Название: Wahre Kriminalfälle und Skandale
Автор: Walter Brendel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754936580
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Zum ersten Mal bekennen sich auch Vertreter von renommierten Blättern wie Sunday Times und Newsweek zu ihrer zweifelhaften Rolle bei dem Hitler-Veröffentlichungs-Geschäft. Des Führers 60 Kunstleder-Kladden „Hitlers Tagebücher“ zeigt darüber hinaus, dass schon vor 20 Jahren die Diskussion darüber eröffnet war, wieviel Raum die Medien der Hitler-Vermarktung geben sollten. Die Flut von Büchern, Filmen und TV-Dokumentationen spricht da eine deutliche Sprache.
„Publish“, so Rupert Murdoch, nachdem er bereits von der Fälschung erfahren hatte, und fügte danach hinzu: „after all we are in the entertainment business!“ – „Veröffentlichen! Schließlich sind wir im Unterhaltungs-Geschäft!“ Nach seiner Haftentlassung lebte Kujau gut mit ehrlicher Arbeit in Stuttgart. Hat seine Galerie, sein Restaurant, organisiert Modeschauen mit Dessous, die er sich selbst ausdenkt, schreibt Bücher. Manche Nacht malt oder zeichnet er drei Bilder, „fälscht“ Monet und Picasso, noch viel lieber aber produziert er Original-Kujaus. Wer den Lebensweg des Konrad Kujau beobachtet hat, weiß, dass es nicht nur eine Frage des Talents ist. Der Künstler ist nicht nur hochbegabt - ob als Maler oder als Fälscher - er ist auch noch ein Original. Die Mischung macht´s. Mit den angeblichen Hitler-Tagebüchern avancierte Kujau zum Meister der Mimesis – und, dem Film „Schtonk“ sei Dank, im öffentlichen Bewusstsein trotz seiner fraglos kriminellen Ader zu einer Art subversivem Volksheld. Zu einem aufklärerischen Kunsterzieher zudem.
Begannen doch selbst weniger ästhetisch veranlagte Zeitgenossen im Gefolge des Eklats zu begreifen, dass der Schein mitunter trügt. Anfang 2000, ein halbes Jahr vor seinem Krebstod, machte der gewichtige Duplikats-Doyen seine Berufung zum Beruf. In seiner zunächst in Stuttgart beheimateten „Galerie der Fälschungen“, die nach einem Dependance-Intermezzo in Rudow gänzlich im Bezirk Mitte beheimatet ist, frönte er lustvoll dem Spagat zwischen Kunst und Kommerz, Authentizität und Reproduktion. Und sorgte sich um den Nachwuchs, wenn er Kinder bei Malstunden
zu designierten Meisterfälschern heranzog. Auch auf der Insel Rügen präsentierte sich Kujau als lebenslustiges Original der deutschen Fälscherzunft und genoss das Nachtleben im Ostseebad Binz in vollen Zügen.
Unterdes werden seine Kopien zumal der Alten Meister, aber auch zeitgenössischer Künstler, in einem ungeahnten Maße nachgefragt, wie seine Nichte und Erbin Petra Kujau versichert. „Den Konrad hätte es gefreut, wie gut sich seine Fälschungen auch nach seinem Tod noch verkaufen.“ So groß ist der Run auf „echte Kujaus“, dass die Galeristin heute mit Werken ihres Onkels, immer mit deren baldigem Ausverkauf rechnet.
Nun gibt es aber mittlerweile weitere Neuigkeiten bezüglich der Hitler-Tagebücher: Die britische Journalistin Gitta Sereny fand heraus, dass hinter den falschen Hitler-Tagebüchern des Stern sehr wahrscheinlich alte Nazis steckten. Deren ursprüngliche Idee war, sechs Hitler-Tagebücher an die Öffentlichkeit zu bringen, wobei das Interessante dabei ist, dass es tatsächlich ein echtes Hitler-Tagebuch gab. Sie beauftragten Konrad Kujau, aus diesem Hitler-Tagebuch insgesamt sechs Tagebücher zu machen. Mohnke und seine Partner schrieben auf Grundlage des echten Buchs unter anderem Dinge in diese Tagebücher hinein, die nur sie wissen konnten. Kujau allerdings hat schnell gemerkt, dass aus diesen Büchern enormes Kapital geschlagen werden konnte. Schon 1976 wurden einzelne Seiten und ganze Tagebücher, die Kujau hergestellt hatte, in den USA angeboten und verkauft, also schon Jahre vor dem Stern-Skandal. Daraufhin hat Kujau immer mehr Tagebücher produziert, am Ende waren es über 60. Der ehemalige SS-Mann Klapper, neben General Mohnke einer der vier Männer, hat mir gesagt: „Es ist wahr, wir haben das geplant, sechs Bücher.“ Diese sechs Bücher wollten sie von Anfang an veröffentlichen. Vielleicht auch schon beim Stern, sie wollten sie jedenfalls dort platzieren, wo sie am meisten „Gutes“ in ihrem Sinn bewirken konnten. Es war bekannt, dass Klapper und der ehemalige General Wilhelm Mohnke involviert waren, die anderen beiden konnte ich nicht mehr herausfinden, Kujau hat sie nicht verraten.
Mohnke kam aus einer alten Offiziersfamilie, er war ein Herr. Klapper war absolut kein Herr, er war ein Schuft. Er war natürlich extrem national eingestellt und er war ein ausgezeichneter Organisator. Das hat sich daran gezeigt, wie geschickt er den „Stern“-Reporter Heidemann in die Sache hereingebracht und mehr und mehr verwickelt hat, indem er ihm vollkommen irrsinnige Geschichten erzählt hat. Etwa, dass Martin Bormann noch lebe und er ein Treffen mit ihm organisieren könne. Klapper wusste genau, wenn er Heidemann und damit den Stern gewinnen würde, dann könnte er seine Version der Geschichte an ein sehr großes Publikum bringen.
Am 21. Oktober 1979 feierte Fritz Stiefel in seinem Stuttgarter Haus eine Party. Unter Stiefels Gästen waren Kujau sowie ein Paar namens Tiefenthäler. Jakob Tiefenthäler war SS-Angehöriger. Erstaunlicherweise arbeitete er als Leiter der audiovisuellen Schulung der amerikanischen Armee in Süddeutschland. Tiefenthäler durfte eines der Hitler-Tagebücher ansehen. Ein paar Tage nach der Geburtstagsfeier gab er die sensationelle Neuigkeit an Heidemann beim „Stern“ weiter. Heidemann fuhr prompt zu Stiefel. Er war überwältigt von dem, was er da zu sehen bekam: nicht nur das Tagebuch, sondern auch Stiefels Sammlung vermeintlicher Hitler-Gemälde.
Hier nun betritt eine sinistre Figur die Bildfläche. Ich will den Mann „X“ nennen. Wie Kujau stammt er aus Ostdeutschland; wie Kujau hat er sich in Baden-Württemberg niedergelassen. Wie Kujau bewegt er sich in der zwielichtigen Nazi-Welt. Unter dem linken Arm trägt er die Tätowierung der SS. Durch seine Position in der HIAG kennt er sämtliche überlebenden SS-Größen. Gerd Heidemann kannte X schon seit zehn Jahren. Er kam regelmäßig zu Besuch, verbrachte Wochenenden und Ferien an Bord der „Carin II“. Nach seinem Besuch bei Stiefel erzählte Heidemann X von dem Tagebuch, das er gesehen hatte.
Im Januar 1981 traf Heidemann mit Kujau zusammen und sagte ihm, der „Stern“ sei bereit, zwei Millionen für 27 Tagebücher zu zahlen. Einen Monat später kamen die ersten Exemplare „aus Ostdeutschland“. X weihte Heidemann nun in ein noch sensationelleres Geheimnis ein: Martin Bormann sei noch am Leben und halte sich in Spanien auf. Er, X, sei in ständiger Verbindung mit ihm. Er bot an, Bormann einzelne Seiten aus den Tagebüchern zur Prüfung ihrer Echtheit vorzulegen. Prompt berichtete er nach einer Weile, Bormann habe sie für echt erklärt. Und: „Martin möchte sich mit Ihnen treffen“. Heidemann glaubte, der erste Journalist der Welt zu sein, der Bormann interviewen würde. Doch Martin Bormann machte sich rar.
Auf sein Geheiß kaufte Heidemann Flugtickets für die verschiedensten Orte: nach Zürich, wo „Martin“ angeblich neben einer Synagoge wohnte, nach Spanien, wo „Martin“ Häuser besitze, nach Mexiko, wo „Martin“ eine deutsche Kolonie leite. Jedes Mal sagte X im letzten Moment ab. „Martin fühlt sich nicht wohl“, sagte er. Oder: „Uns wurde zugetragen, dass jemand Wind bekommen hat.“
Gegen Ende 1982 geschah etwas, was Heidemann davon überzeugte, dass Martin Bormann tatsächlich noch am Leben war und für ihn jeden Zweifel an der Echtheit der Hitler-Tagebücher ausräumte.
Beim „Stern“ in Hamburg war ein eigenes Büro für die kleine Gruppe eingerichtet worden, die an „Grüne Gewölbe“ arbeitete – dies war der Tarnname der Redaktion für das Projekt Hitler-Tagebücher. Das waren Thomas Walde, der Chef des Ressorts Zeitgeschichte, Leo Pesch, ein junger Journalist und studierter Historiker, und zwei Sekretärinnen. Monatlich gingen etwa drei Tagebücher ein.
Ende Dezember 1982 stießen sie auf einen Namen, den sie nirgends sonst finden konnten: Hauptsturmführer Anton Laackman. Ihn hatte Hitler angeblich mit der Überwachung seines Stellvertreters Heß betraut. Walde und Pesch baten Freunde im Bundesarchiv in Koblenz, für sie im Berlin Document Centre nach Unterlagen über Hauptsturmführer Laackman zu suchen.
Drei Wochen später bekamen sie dreißig fotokopierte Seiten aus Laackmans Personalakte. Das war an sich schon eindrucksvoll genug; noch überzeugender aber war, was Heidemann СКАЧАТЬ