Название: Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 3
Автор: Rudolf Cronau
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783753191843
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Bekanntlich hatte das deutsche Volk zu Anfang des 19. Jahrhunderts überaus schwere Kämpfe gegen Napoleon führen müssen, jenen genialen Abenteurer, der sich vom Konsul der französischen Republik zunächst zum Diktator, dann zum Kaiser aufwarf und unter Strömen Blutes ein Weltreich aufzurichten suchte. Während der durch ihn heraufbeschworenen furchtbaren Zeit erlitt Deutschland seinen tiefsten Fall, indem es unter die Zwangsherrschaft des Korsen geriet.
Aber dieser Fall war notwendig, um dem deutschen Volk den Weg zu seiner Wiedergeburt zu zeigen. In allen Schichten rang sich die Erkenntnis durch, dass ein Zusammenfassen sämtlicher Kräfte, ein geeintes Deutschland nötig sei, um die Fremdherrschaft abzuschütteln. Unter dem gewaltigen Druck eiserner Notwendigkeit entwickelte sich ein früher nie gekanntes nationales Gefühl, das die Herzen der deutschen Dichter und Denker wunderbar bewegte und ihnen Töne verlieh, wie sie erhabener nie zuvor erklungen waren.
„Oh lerne fühlen, welchen Stamms du bist!
Die angebor'nen Bande knüpfe fest.
Ans Vaterland, ans teure schließ dich an,
das halte fest mit deinem ganzen Herzen,
hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft!“
So mahnte Schiller in seinem „Wilhelm Tell“, diesem geharnischten Protest gegen jede Unterdrückung echter Manneswürde.
Zur selben Zeit sangen Kleist, Schenkendorf, Körner und Arndt ihre begeisternden Freiheitslieder; Fichte hielt seine berühmten „Reden an die deutsche Nation“; Ludwig Jahn, der Vater der deutschen Turnerei, Freiherr Karl von Stein, Hardenberg und viele andere sorgten für die Kräftigung und Nationalisierung der Jugend. Und als endlich die entscheidende Stunde schlug, da war dank der unermüdlichen Arbeit dieser patriotischen Männer das deutsche Volk geistig und körperlich so erstarkt, dass es vermochte, in dem großen Jahre 1813 das entehrende Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln.
Wohl hätte es für die dabei bewiesene Aufopferung und heldenmütige Tapferkeit den tiefsten Dank seiner Fürsten verdient. Aber diese vermochten nicht, sich zu gleich hohem Fluge zu erheben. Sie ließen nicht nur ihre vor dem Krieg gemachten feierlichen Versprechungen, dem Volk eine Vertretung bei der Regierung zu geben, unerfüllt, sondern versuchten alle freiheitlichen Regungen des Volkes zu ersticken, während sie selbst in das widerwärtige, dem Geist des 19. Jahrhunderts hohnsprechende Treiben ihrer Väter zurückverfielen.
Zum Unglück standen die deutschen Fürsten damals unter dem Bann des österreichischen Staatskanzlers Clemens Lothar von Metternich, eines jedem Fortschritt abgeneigten Finsterlings, dem, wie seinem vom starren Bewusstsein absoluter Herrscherrechte erfüllten Kaiser Franz I. alle Kundgebungen verhasst waren, die auf den nationalen Zusammenschluss des deutschen Volkes abzielten. Beide ahnten, dass eine solche Einigung das Ende der österreichischen Vorherrschaft in Deutschland zur Folge haben müsse.
Auf das Betreiben dieser beiden Männer wurden sämtliche Turnvereine und Studentenverbindungen aufgelöst, alle deutsch-national gesinnten Professoren der Universitäten entlassen, alle Zeitungen und Bücher einer scharfen Zensur unterworfen. Um Personen ausfindig zu machen, die durch ihre Ansichten und Lehren dem Absolutismus der Herrscher gefährlich werden könnten, setzte man eine „Zentral-Untersuchungskommission“ ein, die sich in ihrer Demagogenriecherei der unglaublichsten Überschreitungen schuldig machte, Hunderte von Studenten verhaften und von Festung zu Festung schleppen ließ, bloß weil sie vaterländische Lieder gesungen oder die verpönten schwarz-rot-goldenen Farben getragen hatten. Es ist bezeichnend für den Fanatismus jenes Ausschusses, dass derselbe sogar Männer wie Blücher, Gneisenau, York, von Stein, Fichte und Schleiermacher als revolutionärer Bestrebungen verdächtig erklären durfte.
In dieser hoffnungslosen Zeit, die jeden patriotisch fühlenden und fortschrittlich veranlagten Mann mit Ekel erfüllen musste, erschien in Deutschland ein Buch, das ungeheures Aufsehen erregte. Sein Verfasser war der Arzt Gottfried Duden, welcher im Jahre 1824 eine Reise nach Nordamerika unternommen hatte und durch Maryland, Virginien und die am Ohio entstandenen Staaten nach Missouri gekommen war. Sechzig Meilen westlich von St. Louis erwarb er ein Gut, das er, da er ausreichende Mittel besaß, klären und bestellen ließ. Die Mußestunden verbrachte Duden mit der Schilderung seiner Reisen, der amerikanischen Verhältnisse und der Jagdromantik der westlichen Wildnis, in der es von Hirschen, Büffeln, Hasen, Präriehühnern usw. wimmle. Er beschrieb den neapolitanisch blauen Himmel, die reizvolle Färbung der herbstlichen Wälder und tausend andere Dinge, die jeden Freund der Länderkunde aufs höchste interessieren mussten. In der Hauptsache getreu, zeichneten Dudens Darstellungen sich vor allen früher erschienenen Berichten über Amerika durch glänzende Frische und romantische Färbung aus. Insbesondere ließen sie die in Missouri herrschenden Zustände und Aussichten im Gegensatz zu den trostlosen Deutschlands geradezu verlockend erscheinen.
Dieser, zuerst im Jahre 1829 in Bonn veröffentlichte „Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas“ erfreute sich bei allen Gebildeten einer überraschend günstigen Aufnahme. Ihnen, die in dumpfer Resignation unter der Willkür der Fürsten und der rückschrittlich gesinnten Beamtenheere dahinlebten, eröffnete sich urplötzlich der Ausblick auf ein Land, dessen jungfräuliche Erde nicht bloß tausendfältigen Lohn für die auf ihn verwendete Mühe verhieß, sondern wo man sich schrankenloser Freiheit erfreuen und die eigenen Ideen über Regierung und Staatsform verwirklichen konnte.
Einwandrer auf ihrem Zug gen Westen. Nach einer Zeichnung von F. O. Darley.
Vielen Familien wurde Dudens Buch zur täglichen Lektüre. Um auch wenig Bemittelten die Anschaffung zu erleichtern, ließen Freunde und Begünstiger der Auswanderung zahlreiche billige Ausgaben herstellen und verbreiten. Infolgedessen kam ein förmliches Auswanderungsfieber zum Ausbruch. Tausende von Leuten, denen „der Duden den Kopf verrückt hatte“, schickten sich zur weiten Reise nach Missouri an.
Es waren nicht bloß Bauern, sondern Männer, die gebildeten, ja gelehrten Ständen angehörten, nun aber den Schulstaub von sich abwuschen, um im frischen Tau der Urwälder neues Leben zu trinken. Mit ihnen zogen Jünglinge, welche die Feder, nie aber die Holzaxt geführt, Frauen, welche daheim den Teetisch serviert, aber nie harte Handarbeiten kennen gelernt hatten.
Viele dieser Auswandrer blieben, müde der langen Reise, in den Oststaaten oder am Ohio. Manche, bitter enttäuscht, verdarben in Elend. Viele aber gelangten wirklich ans Ziel und ließen sich im Tal des Mississippi nieder. Hier schufen sie, umgeben von anderen Ansiedlern, die berühmten „lateinischen Settlements“, die ihren Namen daher erhielten, weil ihre Besitzer hochgebildete Leute waren, die Universitätsbildung genossen hatten, Latein verstanden und das Studium der alten Klassiker dem müßigen Disputieren in den Wirtshäusern vorzogen.
Ansiedler beim Errichten ihrer Heimstätte.
Zu diesen „lateinischen Farmern“, (Da unter den „lateinischen Farmern“ natürlich auch viele Personen waren, die von der Landwirtschaft nichts verstanden und nur aus Liebe zur Unabhängigkeit diesen mühseligen Beruf gewählt hatten, so erhielt die Bezeichnung später einen etwas spöttischen Beigeschmack. Man fand solche „lateinischen Settlements“ sowohl in Illinois, Missouri und Wisconsin.) von denen viele tüchtige Landwirte wurden, zählten der bayrische Appellationsrat Theodor Hilgard, der Forstmeister Friedrich Engelmann, СКАЧАТЬ