Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783754181898
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Handelsrouten der Hanse
Die Lübecker hatten zuviel kluge Selbstbeherrschung und legten zuviel Wert auf das Wesen der Dinge, um den Schein der Herrschaft zu beanspruchen. Einmal in ihren Anfängen fand ein merkwürdiges, alleinstehendes Ereignis statt, als Lübeck Stralsund überfiel und verheerte, angeblich weil es die Dänen unterstützte, wahrscheinlich aus Eifersucht auf die aufblühende Nebenbuhlerin. Ein derartig ungeregelter Ausbruch kam nicht wieder vor; die Lübecker begriffen den Vorteil der Vereinigung gleichartiger Kräfte und Interessen zu gemeinsamem Handeln. Sie verschmähten es, vom Ausland nur sie begünstigende Privilegien zu erhalten, setzten vielmehr durch, dass alle berücksichtigt wurden. Weil sich alle gut bei Lübecks tatkräftiger und kluger Leitung standen, darum ließen sie sie zu, stillschweigende Huldigung überlegener Tauglichkeit. Wenn die Hanse auch nur durch die Mitwirkung vieler sich bilden und erhalten konnte, so hat doch Lübeck, das anerkannte Haupt, ihr das Antlitz gegeben. Wenn wir an die Hanse denken, sehen wir wesentlich Lübecks Gesicht. Das hatte auch seinen greifbaren Grund darin, dass viele Hansestädte lübisches Recht hatten, das Recht also, das sich in Lübeck entwickelt hatte und dort aufgezeichnet worden war. Lübeck selbst übernahm das Recht der westfälischen Stadt Soest. Von jeher stand Lübeck im Ruf, streng zu sein und das Recht für hoch und nieder gleichzumessen.
In allen gemeinsam von der Hanse geführten Kriegen waren lübische Bürgermeister oder Ratsherren Anführer, wie auch Lübeck die meisten Schiffe stellte; eine ungeheure Verantwortung. Im Jahr 1362 erlitt die hansische Flotte im Krieg mit Dänemark nach anfänglichen Erfolgen eine Niederlage, die der Bürgermeister von Lübeck, Johann Wittenberg, verschuldet haben sollte.
Der Sage nach bot König Waldemar IV. der feindlichen Flotte, die, nachdem sie Bornholm erobert hatte, vor Kopenhagen lag, einen Waffenstillstand an und lud die Hauptleute zu einer Festlichkeit aufs Schloss. Johann Wittenberg, als Admiral besonders ausgezeichnet, habe die Königin zum Tanz aufgefordert, sie aber erwidert, es zieme sich nicht für sie, mit dem Anführer ihrer Feinde zu tanzen, außer wenn er ihr ein besonderes Zeichen seiner Freundschaft gebe. Auf eine Frage, was für ein Zeichen das sein solle, habe sie gesagt: „Bornholm.“ Von ihrem Reiz hingerissen, habe er ihr das Gewünschte zugesagt und die ganze Nacht mit ihr getanzt. Die hansischen Herren hätten, das Paar beobachtend, untereinander geflüstert: „Dar danßt Bornholm hen.“ Wittenberg wurde in Stralsund verhört und schuldig befunden; doch waren die Herren von der Hanse behutsam genug, die Entscheidung Lübeck anheimzustellen. Lübeck erwiderte die feine Geste mit der Enthauptung seines Bürgermeisters „wegen des zu Stralsund gefassten Beschlusses“, wie es hieß, „und wegen anderer Sachen, die noch besonders gegen ihn vorliegen“.
Johann Wittenborg (* um 1321 in Lübeck; † zwischen dem 15. August und dem 21. September 1363 ebenda) war ein Kaufmann und Bürgermeister der Hansestadt Lübeck
Aus den eingezogenen Gütern des Hingerichteten, so erzählt wieder die Sage, habe der Rat einen großen silbernen Becher anfertigen und darauf die Worte eingraben lassen: Dar danßt Bornholm hen; bei den jährlich zweimal stattfindenden Ratsfesten habe der Bürgermeister daraus seinen Hippokras trinken müssen. Diese derbe Mischung von Spaß und Grausamkeit ist indessen nicht eigentlich lübische Art. Hundert Jahre später kam es in einem Seekrieg gegen Dänemark noch einmal vor, dass ein Lübecker Bürgermeister, es war Tidemann Steen, eine folgenschwere Niederlage verschuldete; er wurde mit Gefängnis bestraft, das nach mehreren Jahren in lebenslänglichen Hausarrest gemildert wurde.
Die Justiz des Mittelalters war rasch und hart und war es in den Städten besonders gegen alles, was geeignet war, die herrschende Stellung des Rats zu untergraben oder gar zu stürzen. Das war berechtigt, solange die Regierung so umsichtig, so unbedenklich Kraft und Leben einsetzend, das Gemeinwesen durch die von allen Seiten drohenden Gefahren steuerte und sich dabei mit der Bürgerschaft im Einvernehmen wusste, wie das jahrhundertelang der Fall war. Lübecks Ratsherren und Bürgermeister waren zugleich Feldherren zu Wasser und zu Lande, Verwalter, Diplomaten und Gesandte; viele von ihnen waren dauernd auf Reisen an verschiedene Höfe oder zu verbündeten Städten, um Verwicklungen zu lösen, um Kriegen vorzubeugen oder andere wichtige Aufgaben auszuführen. Solche Reisen hatten wenig mit Vergnügen zu tun, sie waren ebenso beschwerlich wie gefährlich, Kriegszügen durch feindliches Land vergleichbar, und wenn der Abgeordnete für Erfolge belohnt wurde, trug er auch persönlich die Verantwortung für etwaiges Missglücken.
An Feinden fehlte es keiner Stadt: Lübeck hatte viele und sehr mächtige, besonders an den skandinavischen Reichen. Als stärkster Nachbar stand Dänemark immerwährend drohend auf der Schwelle und siegte in dem vielhundertjährigen Ringen mehrmals. Alle die angrenzenden Länder waren für die Seestädte des Reichs Absatzgebiete, und es kam nicht nur darauf an, sich ihrer zu erwehren, sondern Handelsbeziehungen mit ihnen zu erlangen und in Frieden mit ihnen zu bleiben. Lübeck, an der Spitze der Hanse, erreichte das, die Waffe in der Hand, Roggen, Schniggen und Schuten im Hafen, Waren im Speicher und das überredende Wort auf den Lippen. Lange Zeit beherrschte der hansische Kaufmann die Märkte von Dänemark, Schweden, Norwegen, England, Russland. Innerhalb des Reiches musste Lübeck vor den Herzögen von Mecklenburg, vor den Herzögen von Pommern, den Grafen von Schwerin und von Holstein, vor den brandenburgischen, den sächsischen und den braunschweigischen Fürsten auf der Hut sein. Wenn diese den Städten vom Kaiser als Schirmherr gesetzt wurden, war die Gefahr besondere groß, weil die sich als Hirten einschlichen, oft plötzlich den Wolf hervorkehrten. Dazu kam die dauernde Belästigung durch die holsteinischen Ritter, die mit Hilfe der Fürsten bekämpft werden konnten, während gegen die Fürsten manche Tohopesate mit befreundeten Städten geschlossen wurde.
Die „Vruntlike tohopesate“ ist als ein Netzwerk norddeutscher Darsteller und Gruppen spätmittelalterlichen Alltagslebens und Handwerks. Der Name bezieht sich auf die Bündnisse der 2. Hälfte des 15. Jh. die fast alle Städte des Nordens, Nordostens und -westens des ma. Heiligen Römischen Reiches einbezogen. Da die überwiegende Mehrheit der norddeutschen Einzeldarsteller und -gruppen als zeitlichen Rahmen ihrer Darstellung das Spätmittelalter – 14. und 15. Jh. – gewählt haben und schwerpunktmäßig städtisches Leben darstellen, lag die Idee nahe, die alten Bündnisse von 1384, 1407, 1476 und 1482 „wieder zu beleben“. Die Städtebündnisse waren geographisch so weit gefasst, dass sich alle Gruppen und Einzeldarsteller von Schleswig bis Köln und von Holland bis ins Baltikum davon angesprochen fühlen dürfen. Wie es im 14. und 15. Jh. zu diesem weitreichenden zeitlich befristeten Bündnissystem kam, was es bedeutete und welche Städte involviert waren wird im Folgenden beschrieben. Die Tohopesaten waren eine typisch norddeutsche Ausprägung der mittelalterlichen Städtebünde. Das mittelniederdeutsche Tohopesate setzt sich zusammen aus tohope = „Zusammen“ und dem sate = Vergleich, Vertrag und bedeutet „Bündnis“. Immer wieder findet sich auch die Formulierung vruntlike tohopesate. Mit dem Zusatz vruntlike/fruntlike bedeutet es im wörtlichen Sinne „freundliches Bündnis“, sinngemäß auch als „gutes Einvernehmen“ zu verstehen.
http://www.reichsaufgebot.de/vergangene-veranstaltungen/soest/tohopesate/
Deren Eifersucht oder Trägheit oder Willkür wirksam zu begegnen, dazu gehörte eine Klugheit und Festigkeit, wie sie keiner Stadt wie Lübeck eigen war. Das Fließende der Lebensformen ist für das Mittelalter überall charakteristisch; doch staunt man immer wieder, dass es möglich war, über siebzig Glieder der Hanse Jahrhunderte hindurch in einer Verbindung und einmütiger Tätigkeit zu erhalten ohne geschworenen Vertrag, ohne Gesetzeszwang, nur durch Freundschaft, welche auf gleichen Lebensbedingungen und gemeinsamer Erinnerung an gemeinsamen Kampf und Ruhm СКАЧАТЬ