Название: der andere Revolutionaer
Автор: L. Theodor Donat
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 9783741808449
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Bestimmte Bäume tragen Zeichen, sie können Sitz eines Geistes sein, aber keinesfalls eines göttliches Wesens. Es gibt auch heilige Wälder. Diese dienen eher zum Schutz der Medizinalpflanzen, denn das hohe Buschgras wird jedes Jahr abgebrannt. Überall gibt es kleine Zeichen der Gegenwart von Unsichtbarem: Der Platz für das Opfer im Innenhof, das Eingangshaus und ausserhalb des Rundhauses besondere Bäume und Wälder. Das sind übrigens Elemente, die nicht kultivierte Menschen, d.h. eine Mehrheit von Missionaren, Touristen und Franzosen, in Bezug auf die Tradition leichtfertig von Fetischismus oder Animismus sprechen lassen! Animismus bedeutet aber, Pflanzen oder Tiere als göttliche Wesen zu verehren. Fast alle katholischen Priester sprechen eher abschätzig von Heiden, wenn sie von den Gläubigen der traditionellen Religion reden.
Der Begriff [Heide] diente ursprünglich als polemische Kategorie zur Abwertung des anderen, dem die Zugehörigkeit zu einer Religion abgesprochen wird (wiki[Heidentum]).
Doch erstens ist unsere Tradition monotheistisch und zweitens haben die meisten Menschen eine tiefe, weise Religiosität und Philosophie. Deine Freunde können anhand der wenigen Beispielen erahnen, dass der ganze Lebensraum sakral ist, mit seinen Abläufen von jedem Tag, von jedem Jahr mit den Zeiten der Initiation und den anderen grossen Festen.
---- egalitäre Strukturen und Konsens
Ich möchte kurz erklären, weshalb ich meine Gastkultur als „egalitäre Konsens-Kultur“ bezeichne. Der Ausdruck scheint kompliziert. Ich wollte zuerst den Ausdruck „egalitäre Kultur“ verwenden, doch scheint er zu nahe an einer Philosophie des Egalitarismus zu sein.
„Egalitäre Konsens-Kultur“, diesem Ausdruck bin ich so in meinen Quellen nicht begegnet, wohl aber Egalitarismus in wiki[Egalitarismus]. Auf Englisch Egalitarianism [Stanford Encyclopedia of Philosophy].
Ich kann natürlich keinen Beitrag zu einer politischen Philosophie oder zu einer Sozialphilosophie leisten, sondern ich möchte einfach beschreiben, was ich angetroffen habe.
Wie ich gelesen habe, gibt es einen politischen, wirtschaftlichen oder philosophischen Egalitarismus. Die bekannteste Form ist wahrscheinlich die Theorie des Kommunismus, der möchte, dass jeder Mensch (Frauen und Männer) über einen gleichen Lohn, über einen gleichen Lebensstandard und über einen gleichen Anteil an Produktionsmitteln verfügt. Das Recht auf Privateigentum wird aberkannt. Die Führungsstruktur einer solchen Gesellschaft kann in der Realität durchaus totalitär sein, jedenfalls war sie es in der UdSSR. Mir scheint, dass der Ausdruck „egalitär“ oft etwas Gleichschaltendes hat, indem eine Person fast ausschliesslich als austauschbares Element gesehen wird. In meiner Gastkultur wird aber dem Alter, der Erfahrung und überhaupt der ganzen Person Rechnung getragen. Privates Eigentum kann man in einem vernünftigen Rahmen haben, jedoch als „Mieter“, nicht als Besitzer. Der Ausdruck „Konsensdemokratie“ bezeichnet in der politischen Philosophie etwas einseitig die Art der Entscheidungsfindung im Gegensatz zu einer Abstimmung oder zu einem autoritären Akt. Ein Beispiel von Konsensdemokratie indigener Völker:
In der Versammlung ergreifen alle das Wort und diskutieren; am Ende der Diskussion interpretiert und resümiert ein Älterer die Entscheidung, zu der man gelangt ist. Er verkündet: „Wir denken und sagen ...“ ... Man ist zu einem Konsens gekommen, der sich im Wort „wir“ ausdrückt. Diese Art von Versammlung zeigt uns die verwirklichte Intersubjektivität. Es ist eine Gemeinschaft, die dank der Teilnahme aller und eines jeden lebt.“(Carlos Lenkersdorf in wiki[Konsensdemokratie])
Aber ein so verstandener Konsens beinhaltet nicht ausdrücklich die Absage an jede Konzentration von Macht, die ein Priester, Heiler, Diskussionsleiter oder Chef auf sich vereinen könnte. Der Konsens im Palaver (s.u.) hingegen benötigt keine Zusammenfassung durch einen Ältesten oder einen Leiter der Diskussion. Das Ziel des Palavers ist, gemeinsame Haltungen zu finden (heute würde man vielleicht grossspurig von Strategien sprechen), um Konflikte der ganzen Wirklichkeit gerecht zu lösen. Die Harmonie untereinander und die Harmonie mit dem Unsichtbaren muss eventuell angepasst oder wiederhergestellt werden. Auf diese Weise wird ein Zusammenleben ermöglicht, in dem alle Institutionen von jedem Mitglied der Gemeinschaft mitgetragen werden. Ich meine, dass die Tradition meiner Gastkultur wesentlich auf den Pfeilern „Konsens“ und „egalitär“ ruht und jede Konzentration von Macht vermeidet.
Der besondere Blick der Tradition auf unsern „Vater-Gott“ führt zum Wissen, dass alle Menschen gleich sind, dass sich niemand über andere als Chef erheben darf. Leider wurde mit der Kolonisation die „Chefferie“, das Häuptlingswesen, in meiner Gastkultur eingeführt. Die Befehls-Übermittlung vom Kolonisator zu den „Einheimischen“ sollte gewährleistet werden.
Aber das Wort, mit dem der „Chef“ in meiner Gastkultur bezeichnet wird, bedeutete in der Tradition „Wohltäter“. Man brauchte die Bezeichnung für jemanden, der auf seinem Boden etwas mehr angepflanzt und geerntet hatte, als unbedingt nötig gewesen wäre. So konnte er einem Dorfbewohner helfen, dessen Vorräte, einer schlechten Ernte oder einer Krankheit wegen, vorzeitig aufgebraucht waren. Der „Wohltäter“ war gewissermassen Teil der sozialen Vorsorge. Aber er beanspruchte deshalb keine Vorrechte. Schön, dass sich meine Gastkultur damals gar keinen Häuptling vorstellen konnte, der nicht Wohltäter war!
Um Werte zu vermitteln, werden sehr oft Märchen erzählt. Das folgende lautet abgekürzt etwa so: Es war einmal ein kleines Kind, das zum Chef geführt wurde, damit dieser ihm einen Namen gibt. Doch wie der Chef dem Kind einen Namen geben will, stirbt es. Zuhause angekommen, wird es wieder lebendig. So geschieht es mehrere Male, bis man auf die Namensgebung beim Chef verzichtet. Das Kind nannte sich dann später selbst: „Die-Weisheit-des-Chefs-ist-nicht-grösser-als-die-meine “.
In der Sprache der Tradition, können bei Namen Silben zusammengeführt oder ausgelassen werden, wenn der Sinn für Eingeweihte erhalten bleibt.
Der Chef ärgert sich jedes Mal, wenn dieser Name im Dorf ertönt. Er stellt dem inzwischen zum jungen Mann Herangewachsenen eine Reihe zum Teil tödlicher Fallen. Im allerletzten Versuch sendet er seinen miserabel gekleideten Sohn mit dem prächtig ausstaffierten „Die-Weisheit-des-Chefs-ist-nicht-grösser-als-die-meine“ zu einem befreundeten Chef mit dem Auftrag, den gutgekleideten zu töten. Natürlich tauscht der „Die-Weisheit-des-Chefs-ist-nicht-grösser-als-die-meine“ seine Kleider mit denen des Sohnes mit der Begründung, dass es sich nicht zieme, wenn der Sohn des Chefs so ärmlich gekleidet sei. So ist es der Chef, der mit dem Tod seines Sohnes seine Zukunft verliert. Die Moral des Märchens: Seit jener Zeit führt man die Kinder zur Namensgebung nicht mehr zum Chef. Doch der Sinn ist viel tiefer. Der Name des Kindes charakterisiert, wie in der Bibel, gewissermassen seine ganze Person. Er kann nur von der Familie ausgehen, aus der die Person, mit Gottes Willen, hervorgeht. Die Menschen müssen Gleichheit oder Komplementarität der Gaben (s.u.) gegenseitig respektieren. Es ist tödlich, ja es zerstört die Zukunft, sich eines andern Menschen bemächtigen zu wollen. Ob der Ursprung des Märchens in einer egalitären Konsens-Kultur zu suchen ist, СКАЧАТЬ