Название: Edgar Wallace - Gesammelte Werke
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783746747866
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Die Tür öffnete sich, aber nicht Amersham trat ein, sondern Gilder, der ein Tablett mit Whisky, einem Siphon und einem Glas trug. Er goß eine geringe Menge Whisky ein und füllte das Glas mit Sodawasser, während der Lord argwöhnisch zusah.
Dann nahm Willie das Glas aus der Hand des Mannes und trank daraus. Aber erst als er es ganz geleert hatte, bemerkte er den bitteren Nachgeschmack.
»Ein merkwürdiger Whisky«, sagte er.
Das war die letzte Bemerkung, auf die er sich besinnen konnte. Vier Stunden später erwachte er mit ziemlichen Kopfschmerzen, machte Licht und sah, daß er sich in seinem eigenen Zimmer befand. Er trug seinen Schlafanzug und lag im Bett. Stöhnend richtete er sich auf, aber es drehte sich alles um ihn. Mr. Gilder hatte etwas zuviel von dem Betäubungsmittel ins Glas geschüttet.
6
Lord Lebanon erhob sich, ging mit unsicheren Schritten zur Tür und versuchte, sie zu öffnen, entdeckte aber, daß sie verschlossen war. Er tastete nach dem Schlüssel, fand ihn jedoch nicht. Nur mühsam konnte er seine Gedanken ordnen. Als er wieder zu sich gekommen war, drückte er auf die Klingel neben dem Bett und wartete. Es dauerte ziemlich lange, bis Gilder die Tür aufschloß und endlich eintrat.
Dem Amerikaner mußte etwas zugestoßen sein. Sein eines Auge war blutunterlaufen und blau, der Kragen seines Rockes hatte gelitten, die Weste war zerrissen. Gilder sah Willie mit düsterem Blick an.
»Wünschen Sie etwas, Mylord?« fragte er schließlich.
Lebanon wußte, daß es den Diener große Überwindung kostete, ihn so höflich anzureden.
»Wer hat meine Tür verschlossen?«
»Ich«, entgegnete Gilder kühl und gelassen. »Ein Mann, der gestern abend ins Schloß kam, fing eine Schlägerei an, und ich wollte verhüten, daß Sie in die Sache verwickelt würden.«
Lord Lebanon schaute ihn groß an.
»Wer war es denn?«
»Sie kennen ihn nicht, Mylord«, erwiderte Gilder kurz. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Geben Sie mir etwas Kühles zu trinken, was den Durst stillt. Der Whisky gestern abend taugte nichts.«
Wenn der Diener auch den Argwohn des Lords spürte, gab er es doch nicht zu erkennen.
»Das sagte der andere Herr auch. Ich glaube, der Whisky hier in der Gegend ist überhaupt nicht besonders gut. Ich werde Mylady bitten, aus der Stadt welchen kommen zu lassen.«
»Wo ist meine Mutter?« fragte Willie Lebanon schnell. »War sie zugegen, als –«
»Nein, sie war in ihrem Zimmer.«
»Was ist denn passiert?« forschte der junge Mann weiter.
Gilder schaute ihn mit einem grimmigen Lächeln an.
»Vielleicht wollen Sie es sich selbst ansehen?«
Lord Lebanon schlüpfte in seine Pantoffeln und folgte ihm den Gang entlang, dann die breite Treppe hinunter, die zur Halle führte.
Unten bemerkte er Brooks, der in Hemdsärmeln war und allem Anschein nach versuchte, wieder Ordnung zu schaffen. Ein Tisch war umgestoßen, die eine Ecke des Empire-Sofas zertrümmert; eine kleine Porzellanuhr lag in Scherben auf dem Boden, und vier elektrische Kerzen in dem großen Kronleuchter hingen beschädigt zur Seite. Willie sah sich erstaunt um.
»Wer hat das getan?« fragte er, indem er sich bemühte, Haltung anzunehmen und den Hausherrn zu spielen.
»Ein Freund von Dr. Amersham«, erwiderte Gilder gehässig, aber Willie achtete nicht darauf.
Überall lagen Glasscherben verstreut; vermutlich war die Whiskyflasche zu Boden gestürzt und zerbrochen. Auch eins der starken Eichenpaneele war zertrümmert.
»Es sieht aus, als ob ein Wahnsinniger hier losgelassen worden wäre.«
Gilder fuhr auf, denn diese Worte erschreckten ihn.
»Ja, der Mann benahm sich so – ich meine, der Freund von Dr. Amersham.«
Es war halb vier Uhr, und im Osten graute bereits der Morgen, als sich der Lord wieder hinlegte.
Willie wußte, daß man ein Betäubungsmittel in den Whisky gemischt hatte, aber er fühlte sich so erschöpft, daß er keiner weiteren Nachforschungen fähig war.
7
Obwohl Chefinspektor Tanner in seinem Beruf praktisch und nüchtern dachte und handelte, hatte er sich den Sinn für Romantik bewahrt.
Im Augenblick beschäftigte er sich mit dem Kartenindex in der Registratur von Scotland Yard. Alle gewohnheitsmäßigen Verbrecher und Spezialisten blieben sich in ihren Arbeitsmethoden ziemlich gleich, so daß man sie in einem Index zusammenfassen konnte. Und in dieser Kartei suchte Mr. Tanner nun nach den Namen der Leute, die seit Gründung dieses Indexes andere erstickt oder erwürgt hatten oder wenigstens bei einem Versuch, das zu tun, ertappt worden waren. Die meisten dieser Menschen hatte man später durch den Strang hingerichtet. Einige, die ihre Mordabsichten nicht voll hatten ausführen können, saßen noch in den Gefängnissen. Aber Mr. Tanner konnte kein Verbrechen auffinden, das dem von Marks Priory ähnlich war. Es gab eine Anzahl von Männern und auch Frauen, die andere Leute mit einem Strick oder einer Schnur hatten erwürgen wollen, aber obwohl er einen nach dem anderen genauer ins Auge faßte, konnte er doch keinen Namen entdecken, der sich mit dem Verbrechen von Marks Priory irgendwie in Zusammenhang bringen ließ.
Er ging in sein Büro hinunter und fand dort Sergeant Totty, der gemütlich auf dem Stuhl seines Chefs saß.
Sergeant Totty konnte genial lügen, wenn es galt, seine eigenen Heldentaten ins rechte Licht zu setzen, und er hatte ein Vorurteil gegen gebildete Vorgesetzte, die einen gewissen Grad von Kenntnissen voraussetzten, ehe sie andere Beamte zur Beförderung zuließen.
Totty ging zum Fenster und blickte auf das belebte Themseufer hinaus. In der letzten Woche hatte es wenig Abwechslung im Dienst gegeben.
»Wer ist Amersham?« fragte Tanner plötzlich.
»Wie?« erwiderte Totty überrascht. »Amersham ist eine Stadt in Kent.«
»Amersham«, entgegnete Inspektor Tanner geduldig, »ist eine Stadt in Buckinghamshire, aber ich rede nicht über die Stadt, sondern über Dr. Amersham.«
Totty verzog den Mund.
»Ach, Sie meinen den Kerl in Marks Priory? Der ist ein Arzt.«
»Auch das weiß man nicht genau. Er führt zwar den Doktortitel, aber es ist nicht sicher, ob er ein Doktor der Philosophie oder der Medizin ist.«
Tanner nahm sein Notizbuch aus der Tasche und blätterte darin, bis er die Eintragung fand, die er suchte.
»Dr. Amersham hat eine Wohnung in der Devonshire Street, in einem großen Haus mit vielen Einzelappartements. Die Gegend ist sehr teuer und für einen Doktor reichlich vornehm, außerdem hält der Mann auch ein paar Rennpferde. Er war in СКАЧАТЬ