Название: Die verbotenen Bücher
Автор: Roger Reyab
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: Die verbotenen Bücher
isbn: 9783754173251
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Was nun, dachte man sich. Die Griechen wollen weiter am Euro teilhaben aber nicht mehr sparen. Das ist schlecht.
Dann passierte ein Wunder des Merkelanismus.
Die alternativlose Politik der Rettungsschirme und des Gelddruckens war auf einmal gar nicht mehr alternativlos. Man begann, zunächst ganz heimlich, darüber zu spekulieren, ob man jetzt ohne die Griechen den Euro behalten kann.
Die noch gestern undenkbare Alternative. rückte mehr und mehr in den Vordergrund.
Es bleibt abzuwarten, welchen Kurs, der Merkelanismus in Zukunft nehmen wird. Man kann sich aber sicher sein, dass Überraschungen vorprogrammiert sind. Realpolitik ist das Gegenteil von Katechismus. Realpolitik ist das flexible Handeln nach Ereignissen. Also eine Art Reaktion, aber keine Aktion. Der Realpolitiker ist ein Reagierender und kein Regierender. Man merke sich das.
Pegida
In den Medien ist man sich einig. Die PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) ist das definitive Schreckgespenst einer unheimlichen Bewegung.
Die Medien übertrumpfen sich in Zahlenschlachten, die Demonstrantenzahlen aufrechnen und wie in einem Fußballspiel gegenüberstellen.
25 000 Demonstranten in Dresden, 5000 dagegen. 5000 hier, 10 000 da. 500 hier, 3000 da. Dann wird das Ganze zusammengerechnet und erleichtert festgestellt, dass die „anständigen“ Bürger doch vernünftig sind, und, da in der rechnerischen Mehrheit, folglich auch im Recht. Die Qualitätsmedien lassen massenhaft Experten auftreten, die man kennt oder nicht kennt, die aber allesamt wortreich belegen, dass die PEGIDA eine Art moderne Geisteskrankheit ist, der mehr und mehr BürgerInnen verfallen.
Politiker versinken in reflexartige Abwehrhaltung und bezeichnen die Demonstranten als „Rattenfänger“, „Neonazis“, „Wutbürger“ und ängstliche Neurotiker. Das Phänomen ist der Republik, glaubt man den Medien, absolut unverständlich.
Wie eine Art Virus scheinen sich da aus der Art geschlagene und politisch fehlgeleitete Wirrköpfe zu einer Massenbewegung zu organisieren.
Als die Qualitätsmedien merkten, dass die Mehrheit der PEGIDA-Anhänger nur ungern mit denselben spricht, wurde das Misstrauen noch größer. Das schien in der Tat auch relativ neu. Während man sonst zu jeder auch noch so unsinnigen Quizfrage jede Bürgerin und jeden Bürger der ganzen Nation als Trottel vorführen konnte, ohne, dass die so gescholtenen Bürger sich ernsthaft wehrten, sind hier auf einmal Menschen auf der Straße, die gar keine Lust dazu haben, sich den tendenziellen Fragen der Medien zu stellen. Dies stellte die Medien dann vor das Problem, dass man nicht auf das traditionelle Mittel zurückgreifen konnte, das darin besteht, sich einige besonders dumme Menschen herauszugreifen, sie dann systematisch bloßzustellen, und sie dann als typische Mitglieder der Dummbatzbewegung der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Als die Strategie der Betreiber der PEGIDA, oder von wem auch immer, dann aber aufging, und die Journalisten ratlos vor den Menschenmassen standen, die mit ihnen gar nicht mehr redeten, schossen Mutmaßungen ins Kraut.
Zunächst spekulierte man auf einen kriminellen Hintergrund der Organisatoren. Dann auf einen Zusammenhang mit rechten Organisationen. Von Beginn der Montagsdemonstrationen an, wurde immer der Verdacht oder die Vermutung geäußert, dass es sich bei diesen Demonstrationen um Ausbrüche von Fremdenfeindlichkeit, niedersten Instinkten und Intoleranz handelt. Man wurde nicht müde, immer wieder zu betonen, wie unanständig die PEGIDA das Ansehen der Republik schädigt. Die bundesdeutschen Politiker waren besonders in einer Frage irritiert, die ihnen es nicht ganz so leicht zu machen schien, die ganze Bewegung gänzlich zu ignorieren. Man musste leider konstatieren, dass die Mehrheit der PEGIDA nicht aus Glatzen besteht, die sich hier ein Forum der parteiinternen Öffentlichkeitsarbeit errichteten, sondern dass die Mehrheit der Demonstranten aus relativ „normalen“ und nicht bildungsfernen Schichten und Berufen stammen.
Während die Medien jeden Tag seit Jahren nutzen, um immer wieder den Mut der Dresdener im Kampf, um die Freiheit der ehemaligen DDR zu betonen, schienen nun die gleichen Dresdener auf die völlig abwegige Idee gekommen zu sein, dass diese erkämpfte Freiheit nun abermals zu verteidigen ist. Diesmal aber nicht in der DDR, sondern in der freien BRD.
Wie vor den Kopf geschlagen, sahen sich die Qualitätsmedien der Bundesrepublik im Fokus einer Freiheitsdebatte, die sie nicht verstanden.
Die Freiheit der Republik ist doch selbstverständlich. Was wollen diese Menschen dann? Die Bundesrepublik ist doch das Gegenteil der DDR. Was wollen diese Menschen nur?
Als die Zahlen der Demonstranten aber kontinuierlich zunahmen, wurden auch die Reaktionen schärfer. Die Medien fühlten sich nun gemüßigt, alle in das gleiche Horn zu blasen.
Es gab und gibt keinen Sender, der über die PEGIDA reden kann, da die Protagonisten mit den Medien nicht reden. Das war einerseits auch gut, weil man dann umso mehr Menschen präsentieren kann, die alle der Meinung sind, dass die Demonstranten der PEGIDA fehlgeleitete Sensibelchen sind, die eine diffuse Angst vor etwas empfinden, das gar nicht existiert.
In der Psychologie würde man das irrational nennen. Zehntausende von Bürgern ziehen sich jeden Montag einen Mantel an, frieren in der Kälte des Winters, um sich einer Orgie der massenhaften eingebildeten irrationalen Panikattacke auszuliefern. Eine kollektive Panikattacke. Meinen die Medien.
Irgendwann ist den Qualitätsjournalisten dann aber auch aufgefallen, dass diese Strategie etwas kompliziert für die Mehrheit der Bundesbürger ist, und das dies auch nicht sehr plausibel zu vermitteln ist. Denn die Mehrheit der Bürger versteht nicht viel von Psychologie. Man musste also umsatteln.
Die Medien versuchten dann, wie immer an einem gemeinsamen unauflöslichen Strang ziehend, die Motive der Neurotiker einer Analyse zu unterziehen. Da sie niemals mit den Demonstranten geredet haben, konnten sie sich da aber nur auf das verlassen, was man vermuten konnte. Sie standen also staunend vor den tausenden Menschen und ließen sich kryptische Dinge einfallen.
Vielleicht sind diese Menschen geisteskrank? Wenn man Freiheit nicht erkennt, dann muss man doch gestört sein. Das war ein Ansatz. (In der DDR wurden, nur der Vollständigkeit halber erwähnt, politisch nicht genehme Menschen, oft als geisteskrank dargestellt).
Der islamkritische PEGIDA-Anhänger steht in einem merkwürdigen Widerspruch. Während die gesamte westliche Hemisphäre im Irak und in Syrien, in Afghanistan und in anderen Ländern den Dschihad bekämpft, darf man als Demonstrant das aber nicht öffentlich kundtun.
Denn die Dschihadisten sind nicht der Islam. Das kann auch nur jeder bestätigen. Wenn die Dschihadisten der Islam wären, dann gäbe es keine ruhige Minute mehr in Deutschlands Innenstädten. Also muss man da differenzieren. Es nimmt dann nur Wunder, dass man bei den PEGIDA-Anhängern nicht differenzieren darf. Denn jeder, der da mitmarschiert, ist ein Rassist. Ein Nazi. Ein Rattenfänger, oder zumindest einer, der sich hat fangen lassen.
Jeder, der bei der PEGIDA dabei ist, muss ein Feind der Demokratie sein. Da der Islam aber jeden Tag stundenlang als Auslöser für fundamentalistische Entartungen herhalten muss, entsteht eine Schizophrenie in der Bevölkerung. Man weiß nicht mehr wofür, oder wogegen man sein darf. Also der Islam ist nicht der Dschihad. Aber die PEGIDA ist Nazi. Nun ist das alles nicht so leicht.
Vielleicht fragt sich manchmal ein Mensch, der an den PEGIDA-Demonstrationen teilnimmt, warum denn dann der Westen so viele Soldaten geschickt hat, die auch gegen den Dschihad sind. Das ist der Demonstrant der PEGIDA doch auch. Oder ist es vielleicht СКАЧАТЬ