Название: Die Bande des Schreckens
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752946796
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Nora fuhr nach Marlow und freute sich, daß sie einmal wieder ins Freie kam.
Harry, der Bootsmann von Meakes, richtete sich auf, wischte die schweißbedeckte Stirn mit dem nackten, braunen Arm ab und sah die junge Dame, die vor ihm stand, respektvoll und wohlwollend an.
»Sie wollen zu Mr. Monkford?«
Er schützte die Augen mit der Hand gegen die Sonnenstrahlen und zeigte den Fluß hinauf, der an dieser Stelle eine scharfe Biegung nach der Temple-Schleuse zu machte.
»Von hier aus können Sie das Haus nicht sehen«, sagte er. »Es ist ein altes Gebäude. Aber wenn Sie den Fußweg entlanggehen, stoßen Sie darauf.«
Er sah sie ungewiß von der Seite an. Noch zwölf Boote hatte er sauber zu machen, und für eine Gesellschaft, die jeden Augenblick eintreffen konnte, mußte er einen Vierruderer in Ordnung bringen. Aber das Mädchen war hübsch, schlank und biegsam. Um ihre roten Lippen und in ihren grauen Augen spielte ein verführerisches Lächeln.
»Es ist ein ziemlich langer Weg. Sie müssen über die Brücke, die zweite Straße rechts gehen und dann an der Ecke abbiegen, wo das Denkmal steht – ich glaube, ich rudere Sie lieber hin, Miß.«
»Sie sind sehr liebenswürdig.«
Der Mann brachte das Boot an den Steg, und sie stieg ein. Er war sehr gesprächig, während er stromauf ruderte.
»... Hier in dem Loch, über das wir jetzt fahren, lebt die größte Forelle der ganzen Gegend. Manche Leute sagen, daß sie schon dreißig Jahre alt ist. Viele haben versucht, sie zu fangen; aber es ist noch keinem gelungen.«
Sie zeigte höfliches Interesse, um den Alten nicht zu verletzen.
»Sehen Sie, dort liegt Sheltons Boot.« Er deutete mit dem Kopf auf ein ziemlich verwahrlost aussehendes Motorboot, das am Ufer vor einem leerstehenden Hause vertäut war. Es zeigte schnittige Form und mußte früher einmal blendend weiß gewesen sein. Aber jetzt machte es einen unansehnlichen, vernachlässigten Eindruck. Sie dachte einen Augenblick darüber nach, wer Shelton wohl sein mochte, aber der Bootsmann gab ihr sofort Auskunft.
»Shelton ist gehängt worden, weil er einen Polizisten erschossen hat. Er war der größte Urkundenfälscher, der jemals existierte – wenigstens sagen die Zeitungen so.«
Sie sah ihn erstaunt an, dann wanderten ihre Blicke wieder zu dem Boot am Ufer.
»Was, er ist gehängt worden?«
»Ja. In dem Haus dort hat er gewohnt, und mit dem Motorboot hat er seine Reisen gemacht. Nach seinem Tod hat man das Haus und das Boot verkauft. Aber sehen Sie, dort an der Ecke wohnt Mr. Monkford. Der hat Shelton an den Galgen gebracht«, erklärte Harry feierlich. »Er und Mr. Long, der berühmte Detektiv. Der ist gerade zu Besuch bei ihm. Ich habe gesehen, wie er heute nachmittag in einem Boot hinruderte.«
Sie wußte wohl, daß Joseph Monkford eine prominente Persönlichkeit in Bankkreisen war. Miß Revelstoke, die ihn schon lange kannte, hatte ihr das ausführlich erzählt. Er hatte sich durch eigene Tüchtigkeit emporgearbeitet, war jetzt der leitende Direktor der Southern & City Bank und als solcher Vorsitzender der Bankiervereinigung.
»Ja, er und der Wetter Long haben Shelton gehängt. Aber Sie haben doch sicher davon gehört. Die Geschichte hat doch erst vor einem Jahr gespielt.«
Nora schüttelte den Kopf. Sie las niemals die Mordberichte in den Zeitungen.
Das Haus kam jetzt in Sicht. Es stand zwischen hohen Pappeln, und eine große, grüne Rasenfläche breitete sich von der Terrasse bis zum Ufer aus.
Harry legte am Landungssteg an. Sie stieg mit ihrem kleinen Paket aus dem Boot und griff nach ihrer Handtasche, um dem Mann ein Geldstück zu geben.
»Nein, danke schön, Miß.«
Mit einem kräftigen Ruderschlag stieß er das Boot wieder vom Ufer ab und winkte ihr einen fröhlichen Abschiedsgruß zu.
»Mr. Monkford fährt Sie später sicher im Auto zur Station«, rief er ihr noch zu.
Sie lächelte ihn dankbar an und ging dann über den gutgepflegten Rasen zur Terrasse.
7
Mr. Monkford hat gerade Besuch«, sagte der Diener, der sie einließ und ihr das kleine Paket abnahm.
Aber schon nach wenigen Sekunden erschien der Hausherr in dem kleinen Salon, in dem sie wartete.
»Kommen Sie herein, Miß Sanders. Hat Ihnen Miß Revelstoke die Statuette für mich mitgegeben? Das ist ja glänzend!«
Miß Revelstoke und Mr. Monkford sammelten klassische Altertümer. Die alte Dame hatte die Plastik, die Nora brachte, von einem Antiquitätenhändler erworben, wollte sie aber Monkford überlassen, weil die Darstellung sie abstieß.
»Kommen Sie doch, bitte, hier herein. Das Paket muß aber ziemlich schwer gewesen sein«, meinte er. »Wenn ich genau gewußt hätte, wann Sie ankamen, hätte ich meinen Wagen zur Bahn geschickt... Darf ich Ihnen einen meiner Freunde vorstellen?«
Sie war ihm in die große Bibliothek gefolgt, von wo aus man den Strom übersehen konnte. Am Fenster stand ein Herr und schaute mit düsteren Blicken über den Rasen nach dem Wasser hin. Er kam ihr bekannt vor, und als sich ihre Blicke trafen, erkannten sie sich gegenseitig.
»Mr. Long – Miß Sanders.«
Sie hatte den Namen doch schon gehört! Plötzlich erinnerte sie sich wieder an die Geschichte, die ihr der Bootsmann von Shelton erzählt hatte. Das war also der Wetter Long, der berühmte Detektiv!
Er sah Nora interessiert an. Sie fühlte, wie seine Blicke sie durchdrangen, aber es war ihr sonderbarerweise nicht unangenehm. Seine Augen besaßen geradezu hypnotische Gewalt und Stärke. Unwillkürlich hatte sie den Eindruck, daß er über ungewöhnliche Kraft und Energie verfügen mußte.
Monkford ging zum Kamin und drückte die Klingel.
»Wir wollen erst Tee zusammen trinken. Das andere hat Zeit bis später.«
Er packte das Paket aus und schälte einen kleinen Holzkasten aus dem grauen Papier. Ein Gegenstand lag darin, der von einer Tuchhülle umgeben war.
»Ein wundervolles Stück«, sagte er, als er die Figur in der Hand hielt.
Auch der Wetter kam langsam vom Fenster zum Tisch und betrachtete sie interessiert.
Es handelte sich um eine nackte Frauengestalt, die aus Ebenholz geschnitzt war. Sie stand mit erhobenem Kinn und blickte trotzig drein.
»Wirklich ein ausgefallen schönes Stück«, wiederholte Monkford. »Sagen Sie Miß Revelstoke, daß ich sehr stolz auf den Besitz dieser Statuette bin.«
Noras Gedanken waren abgeschweift, und sie stellte plötzlich eine unüberlegte Frage.
»Wer war eigentlich Shelton?«
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