Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth
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Читать онлайн книгу Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth страница 25

СКАЧАТЬ ein heftiger Kummer, der meiner Gesundheit nicht förderlich war. Die Königin kam tags darauf zu mir. Nachdem sie mich mehrmals zärtlich umarmt hatte, bestätigte sie mir alles, was ich schon von Fräulein von Sonsfeld wusste. „So werden Sie denn endlich glücklich! Welche Freude für mich!“ Ich küsste ihre Hände und benetzte sie mit Tränen. „Aber Sie weinen“, fuhr sie fort, „was ist Ihnen?“ Ich machte mir ein Gewissen daraus, ihre Freude zu stören. „Der Gedanke, Sie zu verlassen“, sagte ich zu ihr, „betrübt mich mehr, als alle Kronen der Welt mich erfreuen könnten.“ Meine Antwort rührte sie; sie liebkoste mich und ging dann weg. An diesem Abend hielt die Königin Cercle. Ihr Unstern wollte, dass Herr Dubourgay, der englische Gesandte, zugegen war. Er teilte wie gewöhnlich der Königin mit, was er von seinem Hof für Nachrichten erhalten hatte; so entspann sich ein Gespräch, bei dem die Königin, all ihrer Versprechen vergessend, ihm den Plan des Prinzen von Wales kundtat. Herr Dubourgay schien überrascht und fragte, ob sie es denn gewiss wüsste. „So gewiss“, sagte sie, „dass de la Motte von ihm hierher gesandt wurde und dem König schon die Mitteilung gemacht hat.“ Dubourgay zuckte darauf die Achseln. „Wie unglücklich bin ich“, sagte er, „dass Eure Majestät mir etwas anvertraut haben, was Sie mir ebenso verheimlichen mussten wie Herrn von Seckendorff. Mein Gott, wie beklagenswert ist meine Lage, da ich mich genötigt sehe, heute Abend einen Kurier nach England zu schicken, um meinen Herrn, den König, in Kenntnis zu setzen, der nicht ermangeln wird, die Pläne seines Sohnes, des Prinzen, zu durchkreuzen. Allein ich kann nicht anders handeln.“ Man stelle sich den Schrecken der Königin vor! Sie bot alles auf, um Dubourgay von seinem Vorhaben abzubringen, allein er zeigte sich unerbittlich und zog sich auf der Stelle zurück. Zum Unglück hatte sie sich auch der Ramen anvertraut. Seckendorff, der durch diese Person von allem unterrichtet worden war, hatte sich nach Potsdam begeben, um den König zu benachrichtigen und ihn zu verhindern, dass er eine Antwort gebe. Die Gräfin Fink erzählte mir dies alles tags darauf. Die Mine war gesprengt, es blieb also nichts übrig, als zu trachten, dass die Indiskretion der Königin nicht zu Ohren des Königs gelange. Dieser kam acht Tage später nach Berlin. Trotz aller Einwürfe Seckendorffs ließ er de la Motte kommen, empfing ihn aufs Beste und bezeigte ihm seine Ungeduld, den Prinzen von Wales zu sehen. Er gab ihm einen Brief für diesen Prinzen und trieb ihn an, so schnell als möglich abzureisen, um dessen Ankunft zu beschleunigen. Aber die Dinge hatten sich indessen sehr geändert. Das Zögern des Königs und die Unvorsichtigkeit der Königin ließen dem Schreiben des englischen Gesandten Zeit, nach England zu gelangen. Da es an den Staatssekretär gerichtet war, drang man in den König von England, ja nötigte ihn, einen andern Kurier nach Hannover zu senden, um dem Prinzen von Wales zu befehlen, unverzüglich nach England zurückzukommen. Dieser Kurier traf kurz vor der Abreise des Prinzen ein. Da er an das Ministerium geschickt worden war, blieb nichts anderes übrig, als sich dem Befehl zu fügen; und so war der Prinz genötigt, sich aufzumachen, während der König und die Königin in Berlin überglücklich ihn erwarteten. Ihre Freude verwandelte sich bald in Bestürzung durch die Ankunft einer Stafette, die ihnen die plötzliche Abreise des Prinzen nach England mitteilte.

       Mit dem ganzen Geheimnis hatte es aber die folgende Bewandtnis. Die englische Nation verlangte dringend, dass sich der Prinz in seinem zukünftigen Königreich aufhalte. Sie hatte mehrmals sehr ausdrücklich bei dem König darauf bestanden, doch ohne einen günstigen Beschluss zu erlangen. Denn der König wollte seinen Sohn nicht nach England kommen lassen, weil er voraussah, dass seine Anwesenheit Parteiungen hervorrufen würde, die seinem eignen Ansehen nur zum Nachteil gereichen konnten. Er hatte jedoch eingesehen, dass er sich dem Wunsche der Nation nicht dauernd widersetzen durfte. So hatte er heimlich an seinen Sohn geschrieben, er möge sich nach Berlin verfügen und mich heiraten; doch verbot er ihm zugleich, ihn, den König, mit diesem Schritt zu kompromittieren. Auf diese Weise war ein guter Vorwand gefunden, um sich mit dem Prinzen von Wales zu überwerfen und ihn in Hannover zu lassen, ohne dass die Nation sich darüber beschweren konnte. Die Indiskretion der Königin und das Schreiben Dubourgays machten diesen ganzen Plan zunichte und zwangen den König, die Forderung der Engländer zu erfüllen. Der arme de la Motte musste den Sündenbock abgeben; er wurde auf zwei Jahre in die Festung Hameln eingesperrt und dann kassiert. Aber mein Vater nahm ihn nach seiner Freilassung in seinen Dienst, und er steht heute noch an der Spitze eines Regiments. Dies alles verschlimmerte nur mein Los. Der König war mehr denn je gegen seinen Schwager aufgebracht und beschloss, nunmehr rücksichtslos vorzugehen, sofern ihm nicht durch meine Heirat Genugtuung geboten würde.

      Wir folgten ihm bald darauf nach Potsdam, wo er an beiden Füßen von heftigen Gichtschmerzen befallen wurde. Diese Krankheit im Verein mit dem Ärger über seine zerstörten Hoffnungen machten, dass er von unerträglich schlechter Laune war. Die Leiden des Fegefeuers konnten den unseren nicht gleichkommen. Wir waren gezwungen, früh neun Uhr in seinem Zimmer zu erscheinen; wir speisten dort und durften es unter keinem Vorwand verlassen. Den ganzen Tag überhäufte er meinen Bruder und mich mit Schmähungen. Der König nannte mich nur noch die englische Canaille, und mein Bruder hieß der Schuft von einem Fritz. Er zwang uns, Dinge zu essen und zu trinken, die uns widerstanden oder die unsrer Konstitution zuwider waren, was uns manchmal nötigte, in seiner Gegenwart alles von uns zu geben, was wir im Magen hatten. Jeden Tag kam es zu bösen Auftritten, und man konnte nicht aufschauen, ohne irgendeinen Unglücklichen auf eine oder die andere Weise gequält zu sehen. In seiner Ungeduld hielt es der König nicht im Bett aus, er ließ sich in einem Rollstuhl durch das ganze Schloss fahren. Seine beiden Arme waren auf zwei Krücken gestützt. Wir folgten diesem Triumphwagen wie arme Gefangene, die ihres Urteiles harren. Der arme König hatte große Schmerzen und eine schwarze Galle, die sich in sein Blut ergossen hatte war Grund an seiner üblen Laune.

       Eines Morgens, da wir zur Begrüßung bei ihm eintraten, schickte er uns weg. „Hinaus mit Ihren verwünschten Kindern!“ fuhr er die Königin an, „ich will allein bleiben.“ Die Königin wollte antworten, allein er gebot ihr zu schweigen und befahl, dass man bei der Königin auftrage. Die Königin war beunruhigt; aber mein Bruder und ich waren beide hocherfreut, denn wir wurden spindeldürr, so wenig hatten wir zu essen. Kaum waren wir aber bei Tische, als einer der Lakaien atemlos hereinlief. „Um Gottes willen, Majestät, kommen Sie“, rief er, „der König will sich erdrosseln.“ Die Königin eilte sehr erschrocken hinzu. Sie fand den König, einen Strick um den Hals und dem Ersticken nahe, wäre sie nicht zu Hilfe gekommen. Er hatte starkes Fieber, und das Blut stieg ihm heftig zu Kopfe; gegen Abend fühlte er sich jedoch etwas besser. Wir waren alle hocherfreut, da wir hofften, seine Verstimmung würde sich jetzt legen; allein es kam anders. Er sagte mittags zur Königin, dass er Briefe aus Ansbach erhalten habe, die ihm mitteilten, dass der junge Markgraf im Mai nach Berlin zu kommen beabsichtige, um meine Schwester zu heiraten, und dass er seinen Hofmeister, Herrn von Bremer, senden würde, um ihr den Verlobungsring zu überreichen. Er fragte meine Schwester, ob sie sich freue und wie sie ihren Hausstand einzurichten gedenke. Meine Schwester hatte sich mit ihm auf den Fuß gestellt, dass sie ihm alles freiheraus sagte, sogar Wahrheiten, ohne dass es ihn erzürnte. Sie gab ihm also mit ihrer üblichen Offenheit zur Antwort, dass sie einen guten und reichlich bestellten Tisch führen würde, „der“, fügte sie hinzu, „besser als der Ihre sein wird; und wenn ich Kinder bekomme, so werde ich sie nicht malträtieren wie Sie, noch sie zwingen, Dinge zu essen, die ihnen widerstehen.“ „Was meinen Sie damit“, fragte der König, „was ist es, das auf meinem Tische fehlt?“ „Es fehlt daran“, sagte sie, „dass man nicht satt wird und dass das wenige nur aus schweren Gemüsen besteht, die wir nicht vertragen können.“ Der König war schon über die erste Antwort aufgebracht, über diese letzte geriet er außer Rand und Band, aber sein ganzer Zorn fiel auf meinen Bruder und mich. Er warf erst einen Teller an den Kopf meines Bruders, der dem Wurfe auswich; dann ließ er einen in meine Richtung fliegen, und ich vermied ihn ebenso. Auf diese ersten Feindseligkeiten folgte nun ein Hagel von Schmähungen. Er wandte sich wider die Königin und warf ihr die schlechte Erziehung ihrer Kinder vor; und zu meinem Bruder gewendet, sagte er: „Sie sollten Ihre Mutter verwünschen, denn sie ist schuld an Ihrer schlechten Disziplin. Ich hatte einen tüchtigen Mann zum Hofmeister und erinnere mich stets einer Geschichte, die er mir in meiner Jugend erzählte: Es war einmal ein Mann in Karthago, der wegen mehrerer Verbrechen zum Tode verurteilt worden war. Auf dem Wege zum Richtplatz verlangte er, mit seiner Mutter zu sprechen. Man ließ sie kommen. Er näherte sich ihr, wie um ihr etwas ins СКАЧАТЬ