Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887. Edward Bellamy
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887 - Edward Bellamy страница 8

Название: Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887

Автор: Edward Bellamy

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754183113

isbn:

СКАЧАТЬ sein, als an diesem Abende. Ich will natürlich nicht sagen, dass das Bewusstsein meiner staunenerregenden Lage mich auch nur einen Augenblick verlassen hätte, aber die Hauptwirkung desselben war eine fieberhafte Aufregung, eine Art geistigen Rausches.

      Edith beteiligte sich nur wenig an der Unterhaltung, aber wenn hie und da der Magnetismus ihrer Schönheit meine Blicke auf ihr Gesicht zog, fand ich ihre Augen mit tiefer Intensität, fast wie Begeisterung auf mich gerichtet. Es war klar, dass ich ihr Interesse in ungewöhnlichem Grade erregt hatte, was bei einem Mädchen mit Phantasie nicht zu verwundern war. Obgleich ich vermutete, Neugier sei der Hauptgrund ihres Interesses, so musste es doch Eindruck auf mich machen, selbst wenn sie weniger schön gewesen wäre.

      Dr. Leete und seine Damen schienen sich sehr für meinen Bericht über die Umstände zu interessieren, unter denen ich in dem unterirdischen Raume eingeschlafen war. Alle sprachen Vermutungen darüber aus, wie es gekommen sein könnte, dass ich dort vergessen wurde, und die Theorie, zu der wir schließlich uns einigten, bot wenigstens eine plausible Erklärung, obgleich wir natürlich niemals wissen werden, ob es die richtige ist. Die Lage von Asche, welche oberhalb der Kammer gefunden worden war, ließ vermuten, dass das Haus niedergebrannt war. Wir wollen annehmen, dass das Feuer in der Nacht, in welcher ich einschlief, ausgebrochen sei. Es bleibt nur noch die Vermutung, dass Sawyer irgendwie bei dem Brande umgekommen wäre, und alles Übrige folgt ganz natürlich. Niemand als er und Dr. Pillsbury wussten von der Existenz der Kammer und meiner Anwesenheit darin, und Dr. Pillsbury, der in jener Nacht nach New Orleans gegangen war, hatte wahrscheinlich nie etwas von dem Brande gehört. Meine Freunde und das Publikum müssen geglaubt haben, ich sei in den Flammen umgekommen. Nur eine gründliche Ausgrabung der Ruinen hätte zur Entdeckung meiner Kammer führen können. Natürlich wenn die Brandstelle sofort wieder bebaut worden wäre, würde eine Ausgrabung notwendig gewesen sein, aber die unruhigen Zeiten und die ungünstige Örtlichkeit werden einen Neubau verhindert haben. Die Größe der Bäume in dem Garten, der jetzt an der Stelle war, ließ nach Dr. Leetes Angabe vermuten, dass sie über ein halbes Jahrhundert offenes Land gewesen sei.

      Fünftes Kapitel

      Als im Verlaufe des Abends die Damen sich zurückgezogen und mich mit Dr. Leete allein gelassen hatten, horchte er mich über mein Bedürfnis nach Schlaf aus und sagte, wenn ich schläfrig wäre, mein Bett sei bereit; aber wenn ich noch munter bleiben wollte, so würde er mir mit Vergnügen Gesellschaft leisten. »Ich gehe spät zu Bett«, sagte er, »und ohne Ihnen schmeicheln zu wollen, kann ich mir keinen interessanteren Gesellschafter als Sie denken. Man hat nicht oft Gelegenheit, sich mit einem Manne aus dem 19. Jahrhundert zu unterhalten.«

      Ich hatte nun den ganzen Abend mit Schrecken an die Stunde gedacht, wo ich allein sein würde. Von diesen so sehr freundlichen Fremden umgeben, angeregt und unterstützt von ihrem sympathischen Interesse, war es mir möglich gewesen, im Gleichgewicht zu bleiben. Aber sogar in den Pausen, welche die Unterhaltung mit sich brachte, befiel mich wie ein Blitz das schreckliche Gefühl des Fremdseins, das mir ins Gesicht starren würde, wenn ich keine Zerstreuung mehr hatte. Ich wusste, ich würde diese Nacht nicht schlafen können und es wird mir niemand Feigheit vorwerfen, wenn ich gestehe, dass ich mich fürchtete, mit meinen Gedanken wachzuliegen. Als ich dies meinem Wirte als Antwort auf seine Frage offen sagte, meinte er, es würde auffallend sein, wenn es anders wäre, aber ich brauchte keine Sorge zu haben wegen des Schlafes, wenn ich zu Bette zu gehen wünschte, würde er mir ein Pülverchen geben, das mir unfehlbar einen gesunden Schlaf verschaffen würde. Morgen früh würde ich dann wie ein alter Bürger von Boston aufwachen.

      »Ehe ich das kann«, entgegnete ich, »muss ich erst etwas mehr über das Boston wissen, in das ich zurückgekehrt bin. Sie sagten mir vorhin, es hätten sich, obwohl seit meinem Einschlafen ein Jahrhundert vergangen sei, in demselben doch mehr Veränderungen in den Zuständen der Menschheit ereignet, als sonst in einem Jahrtausend. Mit der Stadt zu meinen Füßen konnte ich das wohl glauben, aber ich möchte gern etwas Näheres über die Art dieser Veränderungen erfahren. Um irgendwo anzufangen, denn der Gegenstand ist ein umfassender, so möchte ich fragen, haben Sie eine Lösung für die Arbeiterfrage gefunden und welche? Sie war das Rätsel der Sphinx im 19. Jahrhundert, und als ich abtrat, drohte die Sphinx die Gesellschaft zu verschlingen, da keine Antwort gegeben wurde. Es lohnt sich recht wohl hundert Jahre zu schlafen, um die richtige Antwort zu erfahren, wenn Sie dieselbe gefunden haben.«

      »Da wir heutzutage so etwas wie die Arbeiterfrage nicht kennen«, antwortete Dr. Leete, »und ich nicht weiß, auf welche Weise sie auftauchen könnte, so vermute ich, dürften wir uns rühmen, sie gelöst zu haben. In der Tat hätte die Gesellschaft verdient, verschlungen zu werden, wenn es ihr nicht gelungen wäre, ein so einfaches Rätsel zu lösen. Die Gesellschaft brauchte ja das Rätsel gar nicht zu lösen; es löste sich sozusagen selbst. Die Lösung kam als das Resultat eines Prozesses von gewerblicher Evolution, der gar nicht anders enden konnte. Alles, was die Gesellschaft zu tun hatte, war, diese Entwicklung anzuerkennen und mit ihr zu kooperieren, als ihre Tendenz unverkennbar geworden war.«

      »Zu der Zeit, als ich einschlief«, sagte ich, »hatte man meines Wissens noch nichts von einer solchen Evolution wahrgenommen.«

      »Ich denke Sie sagten, Sie seien 1887 eingeschlafen.«

      »Ja, am 30. Mai 1887.«

      Der Doktor sah mich ein paar Augenblicke gedankenvoll an, dann sagte er: »Und Sie sagen mir, selbst damals habe man noch nicht die Natur der Krisis erkannt, welcher die Gesellschaft zusteuerte? Ich bezweifle natürlich Ihre Angabe nicht; die sonderbare Blindheit Ihrer Zeitgenossen für die Zeichen der Zeit ist eine Erscheinung, von welcher viele unserer Geschichtsschreiber sprechen, aber für uns ist nichts so schwer zu verstehen als dies, da, wenn wir zurückblicken, die Anzeigen einer bevorstehenden Umgestaltung so klar und unverkennbar waren, dass sie Ihren Blicken nicht entgehen konnten. Es würde mich interessieren, Herr West, wenn Sie mir einen etwas bestimmteren Begriff von der Anschauung geben wollten, welche Sie und Männer Ihres Bildungsgrades von dem Zustande und den Aussichten der Gesellschaft im Jahre 1887 hatten. Sie müssen doch wenigstens gesehen haben, dass die weit verbreiteten gewerblichen und sozialen Störungen, sowie die dahintersteckende Unzufriedenheit aller Klassen mit den Ungleichheiten der Gesellschaft, Vorboten großer Veränderungen irgendwelcher Art waren.«

      »Das haben wir allerdings klar genug gesehen«, erwiderte ich. »Wir fühlten, dass die Gesellschaft keinen Ankergrund mehr hatte und in Gefahr war, ein Spiel der Wellen zu werden. Wohin sie treiben würde, konnte niemand sagen, aber alle fürchteten die Klippen.«

      »Und dennoch«, sagte Dr. Leete, »die Richtung der Strömung war völlig sichtbar, wenn Sie sich nur Mühe gegeben hätten, sie zu beobachten, und sie führte nicht nach den Klippen, sondern in tieferes Fahrwasser.«

      »Ich kann nur sagen«, erwiderte ich, »dass, als ich in den langen Schlaf fiel, die Aussichten derart waren, dass ich mich nicht gewundert haben würde, wenn ich heute von Ihrem Dache aus auf einen Haufen verkohlter und mit Moos bedeckter Ruinen, anstatt auf diese herrliche Stadt geblickt hätte.«

      Dr. Leete hatte mir aufmerksam zugehört und nickte gedankenvoll, als ich schwieg. »Was Sie gesagt haben«, bemerkte er, »wird als eine wertvolle Rechtfertigung »Steriots« angesehen werden können, dessen Bericht von Ihrer Zeit allgemein für übertrieben gilt, wenn er die geistige Düsterkeit und Zerfahrenheit der Menschen schildert. Dass eine solche Übergangsperiode voll Aufregung und Erschütterung war, konnte man erwarten, aber wenn man sieht, nach einem wie klaren Ziele die wirkenden Kräfte strebten, so sollte man glauben, dass eher Hoffnung als Furcht die Geister beherrscht hätte.«

      »Sie haben mir noch nicht die Auflösung des Rätsels gegeben, die Sie fanden«, sagte ich. »Ich möchte gerne wissen, wie ein Friede und Wohlstand, dessen Sie sich jetzt zu erfreuen scheinen, das Resultat einer Zeit wie der meinigen sein kann.«

      »Entschuldigen СКАЧАТЬ