Kalter Krieg im Spiegel. Peter Schmidt
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Название: Kalter Krieg im Spiegel

Автор: Peter Schmidt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847658351

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СКАЧАТЬ während der antidepressive, ausgleichende Effekt lange anhielt, dem war es nur verständlich, dass es vor allen Dingen eine Art von Altersversorgung für mich gab: das Zeug in großen Mengen zu horten, und meine Hauptsorge bestand darin, ob es chemisch zerfiel oder lange genug haltbar blieb.

      Wie bei meiner Tätigkeit als Staatsanwalt und hinter der Jagd auf Schurken, die sich inzwischen nur ausgetüftelterer Methoden als früher bedienten und das Ganze zu einer staatlich sanktionierten Institution gemacht hatten, steckte dahinter doch nur wieder die ewige altbekannte Suche nach Sinn …

      Im Gemütsleben von Wölfen oder Orang-Utans konnte es kaum irrationaler zugehen. Es hätte mich interessiert, zu erfahren, wie Kofler darüber dachte. Vielleicht würde ich mir sein neuestes Manuskript bei Gelegenheit vornehmen, um zu sehen, ob er der Antwort auf die uralte Menschheitsfrage einen Schritt nähergekommen war.

      Ich versuchte mir vorzustellen, ob dem allen – dem Ende als pillenabhängiger Agentenjäger und Frühpensionär – der ruhige Bürojob in einem Versicherungskonzern oder einer Bank vorzuziehen war – trostloser Ausblick!

      In meinen alten Job würde ich weder zurückkehren können noch wollen. Einerseits scheute ich das Risiko der Arbeit für F., andererseits war ich dem Nervenkitzel verfallen, und der Gedanke, irgendeiner Alltagsbeschäftigung nachzugehen, hinterließ nichts als Fadheit – wie bei einem bankrotten Millionär, der nun, ohne Geld, nicht mehr so leben konnte wie die anderen um ihn her, die tagaus tagein nichts anderes gewohnt waren. Ein erschreckend hohes Maß an Aussteigern aus dem Geheimdienst wurde später straffällig.

      »Was haben Sie jetzt vor?«, fragte Kruschinsky. Er lehnte an der Wand und wechselte von Zeit zu Zeit die Gesichtsfarbe.

      Ich zuckte die Achseln.

      »Dass mir das passieren musste«, klagte er. »Es kostet uns beide den Job, oder?«

      »Ja, sie werden uns zum Teufel jagen. Aber darüber sollten Sie eher froh sein. Im Grunde war mir der Mann gar nicht unsympathisch – von allen Vorbehalten gegen seine Rolle einmal abgesehen. Es hätte mir irgendwie leid getan, ihn ans Messe zu liefern.«

      »Ans Messer zu liefern …?«, fragte Kruschinsky verständnislos. Richtig! – Ich hatte völlig vergessen, dass er nicht eingeweiht war.

      In diesem Augenblick hämmerte jemand unten im Schacht gegen die Fahrstuhltür. Es konnte nur aus der Tiefgarage kommen, da es keinen Zugang zu den Zwischenetagen gab.

      »Wer könnte das sein?«, fragte er unsicher.

      Es durfte überhaupt niemanden geben, der auf diese Weise Einlass verlangte, dachte ich. Außer, wenn.

      »Ich werde nachsehen.«

      »Warten Sie, ich hole die Waffe.«

      »Die Türscheiben sind schusssicher«, wehrte ich ab. Wenn der Fahrstuhl nicht gebraucht wurde, kehrte er automatisch zu unserer Etage zurück. Ich tippte den Kode ein – 5943 – und öffnete die Tür. »Wenn ich nicht in zwei Minuten wieder oben bin oder ein Zeichen gebe, lösen Sie Alarm über die Sicherheitsleitung aus.«

      Unter der Tischplatte des L.D.A. gab es einen Knopf.

      Kruschinsky nickte. Er sah blass aus.

      Als ich nach unten fuhr, ahnte ich, wer dort wartete. Und dann sah ich sein Gesicht, das durch die Scheibe des beleuchteten Fahrstuhls blickte.

      Ich schob vorsichtig die Tür auf und vergewisserte mich, dass er allein war.

      Kofler trug eine zusammengefaltete Zeitung unter dem Arm. »Herauszukommen ist leichter als herein«, lachte er. »Von dieser Seite aus braucht man einen Schlüssel.«

      »Wo, zum Teufel, waren Sie?«

      »Spazieren. Und eine Zeitung kaufen.«

      »Wissen Sie nicht, dass ein halbes Dutzend Journalisten und Bildreporter in West-Berlin mit nichts anderem beschäftigt ist, als Sie aufzustöbern?«

      »Na wenn schon«, sagte er. »Ich habe den Sozialismus überlebt und werde es schon noch schaffen, es mit ein paar von diesen Meinungsverdrehern im Westen aufzunehmen.«

      »Da bin ich nicht so sicher.« Ich fluchte leise durch die Zähne und trat beiseite, um ihn in den Fahrstuhl zu lassen. Während wir hochfuhren, fragte ich: »Wie haben Sie die Tür aufbekommen?«

      »Das war einfach«, grinste er. Der gewöhnlich gradlinige Ruck seines Kopfticks beschrieb einen fast unmerklichen, vergnügten Schlenker.

      »Wie, verdammt noch mal?«

      »Also – Kruschinsky schlief, und da ich ihn nicht wecken wollte – Sie wissen schon: ich war früher Kriminologe, und bin es immer noch in gewisser Weise; ich glaube, ich habe ein übernormal gutes Gedächtnis, das es schwerer hat, etwas loszuwerden, als es festzuhalten. Vielleicht sogar eine eher pathologische Angelegenheit … Aber Sie wollen erfahren, wie ich den Kode entschlüsselt habe, nicht wahr?«

      »Spannen Sie mich nicht auf die Folter.«

      »Ich werd‘s ihnen zeigen.«

      Kruschinsky musterte uns ungläubig, als wir hereinkamen. Kofler ging an das Tastenfeld und drückte gegen die überstehende Abdeckscheibe.

      »Wenn man jetzt in den Sichtschacht sieht, sind die Zahlenfelder so weit versetzt, dass man die Birnchen darunter erkennen kann. Sehen Sie, dass einige schwärzer sind als andere? Nur ganz leicht, aber wenn man genauer hinschaut, kann man es deutlich erkennen. Die geschwärzten sind es, die öfter gebraucht werden: vier Zahlen. Drei, vier, fünf, neun. Dafür gibt es nur vierundzwanzig mögliche Kombinationen, wenn ich richtig gerechnet habe – und man versuchsweise davon ausgeht, dass keine der Zahlen sich in der Viererkette wiederholen darf. Es war die sechzehnte Kombination«, erklärte Kofler nicht ohne Stolz und zog einen zerknitterten Zettel aus der Manteltasche.

      Er hielt ihn mir grinsend unter die Nase.

      Die möglichen Kombinationen waren säuberlich in vier Sechser-Blöcken aufgeführt: jeder mit einer anderen Anfangszahl, dann die Variationen der zweiten, der dritten Zahl und so weiter.

      Nachdem er mir den Zettel gereicht hatte, kehrte er mit der Zeitung unter dem Arm in sein Zimmer zurück. Ich beobachtete, wie seine leicht vorgebeugte Gestalt noch in der halb geöffneten Tür den dünnen Popelinemantel auszog.

      Kruschinsky begann Kaffee aufzubrühen. Fast mechanisch folgte mein Blick seinen Handgriffen – wie er den Filter einsetzte, sechs gehäufte Löffel Kaffeepulver in das Behältnis gab und den Kessel mit kochendem Wasser von der Herdplatte nahm. Nachdenklich kehrte ich in mein Zimmer zurück.

       Was hatte Kofler uns mit diesem Ausflug beweisen wollen? Dass er clever war?

      Eher das Gegenteil wäre in seiner Lage plausibel gewesen. War er einfach nur naiv, arglos?

      Oder bestand seine Gerissenheit genau darin, das Unerwartete zu tun – uns von dem konventionellen Erwartungsschema, wie sich ein Mann in seiner Situation verhielt, abzubringen?

      Aber welchen Sinn sollte das haben?

      Ich zuckte die Achseln und setzte mich auf den Holzstuhl am Schreibtisch.

      Nach einer Weile kam Kruschinsky herein.

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