Selbstbetrachtungen. Marc Aurel
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Selbstbetrachtungen - Marc Aurel страница 6

Название: Selbstbetrachtungen

Автор: Marc Aurel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783753197883

isbn:

СКАЧАТЬ

      Das menschliche Leben ist, was seine Dauer betrifft, ein Punkt; des Menschen Wesen flüssig, sein Empfinden trübe, die Substanz seines Leibes leicht verweslich, seine Seele — einem Kreisel vergleichbar, sein Schicksal schwer zu bestimmen, sein Ruf eine zweifelhafte Sache. Kurz, alles Leibliche an ihm ist wie ein Strom, und alles Seelische ein Traum, ein Rauch: sein Leben Krieg und Wanderung, sein Nachruhm Vergessenheit. Was ist es nun, das ihn über das alles zu erheben vermag? Einzig die Philosophie, sie, die uns lehrt, den göttlichen Funken, den wir in uns tragen, rein und unverletzt zu erhalten, daß er Herr sei über Freude und Leid, daß er nichts ohne Überlegung tue, nichts erlüge und erheuchele und stets unabhängig sei von dem, was andere tun oder nicht tun, daß er alles, was ihm widerfährt und was ihm zugeteilt wird, so aufnehme, als komme es von da, von wo er selbst gekommen, und daß er endlich den Tod mit heiterem Sinn erwarte, als den Moment der Trennung aller Elemente, aus denen jegliches lebendiges Wesen besteht. Denn wenn den Elementen dadurch nichts Schlimmes widerfährt, daß sie fortwährend ineinander übergehen, weshalb sollte man sich scheuen vor der Verwandlung und Lösung aller auf einmal? Vielmehr ist dies das Naturgemäße, und das Naturgemäße ist niemals vom Übel.

      Drittes Buch

      1

      Wir müssen uns nicht bloß bedenken, daß das Leben mit jedem Tage schwindet und ein immer kleinerer Teil davon übrigbleibt, sondern auch beherzigen, daß es ja ungewiß ist, wenn man ein längeres Leben vor sich hat, ob sich die Geisteskräfte immer gleichbleiben und zum Verständnis der Dinge, so wie zu all den Wahrnehmungen und Betrachtungen hinreichen werden, die uns auf dem Gebiete des Göttlichen und Menschlichen erfahren machen. Denn wieviele werden im Alter nicht kindisch! Und bei wem ein solcher Zustand eingetreten ist, dem fehlt es zwar nicht an der Fähigkeit zu atmen, sich zu nähren, sich etwas vorzustellen und etwas zu begehren; aber das Vermögen, sich frei zu bestimmen, die Reihe der Pflichten, die ihm obliegen zu überschauen, die Erscheinungen sich zu zergliedern und darüber, ob´s Zeit zum Sterben sei oder was sonst einer durchaus geweckten Denkkraft bedarf, sich klar zu werden — das ist bei ihm erloschen. Also eilen muß man, nicht bloß weil uns der Tod mit jedem Tage näher tritt, sondern auch weil die Fähigkeit, die Dinge zu betrachten und zu verfolgen, oft vorher aufhört.

      2

      Merkwürdig ist, wie an den Erzeugnissen der Natur auch das, was nur beiläufiges Merkmal ist, einen gewissen Reiz ausübt. So machen z.B. die Risse und Sprünge im Brot, die gewissermaßen gegen die Absicht des Bäckers sind, die Eßlust besonders rege. Ebenso geht es mit den Feigen, die, wenn sie überreif sind, aufbrechen, und den Oliven, die gerade wegen der Stellen geschätzt werden, wo sie nahe daran sind, faul zu werden. Die niederhängenden Ähren, die Stirnfalte des Löwen, der Schaum am Munde des Ebers und manches andere dergleichen hat freilich keinen Reiz, wenn man´s für sich betrachtet; aber weil es uns an den Werken der Natur und im Zusammenhange mit ihnen entgegentritt, erscheint es als eine Zierde und wirkt anziehend. Fehlt es uns also nur nicht an Empfänglichkeit und an Tiefe des Blicks in die Welt der Dinge, so werden wir kaum etwas von solchen Nebenumständen auffinden, was uns nicht angenehm deuchte. Ebenso werden wir dann aber auch z.B. wirkliche Tierkämpfe nicht weniger gern ansehen, als die Darstellungen, die uns Maler und Bildhauer davon geben; und unser keusches Äuge wird mit gleichem Wohlgefallen auf der würdigen Gestalt des Greises wie auf der liebreizenden des Mädchens ruhen. Doch gehört dazu eben eine innige Vertrautheit mit der Natur und ihren Werken.

      3

      Hippokrates hat viele Krankheiten geheilt, dann ist er selbst an einer Krankheit gestorben. Die Chaldäer weissagten vielen den Tod, dann hat sie selber das Geschick ereilt. Alexander, Pompejus, Cäsar — nach dem sie so manche Stadt von Grund aus zerstört und in der Schlacht soviele Tausende ums Leben gebracht, schieden selbst aus dem Leben. Heraklit, der über den Weltbrand philosophiert, starb an der Wassersucht, den Demokrit brachte das Ungeziefer um, den Sokrates — ein Ungeziefer anderer Art. Kurz, zu einem jeden heißt es einmal: du bist eingestiegen, gefahren, im Hafen eingelaufen: so steige nun aus! Geht´s in ein anderes Leben — gewiß in keins, das ohne Götter ist. Ist´s aber ein Zustand der Unempfindlichkeit — auch gut: wir hören auf von Leid und Freude hin gehalten zu werden und verlassen ein Behältnis von um so schlechterer Art je edler der Eingeschlossene, denn er ist Geist und göttlichen Wesens, jenes aber Staub und verweslicher Stoff.

      4

      Verschwende deine Zeit nicht mit Gedanken über das, was andere angeht, es sei denn, daß du jemand damit ersprießlich sein kannst. Du versäumst offenbar notwendigere Dinge, wenn dich nichts weiter beschäftigt, als was der und jener macht und aus welchem Grunde er so handelt, was er sagt oder will oder anstellt. So etwas zieht den Geist nur ab von der Beobachtung seiner selbst. Man muß alles Eitle und Vergebliche aus der Kette der Gedanken zu entfernen suchen, vorzüglich alle müßige und nichtswürdige Neugier, und sich nur an solche Gedanken gewöhnen, über die wir sofort, wenn uns jemand fragt, was wir gerade denken, gern und mit aller Offenheit Rechenschaft geben können, so daß man gleicht sieht: hier ist alles lauter und gut und so, wie es einem Gliede der menschlichen Gesellschaft geziemt, hier wohnt nichts von Genußsucht und Lüsternheit, nichts von Zank oder Neid oder Mißtrauen, nichts von alle dem, wovon der Mensch nur mit Erröten gestehen kann, daß es seine Seele beschäftige. Und ein solcher Mensch — dem es nun ja auch nicht an dem Streben nach Auszeichnung fehlen kann — ist ein Priester und Diener der Götter, der Gewinn aus dem inneren Gottesbewußtsein zu ziehen weiß, so daß ihn keine Lust beflecken, kein Schmerz verwunden, kein Stolz berücken, nichts Böses überhaupt reizen kann; er ist ein Held in jenem großen Kampf gegen die Leidenschaft und eingetaucht in das Wesen der Gerechtigkeit vermag er jegliches Geschick von ganzer Seele zu begrüßen. Ein solcher Mensch aber denkt selten und nur, wenn es das allgemeine Beste erfordert, an das, was andere sagen oder tun oder meinen. Sondern die eigene Pflicht ist der einzige Gegenstand seines Tuns, so wie, was ihm das Schicksal gesponnen im Gewebe des Ganzen, der Hauptgegenstand seines Nachdenkens. Dort hält er Tugend, hier den guten Glauben. Und in der Tat ist jedem zuträglich, was sich mit ihm zuträgt nach dem Willen des Schicksals. Stets ist er eingedenk, daß alle Vernunftwesen einander verwandt sind, und daß es zur menschlichen Natur gehört, für andere zu sorgen. Nach Ansehen strebt er nur bei denen, die ein naturgemäßes Leben führen, da er ja weiß, was die, die nicht so leben, sind, wie sie´s zu Hause und außer dem Hause, am Tage und bei Nacht und mit wem sie ihr Wesen treiben. Das Lob derer also, die nicht sich selber zu genügen wissen, hat für ihn nicht den geringsten Wert.

      5

      Tue nichts mit Widerwillen, nichts ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl, nichts ungeprüft, nichts wobei du noch ein Bedenken hast. Drücke deine Gedanken aus ohne Ziererei. Sei kein Schwätzer und kein Vielgeschäftiger. Sondern mit einem Worte: der Gott in dir führe das Regiment, welchem Geschlecht, Alter, Beruf, welcher Abkunft und Stellung du nun auch angehören magst, so daß du immer in der Verfassung bist, wenn du abgerufen werden solltest, gern und willig zu folgen. — Eidschwur und Zeugenschaft mußt du immer entbehren können. — Innerlich aber sei heiter, nicht bedürfend, daß die Hilfe von außen dir komme, auch nicht des Friedens bedürftig, den andere uns geben können. — Steh aufrecht, heißt es, nicht: lasse dich stellen!

      6

      Kannst du im menschlichen Leben etwas Besseres finden als Gerechtigkeit, Wahrheit, Selbstbeherrschung, Tapferkeit oder mit einem Wort: als den Zustand der Seele, wo du in allem, was eine Sache der Vernunft und Selbstbestimmung ist, mit dir selbst, in dem aber, was ohne dich geschieht, mit dem Schicksale zufrieden bist; kannst du, sage ich, etwas entdecken, was noch besser ist als dies, so wende dich dem mit ganzer Seele zu und freue dich, daß du das Beste aufgefunden hast. Sollte es aber in Wahrheit nichts Besseres geben, als den in dir wohnenden Gott, der deine Begierden sich untertänig zu machen weiß, der die Gedanken prüft, den sinnlichen Empfindungen, wie Sokrates sagt, sich zu entziehen sucht, und der sich selbst — den Göttern unterwirft und für das Wohl der Menschen Sorge trägt: solltest СКАЧАТЬ