Название: Die Gräfin von Ascot
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742759108
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»Ich habe mich wahrscheinlich nicht gut ausgedrückt, ich habe nicht die Bildung wie Sie«, erwiderte sie ein wenig hilflos. »Aber es ist doch schließlich nichts Besonderes, um was ich Sie bitte. Jeder Gentleman könnte das doch tun. Vielleicht handle ich nicht richtig, aber ich brauche einen Beschützer für das Mädchen. Mr. Morlay, ich kann Sie dafür bezahlen, ich bin nicht arm.«
John lehnte sich in seinem Sessel zurück und beobachtete sie.
»Ich glaube, ich verstehe Sie jetzt. Es ist Ihr Wunsch, daß ich in gewisser Weise auf die junge Gräfin aufpasse. Es ist nicht ungewöhnlich, daß reiche Leute Privatdetektive für solche Zwecke anstellen. Aber leider ist das nicht mein Fach.«
Er sah die Enttäuschung in ihrem Gesicht.
»Es wird mir aber ein Vergnügen sein, wenn ich eine derartige Tätigkeit ehrenhalber übernehmen darf«, fuhr er fort. »Das heißt, wenn Sie es gestatten und wenn es der jungen Dame selbst nicht unangenehm ist.«
»Sie wollen mir also helfen, aber keine Bezahlung dafür annehmen?« fragte sie eifrig.
»Sie haben mich vollkommen richtig verstanden.«
Er lächelte sie an, aber sie schüttelte den Kopf.
»Die Sache soll rein geschäftlich zwischen uns geregelt werden. Ich möchte nicht, daß Sie es umsonst tun, sonst würde ich das unangenehme Gefühl nicht los, daß –«
Sie zögerte und suchte nach den rechten Worten.
»Daß Sie mir verpflichtet sind?« ergänzte er nach einer kurzen Pause. »Aber was würde denn die Gräfin Fioli dazu sagen, wenn sie einen bezahlten Freund hätte?«
Der Gedanke war ihr noch nicht gekommen, und sie überlegte.
»Marie würde nichts dagegen haben«, erwiderte sie schließlich, »wenn ich es gern sehe. Wollen Sie es für mich tun?«
Es war eigentlich ein ziemlich phantastischer Plan. Bei ruhigem Nachdenken hätte er ihn wohl doch noch abgelehnt. Aber Mrs. Carawood bat so dringend und sah ihn so flehentlich an, daß er nicht ruhig nachdenken konnte.
»Ich will alles tun, was in meinen Kräften steht«, entgegnete er kurz. »Nun sagen Sie mir aber auch genau, welche Pflichten ich habe.« Das hatte sie sich vorher schon überlegt.
»Sie wird ein paar Monate in Ascot wohnen – ich habe dort ein Haus für sie gekauft. Selbstverständlich sollen Sie nicht dauernd in Ascot sein, und auch sie bleibt nicht für immer dort. Wenn sie aber in London ist, möchte ich Sie bitten, sie zu begleiten. Ich weiß nicht, was alles passieren wird, aber ich fühle« – sie drückte die Hand aufs Herz –, »daß Marie Schweres bevorsteht. Und ich möchte jemanden haben, auf den ich mich verlassen kann, der mir hilft, wenn Schwierigkeiten entstehen.«
Ein merkwürdiger Vorschlag. Er sollte ein junges Mädchen ausführen und ihren Beschützer spielen. Und dabei kannte er Marie Fioli doch nur ganz oberflächlich. John war über sich selbst erstaunt, daß er auf diesen sonderbaren Plan einging. Im Grund seines Herzens fand er sogar großen Gefallen an diesen Aussichten für die Zukunft.
Auf dem Rückweg wiederholte sich Mrs. Carawood noch einmal jedes Wort ihrer Unterhaltung mit Morlay. Es kamen ihr zwar leise Zweifel, aber im Augenblick war sie beruhigt, daß sie die Gefahr sofort erkannt und beseitigt hatte. Nun besaß sie einen Verbündeten statt eines Gegners, der ihr sehr gefährlich hätte werden können.
Als sie ihren Laden in der Penton Street erreichte, fand sie dort wie gewöhnlich Mr. Fenner vor, der in ein eifriges Gespräch mit Herman verwickelt war.
Mr. Fenner war ein Schreinermeister mit merkwürdigen, anarchistischen Anwandlungen, im übrigen aber ein kluger, tüchtiger Mann. Er sprach wie jemand, der gewohnt ist, als öffentlicher Redner aufzutreten. Meistens war sein Gesicht düster; er haßte den Adel und setzte sich für die Arbeiterklasse ein. Aber Mrs. Carawood nahm ihn in der Beziehung nicht ganz ernst. Jeden Abend, wenn er mit der Arbeit fertig war und zufällig nicht auf einer Versammlung sprach, machte er einen Besuch in der Penton Street. Um eine Entschuldigung für seine Anwesenheit war er nie verlegen. Er hatte den Parkettboden gelegt und die Wände mit Paneel verkleidet, und er war so zuvorkommend, daß er eine Bezahlung für seine Arbeit ablehnte. Aber in diesem Punkt blieb Mrs. Carawood fest; sie ließ sich nichts schenken. Im Lauf der Auseinandersetzung kam es sogar so weit, daß sie ihn aufforderte, den Laden zu verlassen. Dann einigten sie sich aber doch.
»Guten Abend, Mrs. Carawood«, sagte Fenner. »Es ist schade, daß Sie nicht schon vorher hier waren, ich habe Herman gerade wieder einmal ein klares Bild der reichen Leute gezeichnet.«
»Es wäre besser, wenn Sie ihn in Ruhe ließen. Und machen Sie den Mund nicht so weit auf! Sie haben mir doch erst vorige Woche erzählt, daß Sie selbst sechshundert Pfund auf der Bank haben.«
»Das ist eine vollkommen irrige Auffassung, das ist kein Kapital, das sind Ersparnisse!« entgegnete Fenner ruhig.
Herman lachte laut auf.
Mr. Fenner sah den jungen Mann mitleidig an, sagte aber nichts.
6
John Morlay kam am nächsten Tag nach Büroschluß zu dem Laden in der Penton Street. Er wäre wieder fortgegangen, wenn er nicht einen Lichtschimmer durch eine Spalte in den Vorhängen gesehen hätte. Als er klingelte, wurde ihm sofort geöffnet, und in der ersten Überraschung legte Mrs. Carawood das Buch nicht beiseite, in dem sie eben noch gelesen hatte.
Die verächtliche Bemerkung Julian Lesters fiel ihm ein, und ein Blick auf den Titel bestätigte, daß sie einen gerade nicht sehr hohen literarischen Geschmack besaß. Als sie entdeckte, daß er auf das Buch sah, stellte sie es hastig zu den anderen Bänden ins Regal.
»Sie lesen wohl sehr viel, Mrs. Carawood?«
»Ja. Aber andere Bücher als Sie, Mr. Morlay.«
»Nun, ich bin aber vielleicht deshalb doch nicht klüger«, entgegnete er lächelnd. »Es gab auch bei mir eine Zeit, in der ich gern aufregende Romane las.«
»Ach, jetzt sind Sie zu alt dazu?« fragte sie so naiv, daß er beinahe laut aufgelacht hätte.
»Selbst wenn man älter wird, hat man noch einen Hang zum Abenteuer. Diese Geschichten faszinieren immer.«
Er war mit keiner besonderen Absicht gekommen. In Wirklichkeit hatte ihn eigentlich nur der Wunsch hergetrieben, mehr von Marie zu hören. Aber das wollte er sich selbst nicht eingestehen. Es fiel ihm schwer, die Sprache auf die junge Dame zu bringen, und sie kam ihm auch in keiner Weise entgegen. Herman verschwand in die Küche, kam bald darauf mit einem Tablett zurück und servierte Tee. Mrs. Carawood sagte entschuldigend, daß das ihr Lieblingsgetränk sei, das sie zu jeder Tageszeit genießen könne. John hatte dieselbe Schwäche. Schließlich blieb СКАЧАТЬ