Das Lächeln der Mona Lisa. Kurt Tucholsky
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Lächeln der Mona Lisa - Kurt Tucholsky страница 7

Название: Das Lächeln der Mona Lisa

Автор: Kurt Tucholsky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754182048

isbn:

СКАЧАТЬ Flex einer der ganz wenigen nationalen Literaten, die für ihre Idee im Kriege geradegestanden haben, gibt sanft Kritisches, das er für scharf hält. Popert, ein hamburgischer Richter, dessen sicherlich gute antialkoholische Absichten die Hamburger Arbeiter damit karikierten, daß sie in der Kneipe sagten: „Nu nehm wi noch ’n lütten Popert!“ (statt Köhm) – ist im politischen Leben eine feine Nummer und als Schriftsteller ein dicker Dilettant. Der Erfolg seines Buches basierte auf dem angenehmen Lustgefühl, das es in dem nicht inkorporierten Wandervogel wachrief, der nach solchen Schilderungen studentischen Lebens getrost sagen durfte: „Seht, wir Wilden sind doch bessere Menschen!“ Er hat mit seiner Sittenfibel so recht, daß man ihm nur wünschen möchte, er hätte es nicht: einer der nicht seltenen Fälle, in denen ein unsympathischer Anwalt eine sympathische Sache vertritt.

      Die „Briefe an einen Fuchsmajor“ sind nun kein Roman, sondern eine durchaus ernstgemeinte Anweisung, junge Füchse zu brauchbaren Burschen und damit zu Mitgliedern der herrschenden Kaste zu machen. Es ist wohl das Schlimmste, das jemals gegen die deutschen Korpsstudenten geschrieben worden ist.

      Daß das Heft die Mensur verteidigt und damit das Duell, braucht nicht gesagt zu werden. Nun halte ich das zwar für wenig schön, jedoch kann ich mir kluge, gebildete und anständige Männer denken, die in der Billigung dieser Einrichtung aufgezogen sind. Der „Alte Herr“ begründet seinen Standpunkt folgendermaßen:

       Wo Hunderte, gar Tausende von jungen, lebensfrohen, heißblütigen Männern eng und dicht nebeneinander leben, wie auf Universitäten, da kann es nie und nimmer stets und jederzeit friedlich zugehen; wollte da jeder wegen jedes kleinen und großen Wehwehchens zum Richter laufen, so gäb’s eine Atmosphäre der Angeberei, des Denunziantentums und aller ekelhaften Nebenerscheinungen, die nicht zum Aushalten wäre. Die üblichen Verbitterungen und Feindschaften brächten letzten Endes den Knüppelkomment, das Recht des rein körperlich Stärkeren, der zahlenmäßig Mächtigeren mit sich.

      Wem wäre das noch nicht in Paris, in Oxford and in deutschen Fabriken aufgefallen!

      Was es wirklich mit dem Waffenstudententum auf sich hat, das sagt uns der „Alte Herr“ besser, boshafter, radikaler, als ich es jemals zu tun vermöchte. Das hier ist zum Beispiel ein Argument für, nicht gegen das Duell:

       Mit verhimmelnder Begeisterung werden lange Feuilletonspalten, geduldige Broschüren und gar dickleibige Bücher gefüllt, wenn irgendein deutscher Intellektueller bei irgendeinem fernen Volksstamm, seien es Ostasiaten, Südseeinsulaner oder Buschmänner, irgendwelche Überreste alter Gebräuche, alter Traditionen entdeckt. Aber daß bei uns noch mitten im Alltagsleben eine derartige Tradition voll hoher und idealer Ziele lebendig ist –

      das zeigt allerdings, aus welcher Zeit sie stammt: aus der Steinzeit. Nur sehen die Schmucknarben der Maori hübscher aus als die zerhackten Fressen der deutschen Juristen und Mediziner.

      Es ist selten, daß man so tief in das Wesen dieser Kaste hineinblicken kann, wie hier. In den Korpszeitungen geben sie sich offiziell; manchmal rutscht zwar das Bekenntnis einer schönen Seele heraus, aber es ist doch sehr viel Vereinsmeierei dabei, sehr viel nationale und völkische Politik, Wut gegen die Republik, die die Krippen bedrohen könnte und es leider nicht tut – kurz: jener Unfug, mit dem sich die jungen Herren an Stelle ihres Studiums beschäftigen. Hier aber liegt der Nerv klar zutage.

      Man bedenke, was diese Knaben einmal werden, und ermesse daran die Theorie von der Gruppenehre:

       Wenn Herr Wilhelm Müller schlaksig mit den Händen in der Hosentasche, Zigarette im Mund, mit einer Dame spricht, interessiert das keinen, wenn aber ein Fuchs von Guestphaliae dasselbe tut, so ist für alle, die das sehen, Guestphalia eine Horde ungezogner Rüpel.

      Wie da das Motiv zum anständigen Betragen in die Gruppe verlegt wird; wie das Einzelwesen verschwindet, überhaupt nicht mehr da ist; wie da eine Fahne hochgehalten wird – wie unsicher muß so ein Einzelorganismus sein! Das sind noch genau die Vorstellungen von „Ritterehre“, über die sich schon der alte, ewig junge Schopenhauer lustig gemacht hat. Noch heute liegt diese Ehre immer bei den andern.

       Wenn ohne Widerspruch erzählt werden kann, daß ein Waffenstudent oder gar einige Vertreter des Korporationslebens beschimpft oder verprügelt worden sind, so bleibt damit ein Fleck auf der Ehre des einzelnen und des Bundes.

      Nach diesem Aberglauben kann also die Gruppe ihre Ehre nicht nur verlieren, indem sie schimpfliche Handlungen begeht, sondern vor allem einmal durch das Handeln andrer Leute. Diese Ehre hats nicht leicht.

       Die Ehre des Bundes steht bei jedem Gang der Mensur auf dem Spiel.

      Dahin gehört sie auch. Der Kulturdichter Binding hat in seinen wenig lesenswerten Memoiren über die Korporationen mit jenem gutmütigen Spott des Liberalen geschmunzelt, der älteren Herren so wohl ansteht: billigend, mit einer leichten Rückversicherung der Ironie fürs Geistige, und überhaupt fein heraus. Gefochten muß sein.

      Gesoffen aber auch. Dieser Satz ist nicht von Heinrich Mann:

       Ich schrieb einmal früher: Das Kommando „Rest weg“ muß über der Kneipe schweben wie das „Knie beugt“ über dem Kasernenhof.

      In der Praxis sieht das dann so aus:

       Unser gemeinsamer Freund R., der schon mehrere Semester herzkrank und schwer nervös studierte, wurde, eine unscheinbare, wenig repräsentative Erscheinung, nur auf Grund sehr dringlicher Empfehlungen aufgenommen, er fand Freunde und Kameraden im Bund, die ihn richtig leiteten, so daß er körperlich und geistig gesundend aufblühte, seine Mensuren focht, rezipiert und später sogar Chargierter werden konnte. Er hatte auf seiner Rezeptionskneipe, obwohl er sonst vom regulären Trinken wegen seiner schwächlichen Gesundheit dispensiert war, sehr kräftig seinen Mann gestanden. Bis in tiefster Nachtstunde hielt er sich in jeder Hinsicht so tadellos aufrecht, daß niemand ihm den schweren Grad seiner bereits herrschenden Trunkenheit anmerkte. Ich sehe noch den gespannten Blick, als gegen Morgen der letzte fremde Gast die Kneipe verließ. Im Augenblick, als die Tür zuging und mithin nur wir unter uns waren, brach er bewußtlos zusammen … In ihm müssen wir das Musterbeispiel eines Menschen verehren, der in jeder Hinsicht den Sinn der waffenstudentischen Erziehung verstanden hatte.

      Stets habe ich mich gewundert, warum die Engländer keine Erfolge in ihrer Politik aufzuweisen haben; warum es mit Briand nichts ist; was an Goethe und Wilhelm Raabe und Tolstoi und Liebknecht eigentlich fehlt. Jetzt weiß ich es.

      Die Luft, in der sich diese Erziehung abspielt, ist schwerer Gerüche voll. Man erfinde so etwas: Füchse haben, entgegen einem Verbot, nach der Kneipe noch ein Lokal aufgesucht. Da können sie von einem Angehörigen andrer Korporationen gesehen werden. Was wird der nun denken –?

       Wie leicht wird er bei einer gelegentlichen Frage über den Bund einmal äußern: „Fuchserziehung scheint nicht sehr straff zu sein.“

      Hört ihr den Tonfall dieser Stimme –?

      Die Sexualfrage wird unauffällig gelöst:

       Soweit er es mit seinen früher schon besprochenen Pflichten als Aktiver unauffällig vereinbaren kann, ist dies letzten Endes Privatangelegenheit jedes einzelnen. Wenn wir auch den Grundsatz festhalten, daß ein ausschweifend vergnügtes Leben in sexueller Hinsicht, eben was wir burschikos als „Weiberbetrieb“ zu bezeichnen pflegen, mit der Aktivität unvereinbar ist, so haben wir andrerseits keinesfalls mit unsrer Rezeption ein Keuschheitsgelübde abgelegt.