Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling
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Название: Rudyard Kipling - Gesammelte Werke

Автор: Rudyard Kipling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783746747873

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СКАЧАТЬ ordnete die Decken des Sterbenden; Khoda Dad Khan sah es, zog seinen dicken Schaffellmantel aus und legte ihn über die Kissen. »Ich werde mich selber am Feuer wärmen, ich brauche ihn nicht«, sagte er. Tallantire nahm den erstarrten Körper seines Freundes in die Arme und drückte ihn an sich; vielleicht, wenn man Orde erwärmte, würde er so lange leben, daß er sein Weib noch einmal sehen könne! Wenn doch die blinde Vorsehung gäbe, daß das Wasser um drei Fuß fiele!

      »Jetzt wird mir besser«, hauchte Orde. »Tut mir leid, daß ich Sie so behelligen muß, aber - haben Sie nichts zu trinken?«

      Man reichte ihm Milch mit Whisky, und Tallantire fühlte, wie der Körper in seinen Armen ein wenig wärmer wurde. Orde begann zu murmeln:

      »Es ist mir nicht ums Sterben, aber, daß ich Polly verlassen muß und meinen Bezirk. Gott sei Dank: wir haben keine Kinder. Dick, Sie wissen: ich bin verschuldet - tief verschuldet, Vorschüsse während meiner ersten fünf Dienstjahre! Die Pension wird klein sein, aber für sie ausreichen. Sie hat eine Mutter daheim in England. Wie nach Hause kommen? Das ist die Schwierigkeit! Und - und - Sie wissen, da sie keine Soldatenwitwe ist -.«

      »Wir werden das mit der Heimfahrt schon regeln. Selbstverständlich«, sagte Tallantire ruhig.

      »Ein häßlicher Gedanke: mit dem Hut in der Hand einsammeln zu gehen! Aber, Gott im Himmel, wie viele sind, derentwegen es geschehen mußte! Morton ist gestorben - er war von meinem Jahrgang. Shaughnessy ist tot und hat Kinder zurückgelassen; - ich erinnere mich noch, wie er ihre Briefe aus der Schule uns vorgelesen hat (was für ein langweiliger Bursche er doch ist, haben wir uns dabei gedacht); Evans ist tot - das Klima von Kot-Kumharsen hat ihn umgebracht! Dicketts von Myndonie ist tot - und jetzt gehe auch ich. ›Der Mensch, vom Weibe geboren, ist ein Nichts wie die Kartoffel in den Bergen‹ - das erinnert mich, Dick: die vier Khusru-Kheyl-Dörfer in unserm Gebirgsdistrikt brauchen ein Drittel Steuernachlaß in diesem Frühjahr! Das ist nur recht und billig, denn ihr Getreide steht schlecht. Schauen Sie zu, daß die Sache zustande kommt, und sprechen Sie mit Ferris wegen des Kanals. Ich hätte so gern noch erlebt, daß er fertig wird; er ist für die Dörfer des nördlichen Indus von größter Bedeutung, aber Ferris ist eine Schlafmütze, rütteln Sie ihn auf. Die Arbeit im Bezirk wird auf Ihren Schultern ruhen, bis mein Nachfolger eintrifft. Ich wollte, man überwiese Ihnen die Stellung, denn Sie kennen das Volk. Aber ich glaube, man wird sie Bullows geben. Er ist ein braver Kerl, aber zu lax für die Tätigkeit an der Grenze; und dann: er durchschaut die Priester nicht! Der blinde Mullah in Jagai braucht ein wachsames Auge über sich. Sie finden alles in meinen Akten - sie liegen, glaube ich, im Uniformschrank. Rufen Sie jetzt die sechs Khusru-Kheyl-Leute; ich will ihnen eine letzte Ansprache halten. Khoda Dad Khan!«

      Der Anführer der Sänftenträger sprang auf und eilte zu dem Sterbenden, und seine Kameraden folgten ihm.

      »Ihr Männer, ich sterbe jetzt«, sagte Orde rasch in der Sprache der Eingeborenen; »und bald wird kein Orde Sahib mehr sein, der euch beim Ohr nimmt und vom Viehstehlen abhält.«

      »Das möge Gott verhüten!« rief der ganze Chor in tiefem Baß. »Der Sahib wird nicht von uns gehen.«

      »Doch! Er wird. Und dann wird er wissen, ob Mohammed die Wahrheit gesprochen hat, oder Moses. Aber ihr sollt gute Menschen bleiben, auch wenn ich nicht mehr hier bin. Als solche und als Bewohner unseres Grenzlandes müßt ihr, wie bisher, willig eure Abgaben zahlen. Ich habe veranlaßt, daß man euch dieses Jahr entgegenkommt. Als Bergbewohner müßt ihr euch des Viehdiebstahls enthalten, nicht Brand stiften und taub sein für die Reden der Priester, die die Macht der Regierung nicht kennen und euch in Kriege verwickeln möchten. Es würde euch nur das Leben und euer Getreide kosten. Ihr dürft auch keine Karawanen ausplündern und müßt eure Hilfe den Polizeitruppen leihen, wenn welche kommen, wie ihr es bisher getan habt gemäß meinem Befehl. Und Tallantire Sahib wird vorläufig bei euch bleiben; wer meine Stelle einnehmen wird, weiß ich nicht. Ich rede die lautere Wahrheit, weile ich doch, ihr meine Kinder, fast schon unter den Toten. Ja, ihr seid Kinder noch, wenn ihr auch starke Männer seid.«

      »Und du bist unser Vater und unsere Mutter!« - der ganze Chor rief es wie einen Schwur, Khoda Dad Khan voran. »Was sollen wir tun, wo keiner mehr da sein wird, der zu uns spricht und so weise raten kann wie du?«

      »Tallantire Sahib wird bei euch sein. Gehet zu ihm; er kennt eure Reden und eure Herzen. Haltet die jungen Männer in Zucht und Ordnung und höret auf die Alten. Khoda Dad Khan: hier, nimm meinen Ring. Die Uhr und die Kette sollen deinem Bruder gehören. Nehmet diese Dinge zum Gedenken an mich und daß ich, zu welchem Gott immer ich gerufen werde, ihm sagen will: die Khusru Kheyl sind brave Menschen. Ihr habt jetzt meine Erlaubnis zu gehen.«

      Khoda Dad Khan steckte den Ring an seinen Finger und schluchzte laut, während er die übliche Formel hersagte, die eine Unterredung zu beschließen hat. Sein Bruder wandte sich um und spähte wieder über den Strom. Die Dämmerung begann, sich aufzuhellen, und ein weißer Fleck wurde sichtbar auf dem matten Silberglanz des Flusses. »Sie kommt«, sagte er mit verhaltenem Atem. »Ob er noch zwei Stunden leben kann?« - er zog die soeben geerbte Uhr aus dem Gürtel und blickte verständnislos auf das Zifferblatt, wie er es bei Engländern gesehen hatte.

      Zwei Stunden lang halsten die gebauchten Segel und gingen über Stag, den Fluß hinauf und hinab, derweilen Tallantire Orde in seinen Armen hielt und Khoda Dad Khan ihm die Füße rieb. Bisweilen sprach der Kranke von seinem Bezirk und von seiner Gattin, aber je näher das Ende kam, desto häufiger von ihr. Man wollte ihm verschweigen, daß sie gerade jetzt auf der Überfahrt in einem gebrechlichen Eingeborenen-Boot ihr Leben aufs Spiel setzte, um zu ihm zu gelangen, aber das geschärfte Ahnungsvermögen des Sterbenden machte alle Vorsicht zu schänden! Orde kämpfte sich auf, blickte durch die Vorhänge und sah das nahe Segel. »Das ist Polly«, sagte er schlicht, obgleich seine Lippen bereits verkrampft waren in Todespein. »Polly - (es war wohl der grimmigste Hohn, den sich das Schicksal einem Menschen gegenüber erlaubt) - und - Sie, Dick - Sie - werden ihr es sagen – müssen.«

      Eine Stunde später stand Tallantire auf der Sandbank einer Frau in Gingham-Reitkleid und Tropenhut gegenüber, die nach ihrem Gatten schrie - ihrem Alles und dem Licht ihres Lebens -, während Khoda Dad Khan sich mit dem Gesicht auf die Erde warf und seine Augen bedeckte.

      Die Herzenseinfalt, mit der die Regierung Stellung nahm zu dem Vorfall, war geradezu rührend. Nichts einfacher für einen weitblickenden Staatsmann, wenn es gilt, die Wünsche des Volkes zu respektieren, als ein Landeskind zur Herrschaft bestellen! Zweihundert Millionen des dankbarsten, liebestrunkensten aller Völker im Reiche Ihrer Majestät der Königin würden in Lobeshymnen ausbrechen und so etwas nimmermehr vergessen. Der glückliche Auserwälhlte selbst stand natürlich jenseits von Lob und Tadel; war er doch auserkoren vom Allerhöchsten sämtlicher Vizekönige! Und dessen Herrschaft beruhte auf Prinzipien, und Prinzipien müssen bekanntlich streng berücksichtigt werden - im Sommer und im Winter. Seine Feder, seine Zunge hatte Neu-Indien geschaffen - laut hinschallend, eindringlich: Neu-Indien, eine Nation unter Nationen, ein Land, schwanger mit unbegrenzten Möglichkeiten, und das alles: Sein Werk. Weshalb denn auch alsbald der Allerhöchste sämtlicher Vizekönige noch einen Schritt vorwärts tat, was die Frage betraf, für Yardley-Orde einen Nachfolger zu erküren. Die Wahl fiel auf einen Gentleman, ein Mitglied des bengalischen Zivildienstes, der seinen Rang nebst Universitätsbildung in freiem Wettbewerb mit den Söhnen Englands erworben hatte. Feinsinnig, weltgewandt, wie er war, hatte er, so hieß es, auf weise - und noch mehr: auf höchst sympathische Art einen volkreichen Bezirk in Südost-Bengalen verwaltet. Er war englisch gesinnt in jeder Beziehung und lange das Entzücken vieler Gesellschaften gewesen; er hieß, soweit sich der Vizekönig erinnerte: Grish Chunder Dé, M. A. Kurz und gut: konnte irgend jemand an einem Manne etwas aussetzen, der so geeignet schien, als Landeskind über Landeskinder zu herrschen? Man brauchte nur rasch an seine Stelle in Südost-Bengalen einen jüngeren Zivilbeamten aus gleicher Rasse zu setzen - (er war bereits gefunden; hatte er doch ein bemerkenswert СКАЧАТЬ