Название: Die Entführung der MS Hansa Stavanger
Автор: Frederik Euskirchen
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783844238655
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Da mir nichts ferner liegt als eine klagende Leidensgeschichte über die Umstände der Entführung zu schreiben, wird die Erzählung so weit wie möglich auf jegliche Dramatik und vor allem auf jegliche Allüren verzichten.
Sie soll dem einzigen Zweck dienen, den Hintergrund zum dritten Abschnitt zu skizzieren, um damit eine Art Nachweis für die anschließenden Ausarbeitungen zu bieten.
Selbstverständlich wird der zweite Teil des Buches keine reine faktische Zusammenfassung sein, da es vor allem als Betroffener nicht möglich ist, frei von Subjektivität zu schreiben.
Da es bei einer Entführung nun mal vor allem um die Menschen geht, kann eine Erzählung wohl kaum ohne die !wohl dosierten! persönlichen Empfindungen und Einschätzungen der erzählenden Person existieren.
Wie dem auch sei, ich denke, dass ich nach über einem Jahr der Besinnung und Ruhe, in welcher ich viel aufgeschrieben und ausgewertet habe, aber auch Abstand gefunden habe, die Ereignisse mit gesunder Distanz erzählen kann.
Dies gibt mir die Chance, zum einen Situationen von der Zeit vor Somalia wieder zu geben, sie anderseits aber auch besser deuten zu können.
Ich bin der Meinung, dass einerseits ein persönlicher aber zugleich auch fachlich nützlicher Bericht entstanden ist.
Allgemeine Hintergründe zur Hansa Stavanger (HS) und ihrer Route
Die Hansa Stavanger ist ein Containerschiff, wurde 1997 gebaut und hat eine Länge von 170 m mit einer Breite von 25 m.
Es bietet Containerstellplätze für 1 550 TEU.
Zum Zeitpunkt der Kaperung befinden sich 24 Seeleute an Bord.
Darunter 5 Deutsche – Kapitän, 2. Offizier, technischer Offiziersassistent und zwei Auszubildende zum Schiffsmechaniker.
Weiterhin sind zwei russische Seeleute an Bord, 1. Offizier und leitender Ingenieur, sowie zwei Ukrainer – 3. Offizier und Maschinenschlosser.
Außerdem arbeiten noch zwei philippinische Staatsbürger an Bord, beide sind Elektriker.
Die Mannschaftsränge, wie Matrosen und Maschinisten aber auch Koch und Steward, stammen aus Tuvalu, einem Inselstaat im Südpazifik.
Am 04. April. 09 befand sich die HS auf dem Weg von Dubai nach Mombasa.
Das Wetter ist wolkenfrei und sonnig mit besonders guter Sicht, windstill, glatte See, kein Schwell.
Die Entfernung zur somalischen Küste entspricht etwas über 400 sm und das Schiff befindet sich knapp 1 ½ Tage vor Mombasa, als es von fünf somalischen Piraten angegriffen und schließlich gekapert wird.
1. Vorbereitungen und Schutzmaßnahmen
Die Vorbereitungen für den Transit durch ein Piraten gefährdetes Gebiet ist vielseitig und fordert die Zusammenarbeit der gesamten Mannschaft und Abteilungen auf dem Schiff.
Grundlegend für eine gute Planung ist die ständige Berücksichtigung und Aktualisierung von externen und internen Anweisungen, wie z. B. Best Management Practices1, SSP (Ship Security Plan)2 und Warnungen über gegenwärtige Hotspots von Piratenangriffen.
Anhand dieser Empfehlungen und unter Rücksprache mit dem CSO3 kann eine effektive Vorbereitung durchgeführt werden. Die Hansa Stavanger wurde bis zum 04. April als nicht sonderlich gefährdet für eine tatsächliche Kaperung angesehen. Jedes Schiff kann angegriffen werden. Vor allem im Indischen Ozean werden die in kleinen Booten von Mutterschiffen ausgesetzten Piraten jedes vorbeifahrende Schiff ins Visier nehmen, während sie sich im Golf von Aden für sogenannte Soft Targets entscheiden können – Schiffe, die aufgrund von geringem Freibord und langsamer Geschwindigkeit einfacher zu kapern sind. Entsprechend den Best Management Practices, einem Leitfaden zur Vorbereitung und Durchführung eines Transits durch gefährdetes Gebiet, kam es noch zu keiner Kaperung eines Fahrzeuges mit einer Geschwindigkeit über 15 Knoten.
Die HS konnte bei voller Fahrt gut 18 - 19 Knoten erreichen, man ging also davon aus, dass mit entsprechenden Manövern und bordseitigen Vorbereitungen eine Kaperung im Falle eines Angriffs abgewehrt werden kann.
Im Folgenden eine Übersicht von Vorbereitungen, wie sie größtenteils auch an Bord der Hansa Stavanger durchgeführt wurden - diesbezüglich wird jeder Punkt einzeln die HS betreffend kommentiert.
1.1 Routenplanung - anhand von Piratenwarnungen
Internationale Stellen wie das IMB (International Maritime Bureau)4 Reporting Centre beschäftigen sich mit der Erfassung und Auswertung krimineller Aktivitäten auf den Meeren. Das genannte IMB-Reporting Centre mit Sitz in Kuala Lumpur (Malaysia) nimmt weltweite Meldungen über Piraterie entgegen, seien es Überfälle im Golf von Aden (GoA), im Indischen Ozean, in der Straße von Malakka oder vor Westafrika.
Speziell auf die Aktivitäten der somalischen Piraten haben sich vor allem das Büro von UKMTO (United Kingdom Maritime Trading Operations)5 und MSCHOA (Maritime Securitry Council for the Horn of Africa)6 konzentriert.
Diese Einrichtungen nehmen Berichte über Angriffe von den betroffenen Schiffen bzw. Reedereien entgegen, werten sie aus und schicken die Berichte an die weltweite Flotte von Handelsschiffen weiter. Zum einen in Form der „rohen“ Information, welche wir dann an Bord z. B. als Telex erhalten und ungefähr so aussehen: „Six armed pirates in a skiff chased a chemikal tanker underway in position …… Pirates opened fire using RPG7 and Automatic weapons. Master conducted evasive manoeuvres and contacted naval forces. Pirates aborted their attempts after twenty minutes.“
Auf diese Art und Weise haben wir die Information, was tatsächlich passiert ist, und vor allem in welcher Position. Diese Position tragen wir in eine Übersichtskarte ein und können damit sehen ob es in einigen Positionen bzw. Gebieten zu einer besonderen Ballung von Angriffen kommt. Dementsprechend können wir unsere Route anpassen, was selbstverständlich das Interesse der Schiffsführung voraussetzt…
Neben diesen aktuellen Meldungen werden auch die Auswertungen der Überfälle an die Schiffe weitergeleitet, z.B. in Form der „Best Management Practices to Deter Piracy in tue Gulf of Aden and off the Coast of Somalia“. Diese durchaus hilfreichen Unterlagen sind für jedermann im Internet z.B. auf www.marisec.org/piracybmp.html einsehbar.
Anhand dieser Unterlagen sowie einiger anderer kann sich jede Reederei, Schiffsführung sowie der Offizierstab über das Verhalten der Piraten und die besten Möglichkeiten zur Abwehr informieren und einen entsprechenden Plan aufstellen. Von dort erhält man auch die geographischen Ausmaße der Gefahrenzone, sprich die Ausbreitung der Piratenangriffe in einer Region, sowie die Positionen des Transitkorridors im Golf von Aden bzw. der empfohlenen Distanz zur somalischen Küste, aber auch meteorologische Vorhersagen und Einschätzungen über ihre voraussichtlichen Auswirkungen auf die Piratengefährdungen kann man erhalten.
Vor der Reise wie auch jeden Tag während der Überfahrt sollen diese Informationen gesammelt und entsprechend zusammengeführt werden, um die sinnvollste Route zu ermitteln oder die Bestätigung zu erhalten, weiterhin dem aktuellen Routenplan zu folgen.
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