Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika. Henry Morton Stanley
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Читать онлайн книгу Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika - Henry Morton Stanley страница 4

СКАЧАТЬ um Lebensmittel aufzusuchen. Dieselben waren schon viele Tage länger fort, als sie hätten sein sollen, und inzwischen befanden sich 130 Männer, außer den Knaben und Frauen, dem Verhungern nahe. Um den Tod solange wie möglich fernzuhalten, bekamen sie täglich eine Tasse warmer, dünner Brühe, welche aus Butter, Milch und Wasser hergestellt war. Als die Lebensmittel derart auf die Neige gegangen waren, dass nur noch so viel übrig war, um 13 Mann zehn Tage lang mit der dünnen Brühe und vier kleinen Stücken Zwieback täglich zu versehen, wurde es für mich zur Notwendigkeit, die vermissten Leute aufzusuchen. Möglicherweise waren dieselben, weil sie keinen Führer hatten, sorglos gewesen und wurden von einer überwältigenden Menge der bösartigen Zwerge belagert. Mein Gefolge bestand aus 66 Mann, einigen Weibern und Kindern, welche, tatkräftiger als die übrigen, die dünne Flüssigkeit mit den Beeren des Phrynium und des Amomum, sowie mit an feuchten Stellen entdeckten Schwämmen verbessert hatten und deshalb noch ein wenig Kraft besaßen, obwohl die armen Burschen fürchterlich abgemagert waren. 51 Mann nebst Knaben und Weibern waren vor Erschöpfung und Krankheit dermaßen entkräftet, dass keine Hoffnung war, sie am Leben zu erhalten, wenn nicht innerhalb weniger Stunden Lebensmittel eintrafen. Mein weißer Gefährte und 13 Mann hatten die Gewissheit, genügend Nahrung zu besitzen, um den Kampf gegen einen peinvollen Tod noch zehn Tage in die Länge zu ziehen; wir, die wir zur Aufsuchung der Vermissten bestimmt waren, besaßen nichts. Wir konnten uns von Beeren ernähren, bis wir vielleicht eine Pflanzung zu erreichen vermochten. Auf dem Marsche kamen wir im Laufe des Nachmittags an mehreren Leichen in verschiedenen Stadien der Verwesung vorüber, und der Anblick der dem Tode Geweihten, der Sterbenden und Toten rief in meinen Nerven ein solches Gefühl der Schwäche hervor, dass ich derselben fast erlag. Jeder im Lager war durch Mutlosigkeit und Leiden gelähmt, die Verzweiflung hatte alle stumm gemacht und kein Laut unterbrach das Todesbrüten. Es war eine Gnade für mich, dass ich kein vorwurfsvolles Murren hörte, kein Zeichen des Tadels bemerkte. Ich fühlte aufs tiefste die Schrecknisse der Stille von Wald und Nacht. Schlaf war unmöglich. Meine Gedanken verweilten bei dem wiederholten Ungehorsam, welcher so viel Elend und Sorge verursacht hatte. Halsstarrige, aufrührerische, unverbesserliche menschliche Natur, die stets ihr tierisches, brutales Wesen zeigt – mögen die Elenden für ewige Zeiten verdammt sein! Ihre vollständige Gedankenlosigkeit, ihre Vergesslichkeit und das fortwährende Nichthalten von Versprechen töten mehr Menschen und verursachen mehr Elend, als das Gift der Wurfspieße, die Widerhaken und Spitzen der Pfeile. Wenn ich sie treffe, werde ich… – Aber ehe ich den Entschluss gefasst hatte, tauchten in meiner Erinnerung die Leichen am Wege, die dem Tode Geweihten im Lager und die Verhungernden in meiner Nähe auf, und ich dachte an die 150 Mann, die in dem unbarmherzigen Walde rettungslos verirrt oder ohne Hoffnung auf Rettung von Wilden umzingelt waren. Wundert es Sie, dass die natürliche Verbitterung des Herzens sich milderte und dass ich wiederum meine Sache Ihm empfahl, der uns allein helfen konnte? – Am nächsten Morgen, kaum eine halbe Stunde nach dem Aufbruche, trafen wir die Fouragierer wohlbehalten, gesund, kräftig und mit vier Tonnen Paradiesfeigen beladen. Sie können sich denken, welches Freudengeschrei diese wilden Kinder der Natur ausstießen, wie dieselben sich auf die Früchte stürzten, wie rasch sie die Feuer anzündeten, um zu rösten, zu kochen und zu backen, und wie schnell wir, nachdem sie sämtlich gesättigt waren, nach dem Lager zurückeilten, um auch die bei Herrn Bonny zurückgebliebenen Unglücklichen zu erfreuen!

       Wenn ich die vielen schrecklichen Episoden im Geiste vorüberziehen lasse und über die wunderbare Rettung vor vollständiger Vernichtung nachdenke, welche uns während der verschiedenen Hin- und Hermärsche durch den dunkeln, ungeheuren Urwald bedroht hat, so bin ich außer Stande, unsere Errettung einer anderen Ursache zuzuschreiben, als der gnadenreichen Vorsehung, welche uns zu ihren eigenen Zwecken beschützt hat. Die gesamte Kriegsmacht Europas würde in der schrecklichen Not, in welcher wir in jenem Lager zwischen dem Dui und Ihuru uns befanden, uns keine Hilfe haben leisten können; eine Armee von Forschungsreisenden hätte, wenn wir bei dem letzten Kampfe umgekommen wären, unsere Spur bis zu dem Schauplatz desselben nicht verfolgen können, denn wir würden sicherlich tief, bis zur vollsten Vergessenheit tief unter dem Humus der weglosen Wildnis begraben gewesen sein.

      In diesem demütigen und dankbaren Gefühle beginne ich die Schilderung des Verlaufs der Expedition von ihrem ersten Entwurf durch Sie bis zu dem Tage, als der Indische Ozean, so klar und blau wie der Himmel, sich zu unseren Füßen ausdehnte und wir mit Recht ausrufen konnten: „Es ist zu Ende!“

      Ich habe niedergeschrieben, was das Publikum erfahren sollte, doch gibt es viele Dinge, welche murrende, zynische, ungläubige und gemeine Menschen nicht zu wissen brauchen. Ich schreibe für Sie und Ihre Freunde und für diejenigen, welche mehr Licht über das dunkelste Afrika wünschen, sowie für diejenigen, welche Interesse an allem nehmen, was die Menschheit berührt.

      Mein Glaubensbekenntnis war, ist und wird, wie ich hoffe, auch bleiben: für das Beste zu wirken, den richtigen Gedanken zu fassen und das richtige Wort zu sprechen, soweit gute Beweggründe dies gestatten. Wenn mir eine Mission anvertraut wird, wenn mein Gewissen dieselbe als edel und recht billigt und ich das Versprechen gegeben habe, sie nach meinen besten Kräften dem Buchstaben und dem Sinne nach zur Ausführung zu bringen, dann trage ich ein Gesetz in mir, dem zu gehorchen ich gezwungen bin. Und wenn meine Gefährten mir durch ihr Benehmen und ihre Taten den Beweis liefern, dass dieses Gesetz für sie ebenso zwingend ist, dann erkenne ich sie als meine Brüder an. Es macht mir daher ein unbeschreibliches Vergnügen, die unschätzbaren Dienste meiner Freunde Stairs, Jephson, Nelson und Parke zu bezeugen, vier Männer, die sich ihren verschiedenen Pflichten in so vollkommener Weise gewidmet haben, als die menschliche Natur überhaupt dessen fähig ist. Da man einem Menschen einen Nachruf eigentlich erst schreiben kann, wenn er in seinem Grabe ruht, habe ich es während der Reise selten versucht ihnen zu sagen, wie hoch ich den stets bereiten Gehorsam schätzte, welchen Stairs bewies, den Ernst, welcher Jephson bei der Arbeit auszeichnete, den tapferen, soldatischen Charakter Nelson's und die zarte, sorgsame Liebe, welche unser Arzt seinen leidenden Patienten zuteilwerden ließ. Jetzt aber, nun die beschwerlichen Märsche vorüber sind und sie ohne Murren die ganze lange Zeit hindurch geduldet und gearbeitet haben, fühle ich, dass meine Worte zu arm sind, um die dauernden Verpflichtungen, die ich gegen einen jeden von ihnen habe, vollständig auszudrücken.

       Dass jeder derjenigen, welche gefallen sind oder wegen Krankheit oder wegen eines Unfalls zurückgesandt wurden, solange er sich in meiner Gesellschaft befand, vollständig fähig zu sein schien, den höchsten Erwartungen zu entsprechen, gebe ich mit Vergnügen zu. Ich habe niemals an irgendeinem von ihnen gezweifelt, bis Herr Bonny mir die traurige Geschichte von der Nachhut vortrug. Während ich positive Beweise dafür besitze, dass Major Barttelot und Herr Jameson während des monatelangen Aufenthalts in Jambuja von Pflichteifer und Tatenlust durchdrungen waren, habe ich mich vergeblich bemüht, festzustellen, weshalb sie nicht ihrer schriftlichen Instruktion gemäß vordrangen, oder weshalb die Herren Ward, Troup und Bonny nicht den Vorschlag machten, in kleinen Märschen vorwärts zu marschieren, anstatt in Jambuja wie die 100 gestorbenen Leute zu verkommen, wozu offenbar Gefahr vorhanden war. Auf diese einfache Frage gibt es keine Antwort. Ihre acht Reisen nach den Stanley-Fällen und Kasongo belaufen sich insgesamt auf über 1.900 km; ihre Tagebücher, Logbücher und Briefe enthalten zahlreiche Beweise, dass sie die Elemente des Erfolgs in sich trugen. Ich vermag nicht zu verstehen, weshalb die fünf Offiziere, welche die Mittel zum Vordringen besaßen, eingestandenermaßen begierig waren den Marsch anzutreten und vom höchsten Mute beseelt waren, sich nicht auf unserer Route fortbewegten, wie es ihnen befohlen war; oder weshalb die Offiziere, obwohl sie immer noch glaubten, dass ich noch am Leben sei, mein Privatgepäck den Fluss hinabschickten und ihren Oberbefehlshaber in einen Zustand der Not versetzten; oder weshalb sie den europäischen Proviant in Konservenbüchsen und zwei Dutzend Flaschen Madeirawein flussabwärts sandten, während sich 33 kranke und hungrige Leute im Lager befanden; oder weshalb Herr Bonny gestattete, dass seine eigenen Rationen während seiner Anwesenheit fortgesandt wurden; oder weshalb Herr Ward mit einer Depesche flussabwärts geschickt und ihm auch noch ein Befehl nachgesandt wurde, der seine Rückkehr zur Expedition verhindern sollte. Das sind einige der Fragen, welche mir rätselhaft sind und für die ich befriedigende Lösungen nicht habe erhalten können. Hätte mir irgend sonst jemand mitgeteilt, dass solche Dinge sich ereignet hätten, ich würde dieselben bezweifelt haben, aber СКАЧАТЬ