Название: Der Jüngling
Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783750208926
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»Ich weiß nicht, was mein Gesicht ausdrückt, aber ich hätte nie von Mama erwartet, daß sie Ihnen etwas von diesem Geld sagen würde, da ich sie doch ausdrücklich um Verschwiegenheit gebeten hatte«, erwiderte ich und sah meine Mutter mit funkelnden Augen an. Ich kann gar nicht sagen, wie tief ich mich gekränkt fühlte.
»Arkascha, mein Täubchen, um Gottes willen verzeih mir; ich konnte nicht anders als es sagen ...«
»Mein Freund«, sagte er, zu mir gewendet, »beschwere dich nicht darüber, daß sie mir deine Geheimnisse entdeckt hat; zudem hat sie nur in der besten Absicht gehandelt: sie wollte als Mutter einfach mit der kindlichen Liebe des Sohnes prahlen. Aber sei überzeugt, ich hätte auch ohne das erraten, daß du ein Kapitalist bist. Alle deine Geheimnisse stehen auf deinem ehrlichen Gesicht geschrieben. Er hat ›eine eigene Idee‹, Tatjana Pawlowna, das habe ich Ihnen schon gesagt.«
»Lassen wir mein ehrliches Gesicht beiseite«, fuhr ich zornig fort, »ich weiß, daß Sie einen manchmal ganz durchschauen können, obgleich Sie bei anderen Gelegenheiten manchmal nicht über Ihre eigene Nase hinaussehen, und bin über Ihren Scharfblick oft erstaunt gewesen. Nun ja, ich habe eine ›eigene Idee‹. Daß Sie sich gerade dieses Ausdrucks bedient haben, ist natürlich nur Zufall, aber ich scheue mich nicht zu bekennen: ich habe eine ›Idee‹. Ich scheue mich nicht und schäme mich nicht.«
»Das ist die Hauptsache: schäme dich dessen nicht!«
»Aber trotzdem werde ich sie Ihnen nie entdecken.«
»Das heißt, du hältst mich einer solchen Mitteilung nicht für würdig. Du brauchst mir gar nichts zu sagen, mein Freund; ich kenne den Kern deiner Idee auch so schon, jedenfalls läuft es darauf hinaus:
›Ich ziehe in die Wüste mich zurück.‹
Tatjana Pawlowna, meiner Ansicht nach will er ein Rothschild oder so etwas Ähnliches werden und sich in seine einsame Größe zurückziehen. Selbstverständlich wird er Ihnen und mir großmütig eine Pension aussetzen, mir allerdings vielleicht auch nicht; aber auf jeden Fäll werden wir ihn bald nicht mehr zu sehen bekommen. Es ist mit ihm wie mit dem Neumond – kaum hat er sich gezeigt, so geht er auch schon wieder unter.«
Ich zuckte innerlich zusammen. Freilich war das alles nur ein Zufall: er wußte nichts und hatte nicht das Richtige getroffen, obwohl er gerade den Namen Rothschild erwähnt hatte; aber wie hatte er es fertiggebracht, meine Gefühle so genau anzugeben: daß ich mit ihnen brechen und von ihnen fortgehen wollte? Er hatte alles im voraus erraten und wollte nun den tragischen Ernst der Sache im voraus mit seinen zynischen Scherzen besudeln. Daß er sich furchtbar ärgerte, daran war nicht im geringsten zu zweifeln.
»Mama, verzeihen Sie meine Heftigkeit, um so mehr, als man vor Andrej Petrowitsch ja ohnehin nichts verborgen halten kann«, sagte ich, indem ich ein gekünsteltes Gelächter anschlug und mich bemühte, wenigstens für einen Augenblick alles als Scherz darzustellen.
»Das beste, mein Lieber, ist, daß du gelacht hast. Es ist kaum zu glauben, wie sehr dadurch jeder Mensch gewinnt, sogar in seinem Äußeren. Ich rede im vollsten Ernst. Er macht immer so ein Gesicht, Tatjana Pawlowna, als hätte er etwas so Wichtiges im Sinn, daß er sogar selbst dadurch ganz beschämt ist.«
»Ich möchte Sie ernstlich bitten, etwas rücksichtsvoller zu sein, Andrej Petrowitsch.«
»Du hast recht, mein Freund; aber das mußte doch ein für allemal ausgesprochen werden, damit man später nie wieder darauf zurückzukommen braucht. Du bist aus Moskau zu uns hergekommen, um sofort zu rebellieren; das ist's, was wir vorläufig über die Zwecke deiner Ankunft wissen. Darüber, daß du hergekommen bist, um uns durch etwas in Erstaunen zu versetzen, darüber will ich gar nicht erst reden. Ferner bist du nun schon einen ganzen Monat bei uns und ranzt uns fortwährend an, obwohl du doch offenbar ein kluger Mensch bist und als solcher das Anranzen denjenigen überlassen könntest, die sich auf keine andere Weise an den Menschen für ihre eigene Wertlosigkeit rächen können. Du versteckst dich fortwährend, obwohl doch dein ehrliches Gesicht und deine roten Wangen deutliches Zeugnis dafür ablegen, daß du allen Menschen mit vollkommener Unschuld in die Augen sehen könntest. Er ist ein Hypochonder, Tatjana Pawlowna; ich begreife nicht, wodurch die jungen Leute jetzt sämtlich Hypochonder sind.«
»Wenn Sie nicht einmal wußten, wo ich aufgewachsen bin, wie können Sie dann wissen, wodurch jemand ein Hypochonder wird?«
»Da haben wir des Rätsels Lösung: du hast dich gekränkt gefühlt, weil ich vergessen hatte, wo du aufgewachsen bist!«
»Durchaus nicht, beschuldigen Sie mich nicht fälschlich solcher Dummheiten! Mama, Andrej Petrowitsch hat mich soeben dafür gelobt, daß ich gelacht habe; nun gut, lassen Sie uns lachen – warum sitzen wir so trübselig da! Wenn es Ihnen recht ist, möchte ich Ihnen ein paar Geschichtchen aus meinem Leben erzählen, um so mehr, als Andrej Petrowitsch von meinen Erlebnissen absolut nichts weiß.«
Es kochte in mir. Ich wußte, daß wir nie wieder so zusammensitzen würden wie jetzt und daß, wenn ich dieses Haus würde verlassen haben, ich es nie mehr betreten würde, – und so konnte ich mich denn am Vorabend dieser wichtigen Entscheidung nicht beherrschen. Er selbst forderte mich dazu heraus, in dieser Weise Schluß zu machen.
»Das wird natürlich sehr nett sein, vorausgesetzt, daß es wirklich komisch ist«, bemerkte er, indem er mich durchdringend ansah. »Du bist da, wo du aufgewachsen bist, ein bißchen derb geworden, mein Freund, indessen, sonst bist du immer noch ziemlich manierlich. Er ist heute sehr liebenswürdig, Tatjana Pawlowna, und Sie haben sehr gut daran getan, daß Sie endlich das Paket aufgemacht haben.«
Aber Tatjana Pawlowna machte ein finsteres Gesicht; sie wandte sich bei seinen Worten nicht einmal nach ihm um und fuhr fort, das Paket aufzumachen und die Näschereien auf Teller, die ihr gereicht wurden, zu verteilen. Auch meine Mutter saß in verständnisloser Verwunderung da; natürlich merkte und ahnte sie, daß unser Rededuell einen üblen Ausgang nehmen würde. Meine Schwester berührte mich noch einmal am Ellbogen.
»Ich will euch allen nur erzählen«, begann ich mit der harmlosesten Miene, »wie ein Vater zum erstenmal mit seinem lieben Sohn zusammentraf; das begab sich gerade da, wo du aufgewachsen bist.«
»Mein Freund, wird das nicht ... langweilig sein? Du weißt: tous les genres ...«
»Machen Sie kein finsteres Gesicht, Andrej Petrowitsch; ich beabsichtige ganz und gar nicht das, was Sie glauben. Ich will weiter nichts, als daß alle lachen.«
»Möge Gott deinen Wunsch erhören, mein Lieber! Ich weiß, daß du uns alle liebhast und ... uns unsern Abend nicht wirst verderben wollen«, sagte er halblaut mit gekünstelter Lässigkeit.
»Das haben Sie gewiß auch aus meinem Gesicht erraten, daß ich Sie liebhabe?«
»Ja, zum Teil auch aus deinem Gesicht.«
»Na, und ich habe aus Tatjana Pawlownas Gesicht schon längst erraten, daß sie in mich verliebt ist. Sehen Sie mich nicht so grimmig an, Tatjana Pawlowna, lachen Sie lieber! Lachen Sie lieber!«
Sie drehte sich plötzlich schnell zu mir um und blickte mich etwa eine halbe Minute lang scharf an:
»Nimm dich in acht!« sagte sie und drohte mir mit dem Finger, aber so ernst, daß sich das entschieden nicht auf meinen dummen Scherz beziehen konnte, sondern СКАЧАТЬ