Название: Mein Weg aus der Ausweglosigkeit
Автор: Anton Weiß
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783738083965
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Ich musste den Menschen auf den Mund schauen, dann konnte ich mich einigermaßen konzentrieren, schaute ich ihnen in die Augen, dann war ich so abgelenkt, dass ich den Sinn des Gesagten kaum erfassen konnte.
Mir wurde dadurch klar, dass ständig im Hintergrund Bewegung war. Wenn ich heute bei C. G. Jung lese, dass er es für möglich hält, dass Träumen nicht nur eine Sache ist, die sich in der Nacht abspielt, sondern dass möglicherweise auch tagsüber ständig im Hintergrund Traumgeschehen abläuft, nur dass das hintergründige Geschehen vom Tagesbewusstsein überstrahlt wird, glaube ich das sofort. Ich glaube auch, dass das Bedürfnis vieler Menschen, sich ständig von Musik berieseln zu lassen, Ausdruck dieses ständigen Hintergrundrauschens ist, das durch Musikhören gebunden wird. Ich hatte meine Musik in mir, ich brauchte keine von außen! Ich litt sehr darunter. Aus heutiger Sicht begreife ich es als unentwegte Tätigkeit des Unbewussten, das ständig aktiv ist und das Leben vorantreibt, im Guten wie im Bösen.
Ich erlebte eine große Unordnung in mir. Ich hatte auch einen entsprechenden Traum: Ich befand mich in einer völlig unaufgeräumte Werkstatt. Als ich den Traum Bekannten erzählte, kam prompt die Antwort: Ja, da musst du aufräumen. Aber ich wusste nicht, was das in meinem konkreten Leben bedeuten sollte, was ich tun musste, um „aufzuräumen“. Diesen Traum hatte ich mit etwa 18 Jahren!
Wenn jemand glücklich verheiratet ist und er eine attraktive Frau sieht und ein Begehren in ihm hochkommt – da ist die Seele, das Innere des Menschen ungeordnet. Auch damit musste ich mich gründlich auseinandersetzen. Wer in einer Sucht gefangen ist und versucht, davon frei zu werden, der merkt ganz deutlich, welchen verschiedenen, entgegengesetzten Strebungen er ausgesetzt ist – auch daran sieht man das Ungeordnete im Seelenleben der meisten Menschen, denn wenn man zusammenrechnet, wie viele Süchten unterworfen sind, sei es Nikotin, Alkohol, Drogen, Spielleidenschaft, Essstörungen, Computer oder Fernsehen - ob sie es als Sucht wahrhaben wollen oder nicht -, dann bleiben nicht viele eines Volkes übrig, die nicht von einem ungeordneten Seelenleben betroffen sind.
In diesem Zustand lebte ich eigentlich viele Jahre, ohne dass sich viel bewegte, außer, dass diese Verhärtung in der Körpermitte immer mehr zunahm. Ich wollte es aushalten, solange es eben ging und war gespannt, wie es weitergehen würde. Eine Ahnung, welche Bewandtnis es damit hätte, hatte ich zu dieser Zeit nicht. Dass dies eine solche Tragweite hätte und solche Konsequenzen, hätte ich niemals für möglich gehalten.
Ich möchte ja hier nicht mein ganzes Leben darlegen, sondern nur einige Akzente setzen, die verstehbar machen, warum ich in einen Zustand geriet, den man wohl als Schizophrenie bezeichnen muss. Als ich mich mit Schizophrenie beschäftigte, weil ich deutliche Anzeichen bei mir dafür sah, zeigte sich, dass eine ganze Reihe von Merkmalen, die letztlich dann zur Schizophrenie führen, bei mir vorhanden waren: Schwierigkeit im sozialen Kontakt, Vulnerabilität, also Verletzlichkeit, die bei mir in einer Überempfindlichkeit gegenüber Kritik besonders sichtbar wurde, Angst, Depression und Wahnvorstellungen.
Teil I: Die Erlebnisse
Ich möchte jetzt einen Sprung machen, um zu der Lebenssituation zu kommen, um derentwillen ich zu schreiben angefangen habe. Wie gesagt, mein äußeres Leben verlief weitgehend reibungslos. In meinem Inneren aber schaute es anders aus: Ich hatte immer das Gefühl, dass ich litt und in der Tiefe meiner Seele unglücklich war; dass es sich so zuspitzen würde, hätte ich mir nie träumen lassen. Ich kann den Beginn gar nicht mehr so genau rekonstruieren. Ich weiß nur noch, dass ich wohl um das Jahr 2000 herum auf ein Büchlein gestoßen war mit dem Titel „Zen-Buddhismus und Psychoanalyse“. Darin kamen einige bekannte Denker zu Wort, u. a. D. T. Suzuki, E. Fromm und ein Richard de Martino. Dieser Name sagte mir überhaupt nichts, aber sein Beitrag elektrisierte mich. Ich war so begeistert, dass ich seine Darlegung einigen mir nahestehenden Menschen zu lesen gab. An der Reaktion aber merkte ich, dass sie gar nicht viel damit anfangen konnten.
Dann nahmen meine Frau und ich im Jahr 2002 an einem Seminar des Bestsellerautors Theo Fischer im Piemont teil, um diesen Mann persönlich zu erleben, der so gute Bücher über den Taoismus - z. B. „Wuwei“ – geschrieben hatte. In einem Gespräch stellte sich heraus, dass Herr Fischer dieses Büchlein kannte. Ich fragte ihn nach seiner Meinung zu de Martino und es zeigte sich, dass auch er überhaupt nichts damit anfangen konnte. Das war mir Anlass einen Versuch zu machen, de Martinos Gedanken mit meinen Worten wiederzugeben, um sie vielleicht verstehbarer zu machen. Ich schickte das Ergebnis an Theo Fischer, der aber auch damit nicht viel anfangen konnte. Er betrachtete es als „theoretische und intellektuelle“ Überlegungen. Ich war fassungslos, denn für mich war es intensivste psychische Realität mit dem Versuch, sie in Sprache zu fassen.
Bereits in dieser Zeit musste in mir eine Ahnung davon entstanden sein, welche Bewandtnis es mit dem Ich hatte, obwohl ich noch gar nicht in diese Grenzsituation geraten war, wie es dann 2005 geschah. Ich habe keine andere Erklärung, als dass das kommende Geschehen schon seine Schatten vorausgeworfen hatte.
Die Ereignisse, die am Beginn der Phase standen, als es auf den Höhepunkt zusteuerte, bestanden in einer inneren Beunruhigung. Wir planten in den ersten Jahren meiner Pensionierung im Jahr 2002 eine zweimonatige Skandinavienfahrt mit unserem Wohnmobil in der Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juli, um endlich einmal die Mitternachtssonne zu erleben, was während meiner Lehrertätigkeit nicht möglich war, da wir ja auf die Ferien angewiesen waren, die in Bayern immer erst Ende Juli anfingen. Da wir ein neues Haus bezogen hatten, verschob sich die Reise auf das Jahr 2005. Schon Ende des voraufgehenden Jahres – etwa Herbst 2004 - stellten sich bei mir merkwürdige Ahnungen ein. Ich hatte Phantasien, dass ich uns – meine Frau und mich – mit dem Auto einen steilen Abhang hinunterstürzen würde oder dass ich allein in einen Abgrund springen oder meine Frau von einem hohen Felsen in einen Fjord hinunterstoßen würde. Natürlich befremdeten mich solche Vorstellungen und ich fragte mich, was da eigentlich vor sich ging in mir, dass ich solche schrecklichen Tagträume hatte. Ich wehrte mich dagegen und versuchte sie als Unsinn abzutun. Aber je näher der Termin der Abreise rückte, umso aufdringlicher und unabweisbarer wurden diese Gedanken. Ich erzählte meiner Frau nichts davon, weil ich sie nicht beunruhigen und erst selber Klarheit bekommen wollte, was da eigentlich ablief. Allmählich musste ich richtig gegen solche Vorstellungen kämpfen und ich zog ernsthaft in Erwägung, die Skandinavienreise abzusagen. Dagegen stand aber, dass ich die Grundüberzeugung habe, dass man vor Gegebenheiten nicht davonlaufen dürfe. Ich bin überzeugt, dass das, was auf einen zukommt, die Aufgaben, die einem das Leben stellt, bewältigt werden müssen, dass man sich den Herausforderungen des Lebens stellen muss und nicht davonlaufen darf. Mit rationalen Überlegungen bekämpfte ich diese albtraumartigen Gedanken, die sich mir immer wieder aufdrängten und war überzeugt, dass ich dem mit klarem Denken begegnen und es auch bewältigen können werde. Also fuhren wir!
Es war eine sehr schöne Zeit und es zeigte sich, dass diese dunklen Ahnungen nur Hirngespinste waren. Bis wir auf der Rückfahrt– wir waren kurz vor Beendigung der Reise – auf der Insel Runde Station machten, da wir sie als erlebnisreiche Vogelinsel in Erinnerung hatten.
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