mal niemand da war und auch die Stammkunden nicht recht wussten, ob Markt war oder nicht.
Im Sommer war an den marktfreien Dienstagen Markt in Sentein, einem Dorf am Ende des Biros-Tales. Auch hier gewöhnten sich die Einheimischen bald an unsere Anwesenheit. An Regentagen kam es vor, dass wir die einzigen Verkäufer waren, was die Anwohner damit belohnten, dass sie bei uns kauften. Auch der Kramladen vom Dorf nahm uns Käse ab. Hier diente ebenfalls die Hauptstraße als Verkaufsort als auch der angrenzende Platz. Meist waren es die gleichen Verkäufer, die auf diesen kleinen Märkten zusammenkamen, man machte Brotzeit zusammen, tauschte untereinander Waren aus. Kam mal einer zu spät, konnte er sicher sein, dass ihm die anderen seinen Platz freihielten. Bewässerungsgräben flossen entlang der Straße und verliefen sich dann in den Wiesen oder Gärten. Gestutzte Akazien gaben etwas Schatten und ermöglichten einem das Aufhängen von Bildtafeln. Außer der mit den Käsefotos hatten wir bald eine zweite mit Honig-Fotos. Inzwischen hatte ich eine wasserfeste Sperrholzplatte zurechtgeschnitten, die ich aber auf dem Dachträger des R 4 transportieren musste, ebenfalls den fast neuen Marktschirm mit breitem Klappfuß, den ich einem Kumpel, der mal Bonbon-Händler gewesen war, abgekauft hatte, der für ein Jahr im Dorf wohnte. Wochenlang aßen wir seine letzten Reste auf, wenn wir Jungen uns bei ihm trafen. Außerdem hatte ich jetzt auf dem Markt immer einen Wasserkanister mit Hahn dabei, um bisweilen das Messer zu waschen oder die Hände.
Da wir auch hier in Sentein viele kannten, schon von früher von der Alm her, begrüßte man sich, wie üblich, mit Handschlag. Nur wir Neos unter uns begrüßten uns mit einer Umarmung. Da ich mir schlecht nach jedem Händedruck die Hände waschen konnte, machte ich es mir zur Gewohnheit, mit der rechten Hand den Käse zu schneiden und das Geld zu nehmen, mit der linken aber ausschließlich das Packpapier und den Käse anzufassen. Somit war ich sicher, keine Bakterien auf die Käse zu übertragen. Für einen Gegenüberstehenden war das gar nicht erkenntlich, außer er war Muselman. Aber die aßen ja sowieso keinen Käse. Ich kippte den abgeschnittenen Käsekeil von oben mit einem Finger leicht zur Seite, damit ich die Unterseite mit dem Daumen zu fassen bekam. So berührte ich nur die Rinde, nicht aber die Schnittfläche. Manche Käse- oder Fleisch-Verkäufer wollten ganz hygienisch erscheinen und zogen Latex-Handschuhe an. Doch dann berührten sie damit den Käse an den Schnittflächen, um ihn einzupacken, kassierten das Geld ein und gaben raus. Und schon war der nächste Kunde dran…
Direkt hinter unserem Marktstand wohnte die alte Bäckerin, eine große Frau, die trotz ihrer 80 Jahre noch mit dem Fahrrad fuhr. Sie war eine der ersten, die zum Stand kam. Sie kaufte ein kleines Stückchen Käse, lebte sie doch alleine. Sie erzählte mir, dass sie entfernt mit dem letzten Bauern von ‚Pourteres‘, unsrem Hof, verwandt sei, und dass dessen Enkelin in St. Girons ihre Rente verbrachte. Diese käme sie mehrmals im Jahr besuchen. Sie würde ihr von mir erzählen, bestimmt würde sie sich freuen, dass der Hof der Großeltern wieder zu neuem Leben erwacht war!
DER KANADIER
Im Dorf lebte der ‚Canadien‘, der Kanadier, wie man ihn nannte. Er war seinerzeit nach Kanada ausgewandert, aber später wieder nach Frankreich zurückgekommen und lebte seit kurzem in einem winzigen Häuschen, die zwei einzigen Fenster nach Norden ausgerichtet, gleich gegenüber dem Café. Er hatte aber noch Land im Tal nach Bordebounaout und in Boutebonne und ein weiteres Haus an der anderen Seite des Dorfes, wo er eine Werkstatt eingerichtet hatte und nebenbei Betonfiguren goss, deren Formen er von Canada mitgebracht hatte. Er war von gedrungener Gestalt, dick, stoppelbärtig. Er galt als bärbeißig, sprach wenig mit den Leuten.
Eines Abends waren wir auf dem kleinen Platz vor dem Café versammelt, die wenigen jüngeren Leute vom Dorf, die Buben vom Wirt, Patrick, sein Cousin Pierre, ein paar andere Freunde. Es war ein milder Vor-Sommerabend, einer der Abende, an denen man nicht schlafen gehen will, von denen man wünscht, dass sie ewig dauern. Leise rauschte das Wehr des fast trockenen Flusses, ein paar Grillen zirpten ihren Grillchen ein Liebeslied, süß streifte uns der Atem des Dorfes, diese Mischung von kaltem Kaminfeuer, Stallgeruch, Heu und Moder aus offenen Kellertüren… Eine dreiblättrige Zigarette machte die Runde, langsam fielen die Grenzen von Raum und Zeit. Wir lehnten uns in den Stühlen zurück, unser Blick wanderte zu den Sternen. Patrick sprach von Nepal. Er hatte das Ticket schon gekauft, bald würde es losgehen… Manche beneideten ihn, andere meinten, schöner als hier könne es da kaum sein. „Die Berge sind etwas höher!“, sinnierte ich, „die Hänge sind rot vor Rhododendron, überall raucht man bestes Ganga, man läuft zu Fuß…“ „Das ist ja wie hier!“, warf nach einer Weile Charles ein, „habt ihr die Hänge der Estremaille gesehen? Rot vor Alpenrosen, zu Fuß laufen hier die meisten auch noch, und was das Ganga betrifft, ich frage mich, ob es dort noch besser sein kann als unser Eigenanbau!“ „Ich werde etwas mitbringen! In genau einem Monat werden wir es dann hier testen!“, meinte Patrick. Das fanden wir eine super Idee!
„Chut! Habt ihr gehört, was СКАЧАТЬ