Die Mensch-App. Michael Brendel
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Название: Die Mensch-App

Автор: Michael Brendel

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783742730411

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СКАЧАТЬ gehen von einer noch häufigeren Nutzung aus. Die Zahl der geschätzten täglichen Handykontakte, nach der die Forscher 2.000 Erwachsenen befragten, lag im Durchschnitt bei 221.14

      „Smartphone-Apps funktionieren wie Glücksspielautomaten“, resümiert Markowetz. „Wir betätigen sie immer wieder, um uns einen kleinen Kick zu holen.“ Und wenn der Kick einsetzt – eine neue Whatsapp-Nachricht, eine Reaktion auf ein Posting, eine interessante Nachricht im Newsticker – werden wir vom Gehirn belohnt. Christian Montag hält für möglich, dass bei einem erfolgreichen Smartphonecheck das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird.15 Was wir suchen, wenn wir anlasslos das Handy zücken, wird als Serendipity-Moment beschrieben. Das ist ein Begriff, der nur schwer aus dem Englischen zu übersetzen ist. Freude über ein überraschendes Ereignis beschreibt Serendipity vielleicht am besten. Und die heute verfügbaren Apps verstehen ganz hervorragend, uns mit der Aussicht auf einen Serindipity-Moment zu locken.

      d) … über mein Sozialverhalten

      Messenger-Apps und Soziale Netzwerke beeinflussen, wie wir mit Menschen umgehen. Wenn wir eine Freundschaftsanfrage auf Facebook erhalten, fühlen wir uns geschmeichelt: Da hat ein anderer Mensch aufrichtiges Interesse an mir! Vielleicht kenne ich ihn ja tatsächlich, aus der Schule oder dem Verein. Dann ist es schön, jetzt auch digital vernetzt zu sein!

      Wem kommt bei solch einer virtuellen Bauchpinselung in den Sinn, dass eingehende Freundschaftsanfragen nur selten eine selbst initiierte Handlung des Anfragenden sind? Facebook empfiehlt seinen Nutzern immer wieder Personen, die sie kennen könnten – Freunde von Freunden, ehemalige Klassenkameraden oder Menschen, die zur gleichen Zeit in der gleichen Stadt gelebt haben. Die Trefferwahrscheinlichkeit ist erstaunlich hoch, so ausgereift sind die Algorithmen des größten Sozialen Netzwerks der Welt. Das heißt aber auch, dass dieser Algorithmus über die Verbindung von zwei Menschen in diesem Netzwerk mitbestimmt.

      Auch der Newsfeed bzw. die Startseite, also die Liste der eingehenden Statusmeldungen meiner Facebookfreunde und abonnierter Seiten16, hat Einfluss darauf, mit wem die Nutzer agieren. Denn auch die wird durch Facebooks Algorithmen gesteuert. Es werden standardmäßig also nicht die neuesten Beiträge von Freunden und abonnierten Seiten angezeigt, was eine gewisse Neutralität bedeuten würde, sondern die sogenannten Topmeldungen. Die chronologische Sortierung muss der Nutzer selbst einstellen und sie ist nur in der Browserversion verfügbar, nicht in der offiziellen App. Zudem setzt sich diese nach wenigen Stunden wieder auf die Topmeldungen zurück.17 Welches System hinter der Auswahl der Beiträge steckt, ist Facebooks Geheimnis. Kriterien dürften die Anzahl der bisherigen Likes und Kommentare unter der Statusmeldung und die Popularität des Autors sein, wie viele Freunde er also hat und wie stark seine Beiträge sich verbreiten. Denkbar ist, dass auch die Involvierung eines Werbekunden von Facebook für eine Aufnahme in die Topmeldungen sorgt.

      In Kapitel III. 1. i kommen wir auf Facebooks Sortiersystem zurück.

      Auch Whatsapp, der Facebook-Messenger und andere Messengerdienste wie beispielsweise Snapchat beeinflussen unsere soziale Interaktion. Vor allem die Lesebestätigungen hinter Nachrichten haben Auswirkungen auf den Umgang mit Freunden und Bekannten, weil sie den Zwang zum Antworten beinhalten. Psychologe Christian Montag erklärt das Problem: „Whatsapp hat ja einen Mechanismus, der uns unter Druck setzt, sofort zu reagieren: die blauen Haken. Wenn ich sehe, die andere Person hat meine Nachricht gelesen und reagiert aber nicht, dann kann mich das unter Umständen kränken.“18

      Eine telefonische Rückrufbitte lässt sich einige Stunden zurückstellen. Eine Emailantwort auch. Doch in Messengern bestimmt nicht allein der Empfänger den Zeitpunkt einer Antwort.

      Auch in der Liebe mischt die Internettechnologie kräftig mit. Allein in Deutschland gibt es 2.500 Partnerbörsen, die das zielgenaue Finden von Lebenspartnern oder -partnerinnen versprechen, indem sie die Interessen, Vorlieben und Persönlichkeiten der Nutzer mit denen anderer Suchenden abgleichen.19 Dieses Algorithmus gesteuerte Matching spart den Kunden Zeit und erspart im besten Falle Enttäuschungen. Darüber hinaus scheint diese Art der Partnervermittlung sogar ziemlich erfolgreich zu sein. Einer US-Studie zufolge sind online zustande gekommene Partnerschaften beständiger als in der analogen Welt entstandene.20

      e) … über meine Konzentration

      Die App von Montag und Markowetz belegt, was viele Smartphonenutzer sich selbst wohl nur ungern eingestehen: Smartphones bestimmen unseren dienstlichen und privaten Alltag. Emails, Eilmeldungen, Whatsapp-Nachrichten – es vergeht keine Stunde, in der das Gerät nicht piepst, vibriert oder blinkt. Die 180 Minuten durchschnittliche Nutzungsdauer sind für Christian Montag aber nicht das Hauptproblem an Smartphones. Es ist vielmehr die Aufteilung: „Wir unterbrechen uns den ganzen Tag. Das heißt, wir können uns auf nichts mehr konzentrieren, weil wir permanent das Gerät schon in der Hand haben, um mal irgendwas zu checken“.21

      Zwei US-Universitäten haben in einer gemeinsamen Studie den Einfluss von Handybenachrichtigungen auf die Konzentration untersucht. Das Ergebnis: Probanden, die für die Studie sämtliche Benachrichtigungen aktiviert hatten, zeigten bereits nach kurzer Zeit einen deutlich höheren Grad an Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität. Die weiteren Symptome, mangelndes Fokussierungsvermögen, Zappeln und Rastlosigkeit, haben die Forscher sogar mit denen des ADHS-Syndroms verglichen, ohne ADHS jedoch in einen kausalen Zusammenhang mit den Benachrichtigungen zu stellen.22 Der Leiter der Studie, der Psychologe Kostadin Kushlev von der University of Virginia, hält die Ergebnisse aber nichtsdestotrotz für beunruhigend: “Die Ergebnisse zeigen einfach, dass die dauernde digitale Stimulation zu einer gestiegenen, problematischen Aufmerksamkeitsstörung in der modernen Gesellschaft führt.“23

      Dass bereits die Anwesenheit eines Smartphones in der Nähe unsere kognitiven Fähigkeiten beeinflusst, haben texanische Psychologen in einer Studie untersucht: 800 Probanden sollten Aufgaben bearbeiten, während ihr Handy entweder stumm geschaltet auf dem Tisch, in ihrer Tasche, oder in einem Nebenraum lag. Das Ergebnis war, dass diejenigen Teilnehmer am besten abschnitten, deren Smartphones sich nicht in demselben Raum befanden wie sie selbst.24

      Eine Studie des Softwareherstellers Microsoft lässt den Schluss zu, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne (in diesem Falle: die von Kanadiern) angesichts digitaler Einflüsse sinkt: „Kanadier mit einer digitalen Lebensweise bekommen in Umgebungen Probleme, in denen eine längere Aufmerksamkeit nötig ist“, so die Autoren. Lag die durchschnittliche Aufmerksamkeitsdauer im Jahr 2000 noch bei zwölf Sekunden, sind es im Jahre 2013 nur noch acht Sekunden. Zur Einordnung greift die Studie auf einen für die Menschen nicht gerade schmeichelhaften Vergleich zurück: Demnach können sich Goldfische neun Sekunden auf eine Sache konzentrieren.25

      Garantiert smartphonelos.

      f) … über das, was von mir bleibt

      Wenn ein Internetnutzer stirbt (alle drei Minuten erwischt es beispielsweise einen Facebooknutzer26), hinterlässt er Berge von Daten im Netz. Das Angebot der Onlinedienstleister zu Lebzeiten war halt groß: Da gab es Emailprovider, Onlineshops, Netzwerke, Foren, Streamingdienste, Lieferdienste, Fotodienste und Hunderte von Apps, die er wenigstens kurz einmal auf seinem Smartphone oder Tablet ausprobieren wollte. Selbst lebenden Nutzern von Web-und App-Angeboten wird es schwerfallen aufzulisten, bei welchen Diensten sie überall ein Kundenkonto haben.

      Doch was geschieht mit all diesen Daten nach dem Tod? Hinter den Zugangsdaten zu Facebook, GMX und Co. verbergen sich ja nicht nur eine Postadresse und Telefonnummer, sondern oft eine jahrelange Emailkorrespondenz, tausende private Fotos, Banktransaktionen und vielleicht auch intime Geheimnisse.

      Dreiviertel der Deutschen haben laut einer Umfrage27 noch nie über ihren digitalen Nachlass nachgedacht. Doch nur sechs Prozent der 500 Befragten geben an, ihnen sei egal, was mit den Daten passiere.

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