Название: Der Mann im Mond
Автор: Вильгельм Гауф
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754183106
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Mit dieser Präzision war also auch heute die Tafel serviert worden; der Nachtisch war aufgetragen, die schweren Sorten als da sind Laubenheimer, Nierensteiner, Markebrunner, Hochheimer, Volnay, feiner Nuits, Chambertin, beste Sorte von Bordeaux, Roussillon wurden weggenommen und der zungenbelebende Champagner aufgesetzt. Hatte schon der aromatische Rheinwein die Zungen gelöst und das schwärzliche Rot des Burgunders den Liliensamt der jungfräulichen Wangen und die Nasen der Herren gerötet, so war es jetzt, als die Pfropfe flogen und die Damen nicht wußten, wohin sie ihre Köpfe wenden sollten, um den schrecklichen Explosionen zu entgehen, als die Lilienkelche bis an den Rand mit milchweißem Gischt gefüllt, kredenzt wurden, wie auf einem Bazar im asiatischen Rußland, wo alle Nationen untereinander plappern und maulen, gurren und schnurren, zwitschern und näseln, plärren und jodeln, brummen und rasaunen; so schwirrte in betäubendem Gemurmel, Gesurre und Brausen in den höchsten Fisteltönen bis herab zum tiefsten, dreimalgestrichenen C der menschlichen Brust das Gespräch um die Tafel.
Das Urteil der Welt
Aber der größte Teil der Konversation wenigstens am untern Ende des Tisches galt Präsidents Ida. Dort gingen die zahnlosen Mäulchen der Tanten und Mütter wie oberschlächtige Mühlen, und die Posaunen-Seraphs-Gesichter der Töchter nickten ihren Konsens aus den kleinen Kalmuckenäugelein. Wie hatte doch das Mädchen vor Gott gesündigt und gefrevelt dadurch, daß es so wunderhübsch geworden war! Wäre sie zurückgekommen wie eine wilde Hummel, oder wie so manche, die man als Gagak in die Residenz schickt, um sie »Bildung und Blumenmachen« lernen zu lassen, und die als Gagak wiederkehrt, da hätte es geheißen, »An der ist Hopfen und Malz verloren, mich dauern nur die Eltern«. Jetzt, wo sie mit ihrem Tannenwuchs, mit ihrer unnachahmlichen Grazie bescheiden und doch voll so erhabener Würde hereintrat, das strahlende Diadem in den geschmackvoll geordneten Ringellocken und Löckchen, im feuersprühenden Auge Geist und Liebe, verschmolzen mit schuldloser, anspruchloser Natürlichkeit; die Wangen von Gesundheit gerötet, in den feinen Grübchen den kleinen, kleinen Schelm, den Mund so würzig, so kußlich, die aphroditische Schwanenbrust mit dem fürstlichen Schmuck, mit dem Pariser Hofkleid umschlossen – Nein! das Mädchen durfte nicht schön, durfte nicht unschuldig und tugendhaft sein. – »Hah, ha, ha, Frau Oberforstmeisterin!« lachte die Kammerdirektorin, ohne darauf zu achten, daß sie die acht unschuldigen Ohren ihrer erwachsenen Töchterlein beleidigen könnte, »tugendhaft? Wir kennen die Residenztugend noch aus unserer Zeit! Da müßten sich die Steine umgekehrt haben, die Garde-Ulanen-Rittmeister müßten ihre engschließende Uniform ausgezogen und die Herren Archidiakonen und Superintendenten um ihr ehrbares Kostüm ersucht haben, müßten in schwarzen Mäntlein, weißen Beffchen, kurzen Höschen und seidenen Wädchen, die Bibel unter dem Arm einhergehen, wenn man bei siebzehnjährigen Mädchen Tugend finden sollte in Sodum!«
»Wahrhaftig, Sie haben recht«, schnatterte es über die Tafel herüber, »und die gerühmte Schönheit? ist alles Lug und Trug, das kann man alles dort ums liebe Geld haben; meinen Sie denn, diese Locken dort, diese Zöpfe seien echt? Bewahre; man hat ja gesehen, was für Haar Mamsell Sausewind in die Residenz nahm; wo sind die gelben Zähne hingekommen? Meinen Sie etwa, ein so herrlicher Mund voll, wie jene hat, schiebe sich im sechzehnten, siebzehnten Jahre noch nach? Lauter Seehund, nichts als Seehund.«
»Ja, Frau Gevatterin«, unterbrach eine dritte, »und die handbreiten Brüssler Kanten, der Amethystschmuck, mit welchem man meinen Torweg pflastern könnte – von der Fürstin Romanow soll er sein? Ha, ha, ha, man hat auch seine Nachrichten; die Fürstin, Gott halte sie in Ehren, ist eine splendide Frau, auch reich, steinreich, gebe alles zu – aber so einem nasenweisen Kind, das kaum hinter den Ohren trocken ist, dieses Diadem, diese Ohrenringe, dieses Kollier, dieses Kreuz zu schenken – nein, dazu ist die Frau Fürstin Hoheit doch zu vernünftig. Haben Sie aber nie von ihrem Neffen, dem Prinzen Ferdinand gehört? soll ein splendider, artiger Herr sein, der Prinz, und wenn man nur gegen ihn gefällig ist, ist er es wohl auch wieder, ha, ha, ha –«
Und der ganze Zirkel lachte und stieß an auf den gefälligen splendiden Prinzen.
Nein wahrhaftig, es war nicht zum Aushalten; ein schönes, engelreines Geschöpf, voll Milde, Sanftmut und Mitleiden so schonungslos zu verdammen. Emil hatte in einer Fenstervertiefung, wo er sich hingestellt hatte, um die Tafel zu übersehen, alles mit angehört; er hätte mögen der Frau Gevatter den einzigen Zahn, den sie noch hatte, mit welchem sie aber nichtsdestoweniger den Ruf einer jungen Dame tapfer benagte, ein wenig einschlagen; er rückte, nur um die giftigen Bemerkungen nicht zu hören, um ein Fenster weiter hinauf. Aber hier kam er vom Regen in die Traufe. Frau von Schulderoff setzte dort ihrem Sohn, dem Dragonerlieutenant, weitläufig auseinander, daß er, um den gesunkenen Glanz ihres Hauses wieder auf den Strumpf zu bringen, notwendig eine gute, sehr gute Partie machen müsse, und dazu sei die Ida ganz wie gemacht.
Dem jungen Schulderoff, der neben dem gesunkenen Glanz seines Hauses bei Juden und Christen einige tausend Tälerchen mehr stehen hatte, als sein Gageabzug auf siebzig Jahre wahrscheinlicherweise aufwiegen konnte, schien mit dem Vorschlag ganz zufrieden; nur das wie wollte ihm nicht recht einleuchten.
Aber die gnädige Mama wußte Rat: »Erstens: recht oft mit ihr getanzt, namentlich im Kotillon recht oft geholt. Das heißt Attension beweisen, das Mädchen wird dann mit dir aufgezogen, sie wird aufmerksam auf dich. Zweitens: morgens zehn Uhr im kurzen Galopp am Haus vorbei; dort verlierst du im Staunen über sie die Reitpeitsche; du voltigierst ja so gut, hältst also nicht an, sondern herab vom Gaul, Peitsche ergriffen, wieder hinauf, ein Feuerblick dem Fräulein zugeworfen und davon im gestreckten Galopp.
Wenn nur ihr Herzchen aus Angst für dich einmal schneller pulsiert, dann hast du sie schon im Sack. Drittens: in einer schönen Nacht mit der ganzen Regimentsmusik vors Haus; einige mutige Stücke, einige zärtliche Arien aufgespielt und sie kommt hinter die Jalousien, darauf wette ich meinen ganzen Schmuck, der jetzt zufällig bei Levi ist. Einige Kameraden tun dir schon den Gefallen und gehen mit; sie rufen ›Schulderoff, Schulderoff, wo steckst du denn? ach siehe, der arme Junge weint‹. ›Ach laßt mich, tapfere Kameraden‹, antwortest du, ›mir ist so weh und so wohl in ihrer Nähe.‹ So kommt es in allen Ritterbüchern, wo der Adel noch allein liebte und die dummen Bürgerlichen noch kein Geld hatten.«
»Auf Ehre, Mama, Sie haben recht«, antwortete der Lieutenant und wichste sich den Schnurrbart; »sehen Sie, dann СКАЧАТЬ