Kalter Krieg im Spiegel. Peter Schmidt
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Название: Kalter Krieg im Spiegel

Автор: Peter Schmidt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847658351

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СКАЧАТЬ sich über den Tisch. Eine tiefe Falte hatte sich an seinem Nasenbein gebildet, das schüttere Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Sein magerer Körper beschrieb einen Bögen, in dessen Hohlseite sich der Schlag des Herzens abzeichnete – oder war das nur Einbildung? Die aufgestützten Arme zitterten unter seinem Körpergewicht.

      Ich ahnte plötzlich, was ihn in F.s Augen – und in denen seiner mutmaßlichen Hintermänner – vielleicht unerträglicher und gefährlicher erscheinen ließ als die Annahme, er sei ein Agent des Ostens:

      Nicht vor der Radikalität der Bewegung, dem Komplott und dem Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit, in dem sie stand, fürchtete man sich; sondern davor, dass eine Welle des guten Willens das überkommene und wohlgeordnete Parteien- und Machtgefüge zu unwillkommenen Änderungen nötigen würde. Schon die kleinste Veränderung in diese Richtung fürchtete man, gleich welcher Art …

      »Es kann darauf nur eine Antwort geben«, fuhr Kofler‘ fort, noch immer stehend.

      »Setzen Sie sich wieder«, meinte Kruschinsky. »Wir sind alle ein wenig betrunken. Zu betrunken, um das jetzt zu klären. Aber wahrscheinlich haben Sie recht.«

      Er drehte mir das Gesicht zu und tippte sich unauffällig an die Stirn. Dabei streifte er eine der beiden Flaschen mit dem Arm, sie fiel um und rollte über die Tischplatte. »Leer«, stellte er achselzuckend fest. »Beide leer.«

      »Ich werde hinunterfahren und sehen, ob ich noch etwas auftreiben kann«, sagte ich.

      »Ausgezeichnete Idee«, nickte Kofler.

      Ich nahm meinen Mantel aus dem Schrank und ging zum Fahrstuhl. Ich hatte das Bedürfnis nach frischer Luft.

      Niemand ist in der Lage, so zu schauspielern, dachte ich, während ich hinunterfuhr. Nicht mal der beste Schauspieler der Welt. Es sei denn, er hätte begonnen, seine Rolle zu leben.

      Ich schaltete das Minutenlicht in der Tiefgarage ein, ehe ich die Tür öffnete. Es gab dafür im Fahrstuhl einen Extraschalter. Obwohl ich angeschlagen war, bemühte ich mich, so vorsichtig zu sein wie immer.

      Erst als ich mich davon überzeugt hatte, dass niemand in den parkenden Wagen saß, betrat ich die Halle. Auf halbem Wege verlöschte das Licht. Nur die grüne Notausgangsbeleuchtung blieb an.

      Draußen war es angenehm kühl. Ich sog die frische Luft ein. Die Schatten der Ruine am Ende des Hofs erreichten kurz meine Schuhspitzen, als ein Autoscheinwerfer das Gebäude aus der Parallelstraße anstrahlte, vermutlich kam er von der schrägen Zufahrt einer anderen Tiefgarage.

      Vertrauen – war das nur ein Wort? Oder doch mehr? Hatte ich mich nicht längst auf seine Seite geschlagen? Überzeugte er mich nicht insgeheim? Irgend etwas war an seinen Reden, das mich beeindruckte.

      Und trotzdem blieb es das lächerliche Gerede eines alten Mannes, der scheitern würde …

      Ich ging durch die Einfahrt und dann ein Stück die Straße entlang. Als ich um die Ecke bog, stoppte dicht neben mir am Bordstein ein kleiner blauer Wagen.

      Die Scheibe des Beifahrersitzes wurde heruntergekurbelt. Barbara beugte den Kopf hinüber und sah mich an.

      »Sie?«, fragte ich.

      »Na, ich bin nicht weniger überrascht. Was treiben Sie in dieser elenden Gegend? Wohnen Sie etwa hier?«

      »In der Nähe, ja.«

      »Wissen Sie, ich hab‘s mir überlegt, vielleicht sollten Sie mir doch erzählen, was Sie auf dem Herzen haben. Wir könnten uns übermorgen Abend treffen – um sieben an der U-Bahn-Station Zoologischer Garten?«

      »Einverstanden«, nickte ich.

      »Jetzt muss ich schleunigst weiter. Ach richtig … eh ich‘s vergesse, die Papiere! Ich habe Ihnen einige Kopien mitgebracht. Natürlich wird mein Vater fuchsteufelswild werden, wenn er davon erfährt. Aber ich denke, Sie werden es ihm nicht auf die Nase binden?«

      »Warum sollte ich.«

      Sie griff auf den Rücksitz und reichte mir einige Blätter. »Technischer Kram. Von Ihnen abgezeichnet. Sie müßten‘s ja ohnehin kennen. Deshalb kann es wohl kein Geheimnisverrat sein?«

      »Wahrscheinlich nicht.«

      »Na, jedenfalls hab‘ ich Ihnen den Gefallen getan – wenn ich auch nicht ganz begreife, was Sie damit im Schilde führen. Sie können‘s mir übermorgen erzählen. Dann alles Gute.«

      Sie winkte kurz mit der Hand, kurbelte die Scheibe hinauf und startete. Ich sah den Rückleuchten des kleinen Wagens nach. Dann steckte ich die Papiere ein und ging die Straße entlang bis zur Trinkhalle. Doch sie hatte um diese Zeit nicht mehr geöffnet, das Gitter war heruntergelassen.

      Ich besorgte die beiden Flaschen Wein in einer Kneipe, die ich von früher her kannte, sie lag zwei Straßenzüge weiter. Ich ließ mir eine Tragetasche geben, um sie nicht in der Hand halten zu müssen. Es war billiger Weißwein, aber er kostete so viel wie eine gute Auslese. In der Wohnung hielt ich die Kopien unter die Lampe und warf einen Blick auf ihre Signaturen; sie waren mit einem C abgezeichnet. Es sah meinem eigenen ähnlich – doch ich hatte die Papiere nie zuvor gesehen.

      Wir leerten eine der beiden Flaschen, dann entschuldigte ich mich. Ich war hundemüde, und F. würde mich in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett holen, um mich mit Koflers Bewegung in Frankfurt und Bochum bekannt zu machen (Kruschinsky begann gerade, sich mürrisch darüber zu verbreiten, dass die Abteilung ihn nicht nur für die Bedienung und Wartung des L.D.A. einsetzte, sondern auch zum Kochen und Reinemachen; in nüchternem Kopf hatte er noch nichts davon verlauten lassen).

      Ich war schon an der Zimmertür, als er mir nachkam.

      »Der Kode in Ihrem Notizbuch«, begann er achselzuckend. »Leider ist er kniffliger, als ich angenommen hätte. Was halten Sie davon, wenn … ich meine: Kofler hatte doch einen Lehrstuhl für Kriminologie, oder? Natürlich weiß ich nicht, ob er sich damit befasst hat – aber es würde mich wirklich interessieren, welches System dahintersteckt.«

      Er blickte mich so arglos aus seinen wasserhellen norddeutschen Augen an, dass mir keine passende Antwort darauf einfiel. Natürlich war es leichtsinnig. »Meinetwegen«, nickte ich. »Zeigen Sie ihm nur die beiden ersten Seiten, damit er nicht gleich den ganzen Zusammenhang erfährt.

      Schließlich gehört er ja jetzt so gut wie zur Familie«, sagte ich, bevor ich die Tür schloss.

      »Dann gute Nacht«, murmelte er mir nach.

      Nachdem ich mich aufs Bett gesetzt hatte, sah ich mir die Papiere noch einmal genauer an. Meine Gedanken schweiften öfter ab und ich dachte mehr an F.s Reaktion auf das Ergebnis meiner Untersuchung und die Fahrt, als an das Notizbuch und die Signaturen. Ich musste mich zwingen, den Text zu verstehen.

      Das eine Blatt war die kleingedruckte technische Beschreibung einer Art Schusswaffe (die Buchstaben flimmerten mir vor den Augen). Rohr und Griff ähnelten einer Panzerfaust. Ebenso die Handhabung. Man legte sich das Rohr über die Schulter. Der Rohrdurchmesser war jedoch kleiner als der einer Panzer-Abwehrwaffe. Auf dem Rohr befand sich ein Zielfernrohr. Zwei Zeichnungen illustrierten, wie das Gerät getragen und in Anschlag gebracht wurde. Irgendeine Neuheit nach Maschinengewehren, Granatwerfern, Geschützen, Handgranaten usw., für die das Militär in aller Welt täglich 1,3 Milliarden Mark ausgab, glaubte ich zunächst (ich hatte kein Verhältnis zu Waffen; wenn ich an Pysiks Schwarzpulverwaffe СКАЧАТЬ