Название: David Copperfield
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783753197098
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»Nein, Sir. Mien Schwager Tom war ihr Vadder.«
Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten:
»Tot, Mr. Peggotty?« fragte ich zögernd, wieder nach einer vorsichtigen Pause.
»Ertrunken,« sagte Mr. Peggotty.
Ich fühlte die Schwierigkeit der Sachlage, aber es war noch nicht alles ergründet, und so mußte ich doch weiter forschen.
»Haben Sie keine Kinder, Mr. Peggotty?«
»Nein, Master«, antwortete er mit kurzem Lachen. »Ick bünn een Junggesell.«
»Junggesell?« fragte ich ganz verwundert. »Wer ist denn das, Mr. Peggotty?« und ich wies auf die Frau mit der weißen Schürze.
»Das is Mrs. Gummidge.«
»Gummidge, Mr. Peggotty?«
Aber hier machte Peggotty – ich meine meine eigene Peggotty – so deutliche Gebärden, ich solle nicht weiter fragen, daß ich nichts mehr tun konnte als die schweigsame Gesellschaft ansehen, bis es Zeit war, zu Bett zu gehen. Dann in der Zurückgezogenheit meiner eigenen kleinen Kabine teilte sie mir mit, daß Ham und Emly beide Waisen seien, die ihr Bruder in frühester Kindheit zu sich genommen hatte, und daß Mrs. Gummidge die Witwe seines ehemaligen Bootteilhabers sei, der sehr arm gestorben war. Peggotty selbst sei nur ein armer Mann, aber echt wie Gold und treu wie Stahl. Das waren meiner Kindsfrau eigene Vergleiche. Das einzige, sagte sie mir, worüber er je heftig werden könnte bis zum Fluchen, wäre, wenn man auf sein gutes Herz anspiele. Wenn man nur davon spräche, schlüge er so furchtbar auf den Tisch, – er hätte ihn bei einer solchen Gelegenheit oft schon zerbrochen, – und schwüre einen entsetzlichen Eid, daß er »gormet« sein wollte, wenn er nicht in die weite Welt ginge, sobald noch jemand davon anfinge. Auf meine Nachfragen stellte sich heraus, daß niemand wußte, was unter diesem schrecklichen Wort »gormet« zu verstehen sei; aber alle stimmten darin überein, daß es ein höchst feierlicher Schwur wäre.
Ich war natürlich sehr gerührt von der Gutherzigkeit meines Wirtes und hörte in einer sehr behaglichen Gemütsstimmung, die durch meine Schläfrigkeit noch vermehrt wurde, wie die weibliche Hälfte der Bewohnerschaft in einer zweiten kleinen Kajüte am andern Ende des Schiffes zu Bett ging, und wie er und Ham für sich zwei Hängematten an den früher erwähnten Haken im Deckbalken befestigte.
Während der Schlaf mich allmählich überwältigte, hörte ich draußen auf dem Meer den Wind so heulen und so gewaltig über die Einöde hinbrausen, daß mich halb im Traum die Furcht überkam, das Meer könnte während der Nacht das Land überfluten. Aber ich beruhigte mich damit, daß ich doch in einem Schiff wohnte, und daß Mr. Peggotty keine üble Person an Bord sei, wenn etwas geschehen sollte.
Aber es passierte nichts Schlimmeres, als daß der Morgen kam. Sobald er seine Strahlen auf den Austernschalenrahmen meines Spiegels warf, war ich aus dem Bette und mit der kleinen Emly draußen am Strand und suchte Muscheln.
»Du bist gewiß schon ein vollendeter Seemann,« sagte ich zu Emilie. Ich glaubte selbst nicht, was ich sagte, aber ich hielt es für galant, etwas derartiges zu äußern, und ein schimmerndes Segel dicht neben uns spiegelte sich so hübsch in ihrem hellen Auge, daß mir diese Worte gerade einfielen.
»Nein,« antwortete Emly und schüttelte den Kopf, »ich habe Angst vor dem Meere.«
»Angst?« sagte ich und machte selbst ein kühnes Gesicht und sah mutig auf den mächtigen Ozean hinaus. »Ich nicht!«
»O, es ist sehr grausam,« sagte Emly, »ich habe es sehr grausam gesehen gegen unsere Leute. Ich habe gesehen, wie es ein Schiff, so groß wie unser Haus, in lauter Stücke zerbrach.«
»Das war doch hoffentlich nicht das Schiff, das –«
»in dem der Vater ertrank?« fragte Emly. »Nein, das nicht. Das hab ich nicht gesehen.«
»Auch ihn nicht?« fragte ich.
Die kleine Emly schüttelte den Kopf. »Kann mich nicht erinnern.«
Hier lag ein Fall vor wie der meine. Ich erging mich sogleich in Erzählungen, daß auch ich meinen Vater niemals gesehen hätte, und wie meine Mutter und ich stets allein in der größten Zufriedenheit gelebt, die man sich denken könnte, und noch so lebten und immer so leben wollten, und daß meines Vaters Grab auf dem Kirchhof nicht weit von unserm Hause läge, beschattet von einem Baum, unter dessen Zweigen ich an manchem schönen Morgen dem Gesang der Vögel gelauscht hätte.
Aber zwischen Emlys Waisenschaft und meiner bestand doch noch ein kleiner Unterschied. Sie hatte ihre Mutter vor dem Vater verloren, und ihres Vaters Grab kannte niemand. Sie wußte nur, daß er irgendwo in den Tiefen des Meeres ruhte.
»Und dann,« sagte Emly, während sie nach Muscheln und Kieseln ausschaute, »war dein Vater ein Gentleman und deine Mutter eine Lady; mein Vater war nur ein Fischer und meine Mutter eine Fischerstochter und mein Onkel Dan ist ein Fischer.«
»Dan ist Mr. Peggotty, nicht wahr?« fragte ich.
»Onkel Dan – dort –« antwortete Emly und nickte nach dem Schiffe hin.
»Ja, den meine ich. Er muß sehr gut sein, nicht?«
»Gut? – Wenn ich einmal eine Lady werden sollte, schenke ich ihm einen himmelblauen Rock mit diamantnen Knöpfen, Nankinghosen, eine rote Samtweste, einen Federhut, eine große goldne Uhr, eine silberne Pfeife und einen Koffer voll Geld.«
Ich sagte, ich sei überzeugt, daß Mr. Peggotty alle diese Schätze wohl verdiene. Ich muß gestehen, daß es mir schwer fiel, mir ihn in ruhigem Behagen in dem Anzuge vorzustellen, den seine dankbare kleine Nichte ihm zudachte, besonders hatte ich so meine Bedenken wegen des Federhutes, aber ich behielt diese Gedanken für mich.
Die kleine Emly hatte in ihrer Beschäftigung inne gehalten und zum Himmel aufgeblickt bei der Aufzählung aller dieser Gegenstände, als wären sie eine Vision. Dann fingen wir wieder an Muscheln und Kieseln zu suchen.
»Du möchtest wohl gern eine Lady sein?« fragte ich.
Emly sah mich an, lachte und nickte, »ja.«
»Das möcht ich wohl gern. Wir würden dann alle vornehme Leute sein. Ich und der Onkel und Ham und Mrs. Gummidge; es wäre uns gleich, wenn es stürmte, – unsertwegen meine ich, wegen der armen Fischer wärs uns nicht gleich, und wir würden ihnen Geld geben, wenn sie zu Schaden kämen.«
Das erschien mir als ein befriedigendes und daher durchaus nicht wahrscheinliches Bild. Ich drückte meine Freude darüber aus und das ermutigte Emly zu der schüchternen Frage: »Glaubst du jetzt nicht, daß du Angst vor dem Meere hast?«
Die See war in diesem Augenblick zu ruhig, um mir Besorgnis einzuflößen, aber ich bin überzeugt, wenn nur eine mäßig große Welle dahergebraust gekommen wäre, ich hätte mich bei dem schrecklichen Gedanken an Emlys ertrunkene Verwandten sofort davon gemacht. Für alle Fälle sagte ich nein, und fügte hinzu: »Du scheinst dich auch nicht so sehr davor zu fürchten, wie du sagst.« Sie ging so nahe am Rande eines alten hölzeren Hafendamms, daß ich Angst hatte, sie könnte hinunterfallen.
»So fürchte ich mich nicht,« sagte sie. »Aber ich bleibe wach, wenn es stürmt, СКАЧАТЬ