Opas Seefahrtzeit – Ing-Assi und Seemaschinist 1959 bis 1964. Bernd Herzog
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СКАЧАТЬ also in die 4-8-Wache bei Meier-Blankenese eingeteilt.

      Gesteuert wurde die Maschinen von der Stirnseite über Handräder, die Steuerbord-Maschine vom 2. Ing. die Backbord-Maschine vom 3. Ing. Meine Aufgabe war das Führen des Manöverbuchs. An einem Stehpult musste ich alle Manöver, Befehle, die von der Brücke über den Maschinen-Telegrafen kamen, aufschreiben.

      Zum Beispiel: Steuerbord Maschine: 10:20 Uhr halbe Voraus, Backbord Maschine: 10:21 Uhr voll Voraus usw.

      Neben dem Stehpult war das Telefon mit direkter Verbindung zur Brücke. Es klingelte, und der II. Ing. gab mir ein Zeichen, dass ich rangehen sollte. Irgendjemand sagte „Wasser an Deck“. Nun war ich ja ein plietscher Hamburger Jung und hatte schon viel davon gehört, dass die Neuen an Bord erst mal ganz schön veralbert werden, von wegen Kompassschlüssel holen und sonstigen Blödsinn. Da wir gerade erst Mal in Höhe Blankenese sein konnten, es auf der Elbe aber keine Wellen gab, sagte ich: „Na, denn passt mal auf, dass ihr keine nassen Füße bekommt“ und legte den Hörer auf. 30 Sekunden später klingelte es wieder. Jetzt ging Meier-Blankenese ran. Er sagte mir ins Ohr:„Du sollst mal auf die Brücke kommen.“ Ich machte mich also auf den Weg, die fünf Stockwerke zur Brücke hoch zu entern. Sicher wollte der Kapitän mal sehen, was für einen plietschen Assi er da an Bord hatte.

      In der Brückennock angekommen, sah ich ganz viele blaue Uniformen mit ganz vielen goldenen Streifen an den Ärmeln. Die „kleinste“ Uniform mit drei Ärmelstreifen, der first Mate (erster Offizier) schoss auf mich zu. Und dann sah ich nur noch ein hassverzerrtes Gesicht mit einem großen Loch in der Mitte, aus dem immer neue Beschimpfungen hervorquollen: „Idiot, Spinner, wirst schon sehen, eingebildet“ usw. – Minuten lang. Irgendwie bin ich dann zurück in die Maschine und Meier-Blankenese grinste auch noch blöde! Wasser an Deck heißt nämlich: Deckwaschpumpe anstellen, damit die Matrosen das Deck waschen können.

      Es war Oktober, und wir näherten uns der Nordsee. Hinter Cuxhaven fing es so langsam an zu schaukeln. Irgendwie wurde ich müde, und dann wurde mir schlecht, so schlecht, dass ich mich übergeben musste. Meier-Blankenese hatte das Elend wohl schon kommen sehen und gab mir einen Eimer, der am Fahrpult angebunden wurde. Immer wenn ich mich in den Eimer übergeben hatte, musste ich mich dann draufsetzen, damit es für die andern nicht so stank. Selbstverständlich mussten alle Wacharbeiten weiter durchgeführt werden. Das heißt: Temperaturen ablesen alle zwei Stunden, Wellenlager im 30 Meter langen Wellentunnel auf Backbord und Steuerbordseite mit Öl auffüllen, Hauptmaschinen reinigen usw. – und immer wieder kotzen.

      Endlich war meine Wache zu Ende! Wir waren inzwischen schon auf der Nordsee. Das Schaukeln wurde immer schlimmer. Nun musste ich in meine Kammer auf das Achterdeck. Von Mittschiff bis zum Achterschiff waren es ca. 40 Meter. Um diese Strecke zu schaffen, waren so genannte Manntaue gespannt, an denen man sich festhalten konnte, wenn die Wellen über das Deck schlugen, um nicht über Bord gewaschen zu werden. Praktisch sah es so aus: An der Mittschiffstür warten, bis sich das Schiff am tiefsten Punkt der Steuerbordseite befand, dann Tür auf, raus und so schnell wie möglich nach achtern rennen. Die Tür der achteren Aufbauten (Stahltür mit zwei Riegeln), öffnen, reinspringen und die Tür wieder verriegeln, damit die nächste See nicht in die Gänge schwappt. Hatte man den richtigen Zeitpunkt zum Losrennen verpasst, musste man sich eine Schaukelperiode lang an den Manntauen festhalten und die Welle über sich ergehen lassen. Das war aber nicht das Schlimmste, viel mehr Angst hatte ich davor, dass die schwere Eisentür beim nächsten Schaukeln nach Steuerbord mir die Füße abquetschte, wenn ich nicht schnell genug war.

      In meiner Achterdeck-Kabine ging es aber nun erst richtig los. Das Schiff bewegte sich ja nicht nur von rechts nach links, sondern auch von oben nach unten und das natürlich besonders im Heckbereich. Es ging 10 Meter nach unten und dann wieder 10 Meter nach oben. Dazu schüttelte sich der ganze Heckbereich, wenn die Schiffsschrauben aus dem Wasser kamen. Beim Eintauchen mahlten die Schrauben ganz schwer, beim Auftauchen rasten die Schrauben, bis der Regler die Maschinenumdrehungen herunter gefahren hatte, das dauerte so zwei Minuten. Und mir war so schlecht!

      Endlich lag ich in meiner Koje und es ging etwas besser, da stand auch schon Meier-Blankenese in der Tür: „Alte Sau, nach der Wache duscht man sich“, war sein heißer Tipp. Und mir war so schlecht! Habe ich gedacht. Ich hatte einen wahnsinnigen Durst auf eiskalte Cola, aber jeder Schluck kam in hohem Bogen wieder raus. Ich weiß heute nicht mehr, wie ich meine Wachen überstanden habe, aber krank sein gab es nicht! Die Wellen, die ich beobachten musste, um nach achtern zu meiner Koje zu kommen, wurden zu meinen Feinden. Mal waren sie über mir und dann wieder ganz unten. Sie waren hässlich und grau, mit weißen Schaumkronen. Immer aufs Neue und immer bösartiger schmissen sie das Schiff in alle Richtungen. Hörte das denn nie auf?! Mir war so schlecht, dass ich ernsthaft überlegt habe, über Bord zu springen. Es war die Hölle!

       Mit MS „AUGUSTENBURG“ in Amerika

      Endlich, endlich waren wir in Jacksonville in Florida. Nie wieder Seefahrt – koste es was es wolle – nur noch zurück nach Hause!

      Ein Kamerad kam mit mir an Land, um das nächste Reisebüro zu finden. Aber auf dem Weg kamen wir an einem Eiscafé vorbei, die uralte Wirtin sprach uns an, in einem Englisch, von dem wir kein Wort verstanden. Jedenfalls brachte sie uns zwei riesige Eisbecher. Wo war meine Übelkeit? Das erste Essen seit zwei Wochen, das ich bei mir behielt! Hey, mir ging es gut!

      In Jacksonville wurden die Autos ausgeladen, und damit ging auch der Supercargo von Bord, und ich konnte meine Kabine mittschiffs beziehen. Mein neues Reich, zwei Meter breit, drei Meter lang, mit Koje, Sofa, Schreibtisch, Waschbecken und Bullauge. Betten machen und reinigen musste der Steward. Ich war glücklich!

      Von Jacksonville sollte es nach New Orleans gehen. Kurz nach Auslaufen von Jacksonville hatte ich Freiwache. Wir fuhren sehr dicht an der Küste Floridas entlang, herrliche Strände und riesige Hotels waren zu sehen. Rechts und links sah man Sportboote mit Anglern, die auf Schwertfischfang waren. Um besser sehen zu können, machte ich es mir mit meinem Kumpel auf dem Bootsdeck bequem. Hier standen auch zwei Korbsessel, die wir uns an die Reling zogen. Die Füße hoch gelegt. Der erste Steward Rockefeller brachte uns noch zwei Kissen. Das Schiff bewegte sich leicht in der Dünung. Die Füße auf die Reling gelegt, eine Flasche Becks Bier in der Hand. Was war die Seefahrt doch schön!

      Bis, ja, bis der Kapitän zur Brücke wollte. Erst ist er ja noch vorbei gelaufen, aber dann, nach zwei Stufen auf der Treppe zur Brücke abrupte Kehrtwendung und dann wieder nur ein riesiges Loch in der Mitte des Gesichtes vom Kapitän: „Also, so eine Frechheit hat man ja noch nie erlebt – Idioten – sich erlauben“ usw.! Schließlich gehöre das Steuerbord-Bootsdeck nur dem Kapitän, das Backborddeck nur dem Ersten Ingenieur. Im fluchtartigen Verlassen des Bootsdecks konnte ich noch das Grinsen von Rockefeller sehen.

      Langsam näherten wir uns auf dem Wege nach New Orleans dem Mississippi. Tom Sawyer, Huckleberry Finn – all die Abenteuer hatte ich doch gelesen, und nun war ich hier! Der Mississippi – wie beschrieben, unübersichtlich und breit in der Mündung, lehmartige Farbe, Baumstämme und schwimmende Inseln, Neger (damals übliche und gesellschaftlich nicht zu beanstandende Bezeichnung) in Kanus und Raddampfer – wie aus den Romanen. In endlosen Kurven zog sich der Fluss über 300 km bis zur Stadt. Für uns in der Maschine bedeutete das 24 Stunden Manöverwache, also 8 Stunden Dienst, dann 4 Stunden frei und wieder 8 Stunden Wache.

      New Orleans – wir lagen an einer Holzpier direkt unterhalb der Altstadt und sollten tiefgefrorene Hähnchen laden. In Deutschland konnten die meisten es sich nämlich nach dem Krieg erstmals wieder leisten, in ein Restaurant zum Essen zu gehen. Der Werbespruch einer Restaurant-Kette „Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den ‚Wienerwald’“ war 1960 der „Renner“ in Deutschland, und wir waren die Lieferanten.

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