Der Jüngling. Fjodor Dostojewski
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Название: Der Jüngling

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750208926

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СКАЧАТЬ weil die Sache es so mit sich bringen wird. Ist denn dazu so viel Verstand nötig? Was für eine salomonische Weisheit ist denn schon dazu erforderlich? Wenn man nur Charakterfestigkeit besitzt: Verständnis, Gewandtheit und Wissen kommen dann ganz von allein. Man darf nur nicht aufhören zu wollen.

      Die Hauptsache ist, nichts zu riskieren; diesem Grundsatz kann man aber nur treu bleiben, wenn man charakterfest ist. Noch kürzlich, als ich schon in Petersburg war, kam mir eine Subskriptionsliste auf Eisenbahnaktien in die Hand; diejenigen Leute, die das Glück gehabt hatten, zu subskribieren, hatten viel Geld verdient. Eine Zeitlang waren die Aktien tüchtig gestiegen. Nun nehmen wir einmal an, es habe jemand bei der Subskription die Zeit verpaßt, möchte jetzt gern Aktien haben, sähe solche in meinen Händen und machte mir den Vorschlag, sie ihm mit soundso viel Prozent Gewinn zu verkaufen. Dann würde ich sie ihm unbedingt sofort verkaufen. Allerdings würden die Leute mich auslachen und sagen: »Wenn du noch ein Weilchen gewartet hättest, hättest du das Zehnfache daran verdienen können.« Ja, aber mein Gewinn verdient schon dadurch den Vorzug, daß ich ihn in der Tasche habe, während der eurige noch in der Luft umherfliegt. Jene werden einwenden, auf diese Art könne man nicht viel verdienen. Pardon, das ist gerade euer Fehler, der Fehler all dieser Kokorew, Poljakow, Gubonin. Hört die Wahrheit: Energie und Ausdauer im Erwerben, besonders im Sparen, richten mehr aus als momentane Gewinne, selbst wenn diese sich auf mehrere hundert Prozent belaufen.

      Nicht lange vor der Französischen Revolution erschien in Paris ein gewisser Law und stellte ein im Prinzip geniales Projekt auf (das aber nachher bei der Verwirklichung vollständig scheiterte). Ganz Paris war in Aufregung; Laws Aktien wurden reißend gekauft, der Andrang war gewaltig. In das Haus, in dem die Subskription eröffnet war, strömte wie aus einem Sack das Geld aus ganz Paris zusammen; aber auch das Haus reichte schließlich nicht aus: das Publikum stand in dichtem Haufen auf der Straße, Angehörige aller Berufsarten, aller Stände, aller Lebensalter, Bourgeois, Adlige, deren Kinder, Gräfinnen, Marquisen, Prostituierte, alles keilte sich zu einer wütenden, halbverrückten Masse zusammen, als wären sie von einem tollen Hunde gebissen. Rang und Stand, Vorurteile der Geburt und des Stolzes, sogar Ehre und guter Name, alles wurde in den Schmutz getreten; alles wurde geopfert (sogar von den Frauen), um nur ein paar Aktien zu bekommen. Die Subskription wurde schließlich auf die Straße verlegt, aber dort fehlte es an einem Tisch, auf dem man hätte schreiben können. Da machte man einem Buckligen den Vorschlag, seinen Buckel für eine Weile als Tisch zur Verfügung zu stellen, damit so die Subskription auf die Aktien stattfinden könne. Der Bucklige willigte ein – man kann sich vorstellen, für welchen Preis! Nicht lange darauf (es hatte nur sehr kurze Zeit gedauert) waren alle bankrott, das ganze Unternehmen war geplatzt, die ganze Idee zum Teufel, und die Aktien hatten jeden Wert verloren. Wer hatte dabei gewonnen? Nur der Bucklige, eben weil er keine Aktien genommen hatte, sondern bare Louisdors. Nun, dieser Bucklige bin ich! Ich habe Willenskraft genug gehabt, um nur von Brot zu leben und mir kopekenweise zweiundsiebzig Rubel zusammenzusparen; da wird sie wohl auch ausreichen, um mitten in dem fieberhaften Taumel, der alle ergriffen hat, die Besonnenheit zu bewahren und den sicheren Gewinn dem großen vorzuziehen. Kleinlich bin ich nur in kleinen Dingen, in großen nicht. Zur Selbstbeherrschung im Kleinen hat meine Charakterfestigkeit oft nicht ausgereicht, auch nicht nach dem Entstehen meiner »Idee«, aber wo es sich um Großes handelt, reicht sie immer aus. Wenn mir meine Mutter morgens, bevor ich in den Dienst zum Fürsten ging, kalt gewordenen Kaffee vorsetzte, wurde ich ärgerlich und sagte ihr Grobheiten, und dabei war ich doch derselbe Mensch, der einen ganzen Monat lang nur von Brot und Wasser gelebt hatte.

      Kurz, es wäre unnatürlich, wenn ich nicht Geld verdienen sollte, wenn ich nicht lernen sollte, wie man welches verdient. Und ebenso unnatürlich wäre es, wenn jemand bei ununterbrochenem, gleichmäßigem Sparen, bei ununterbrochener Achtsamkeit und nüchterner Denkweise, bei Enthaltsamkeit und kluger Wirtschaft, bei stets wachsender Energie, ich wiederhole es, es wäre unnatürlich, wenn er da nicht Millionär werden sollte. Wodurch sonst hat sich jener Bettler sein Geld erworben als durch seine fanatische Charakterfestigkeit und Energie? Bin ich denn schlechter als der Bettler? Und schließlich, mag ich auch nichts erreichen, mag auch meine Berechnung falsch sein, mag ich auch scheitern und zugrunde gehen – ganz egal, ich unternehme es. Ich unternehme es, weil ich es will. Das hatte ich mir schon in Moskau gesagt.

      Man wird mir sagen, daß hier gar keine »Idee« und absolut nichts Neues vorliege. Aber ich erwidere, und zwar jetzt zum letztenmal, daß hier eine unendlich große Idee und unendlich viel Neues vorliegt.

      Oh, ich habe es ja vorhergeahnt, wie trivial alle Einwendungen sein werden, und wie trivial auch das erscheinen wird, was ich selbst zur Erläuterung meiner »Idee« sage.

      Nun, was habe ich ausgesprochen? Noch nicht den hundertsten Teil dessen, was ich eigentlich zu sagen hätte; ich fühle, daß es kleinlich, plump, oberflächlich herausgekommen ist und sogar noch jugendlicher, als es mein Lebensalter an sich schon mit sich bringt.

      Es bleiben noch die Antworten auf die Fragen »Warum?« und »Wozu?« und »ist es eine sittlich gute Handlungsweise?« usw. usw.; auf diese Fragen hatte ich zu antworten versprochen.

      Es tut mir leid, daß ich den Leser gleich von vornherein enttäuschen muß, es tut mir leid und freut mich zugleich. Man wisse also, daß in meiner »Idee« absolut nichts von einem Gefühl der »Rache« liegt, nichts Byronsches, keine Flüche, keine Klagen wegen Vaterlosigkeit, keine Tränen über illegitime Geburt, nichts Derartiges, nichts. Kurz, sollten meine Aufzeichnungen einer romantischen Dame in die Hände fallen, so wird sie sogleich ein Gesicht ziehen. Der ganze Zweck meiner »Idee« ist Absonderung von den Menschen.

      »Aber Absonderung kann man erreichen, auch ohne damit zu renommieren, daß man ein Rothschild werden will. Inwiefern muß man dazu ein Rothschild sein?«

      »Insofern, als ich außer der Absonderung auch Macht brauche.«

      Ich schicke voraus: der Leser wird über die Offenherzigkeit meiner Beichte vielleicht einen Schreck bekommen und sich in seiner Harmlosigkeit fragen: ›Wie ist es nur möglich, daß der Verfasser dabei nicht errötet?!‹ Darauf antworte ich: ich schreibe nicht, um gedruckt zu werden; einen Leser werde ich wahrscheinlich erst nach zehn Jahren haben, wenn alles schon dermaßen klargeworden, in die Vergangenheit zurückgewichen und bewiesen sein wird, daß zum Erröten kein Anlaß mehr bestehen wird. Wenn ich mich daher in diesen meinen Aufzeichnungen manchmal an den Leser wende, so ist das lediglich eine Form. Mein Leser ist ein Geschöpf meiner Phantasie.

      Nein, nicht meine illegitime Geburt, mit der ich bei Touchard so viel gehänselt wurde, nicht die traurigen Jahre meiner Kindheit, nicht die Rachsucht und nicht das Recht zu protestieren haben meine »Idee« hervorgerufen; schuld an allem ist einzig und allein mein Charakter. Von meinem zwölften Jahre an, glaube ich, das heißt fast von der Zeit an, wo das richtige Bewußtsein erwacht, konnte ich die Menschen nicht mehr leiden. Nicht eigentlich, daß ich sie nicht leiden konnte, aber der Verkehr mit ihnen wurde mir lästig. Es war mir in Augenblicken reiner Empfindung manchmal selbst überaus schmerzlich, daß ich nicht einmal denen gegenüber, die mir nahestehen, alles aussprechen kann (das heißt, ich könnte es wohl, aber ich will es nicht; ich halte mich aus einem mir selbst unklaren Grund zurück), und daß ich so mißtrauisch, mürrisch und schweigsam bin. Und ferner habe ich schon lange, fast seit meiner Kindheit, bei mir noch einen anderen Charakterzug bemerkt: daß ich zu häufig Beschuldigungen aufbringe, zu sehr geneigt bin, andere Leute zu beschuldigen; aber auf die Betätigung dieser Neigung folgte sehr oft unverzüglich ein anderer, mir besonders peinlicher Gedanke: ›Tragen vielleicht nicht sie die Schuld, sondern ich selbst?‹ Und wie oft beschuldigte ich mich ohne Grund! Um nicht solche Fragen beantworten zu müssen, suchte ich natürlich die Einsamkeit. Überdies habe ich, sosehr ich mich auch bemühte (und ich habe mich wirklich bemüht), an der Gesellschaft der Menschen nichts finden können; wenigstens erwies sich, daß alle meine Altersgenossen, alle meine Kameraden in ihrer Denkweise unter mir standen; ich besinne mich auf keine einzige Ausnahme.

      Ja, ich bin finster und verstecke mich fortwährend. Ich hege oft den Wunsch, СКАЧАТЬ