Название: Der Frauenkrieg
Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754184998
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Nanon war von Agen. Der Herzog von Epernon, der Sohn des unzertrennlichen Freundes von Heinrich IV., hatte, zum Gouverneur der Guienne ernannt, wo sein hochmütiges Wesen, seine Anmaßungen und seine Erpressungen ihn allgemein verhaßt machten, dieses unbedeutende Bürgermädchen, die Tochter eines einfachen Advokaten, ausgezeichnet. Er machte, ihr den Hof und siegte mit großer Mühe und nach einer Verteidigung, die mit der Geschicklichkeit eines großen Taktikers ausgehalten wurde, der seinen Sieger den Preis des Sieges fühlen lassen will. Aber als Lösegeld für ihren nun verlorenen Ruf beraubte Nanon den Herzog seiner Macht und seiner Freiheit. Nach einer sechsmonatlichen Verbindung mit dem Gouverneur der Guienne regierte sie die schöne Provinz und gab allen, die sie einst verletzt oder gedemütigt hatten, die empfangenen Beleidigungen mit Wucher heim. Königin aus Zufall, wurde sie Tyrannin aus Berechnung. Bei ihrem feinen Geist hatte sie das Vorgefühl, daß man die wahrscheinliche Kürze der Herrschaft durch die gewissenloseste Ausnutzung ersetzen müsse.
Sie bemächtigte sich demzufolge alles dessen, was in ihren Bereich kam, riß Schätze, Einfluß, Ehrenstellen an sich, Sie wurde reich, sie vergab die Ämter und empfing die Besuche von Mazarin und den ersten Herren des Hofes. Sie besaß schließlich ein Vermögen von zwei Millionen.
Sie hatte wohl gefühlt, wie der Volkshaß flutähnlich stieg und mit seinen Wellen gegen die Machtstellung des Herrn von Epernon anprallte, der, an einem Tage des Zorns von Bordeaux vertrieben, Nanon mit sich zog, wie die Barke dem Schiffe folgt. Nanon beugte sich unter dem Sturme, bereit, sich wiederzuerheben, sobald der Sturm vorübergegangen wäre. Sie nahm Herrn von Mazarin zum Muster und trieb die Politik des gewandten, geschmeidigen Italieners. Der Kardinal bemerkte diese Frau, die durch dieselben Mittel, die ihn selbst zum ersten Minister und zum Besitzer von fünfzig Millionen gemacht haben, sich hob und bereicherte. Er bewunderte die kleine Gascognerin; er tat noch mehr, er ließ sie gewähren. Man wird vielleicht später erfahren, warum.
Die Bekanntschaft zwischen Nanon und Canolles hatte sich auf die natürlichste Weise gebildet. Canolles, Leutnant im Regiment Navailles, wollte Kapitän werden. Er mußte daher an Herrn von Epernon, den kommandierenden General, schreiben. Nanon las den Brief, sie antwortete wie gewöhnlich, im Glauben, sie behandle eine Geschäftssache, und bewilligte Canolles eine Zusammenkunft in diesem Sinne. Canolles wählte unter seinen Familienjuwelen einen prachtvollen Ring, der wenigstens fünfhundert Pistolen wert war – es war dies immer noch minder teuer, als sich eine Kompanie zu kaufen – und begab sich sodann zu der Zusammenkunft. Aber der Sieger Canolles, dem sein prunkhafter Ruf von Liebesglück voranging, machte diesmal die fiskalischen Berechnungen des Fräulein von Lartigues zu Schanden. Es war das erstemal, daß er Nanon sah, es war das erstemal, daß Nanon ihn sah. Sie waren beide jung, schön und geistreich. Die Zusammenkunft ging in gegenseitigen Artigkeiten hin, von dem Geschäfte war mit keiner Silbe die Rede, und dennoch wurde das Geschäft abgemacht. Am andern Morgen erhielt Canolles sein Kapitänspatent, und als der kostbare Ring von seinem Finger an Nanons überging, war es nicht mehr der Preis des befriedigten Ehrgeizes, sondern das Pfand glücklicher Liebe.
Als Nanon mit dem Herzog aus Bordeaux weichen mußte und der Pöbel sie in ihrem vergoldeten Wagen am liebsten zerrissen hätte, wählten sie das kleine Landhaus als Aufenthaltsort für Nanon, bis man ihr ein Haus in Libourne eingerichtet hätte. Canolles erhielt einen Urlaub, scheinbar, um einige Familienangelegenheiten in der Heimat abzumachen, in Wirklichkeit aber, um sein Regiment verlassen zu können, das nach Agen zurückgekehrt war, und um sich nicht zu weit von Matifou zu entfernen, wo seine beschützende Gegenwart notwendiger wurde, als je. Die Ereignisse wurden nämlich beunruhigend ernst. Die Gefangennahme der Prinzen von Condé, von Conti und Longueville bot den vier oder fünf Parteien, die damals Frankreich zerrissen, einen vortrefflichen Vorwand zum Bürgerkriege. Der Widerwille des Volkes gegen den Herzog von Epernon, von dem man wußte, daß er ganz und gar dem Hofe angehörte, wuchs immer mehr, obgleich man hätte meinen sollen, er könnte nicht mehr zunehmen. Eine von allen Parteien gewünschte Katastrophe stand nahe bevor. Nanon verschwand wie die Vögel, die den Sturm kommen sehen, vom Horizont und kehrte in ihr Blätternest zurück, um das Ereignis abzuwarten.
Sie gab sich für eine Witwe aus, welche die Einsamkeit sucht; als solche hatte sie auch, wie man sich erinnern wird, Meister Biscarros bezeichnet.
Herr von Epernon war also am Tage vorher zu der reizenden Einsiedlerin gekommen und hatte ihr angekündigt, er würde eine achttägige Rundreise antreten. Sobald er sich entfernt hatte, schickte Nanon durch den Einnehmer, ihren Günstling, ein Wort an Canolles, der sich während seines Urlaubs in der Gegend aufhielt. Nur verschwand dieses Wort im Original, wie wir erzählt haben, unter den Händen des Boten. Der sorglose Baron beeilte sich, der Einladungsabschrift Folge zu leisten, als ihn der Vicomte von Cambes vierhundert Schritte von seinem Ziele zurückhielt.
Das übrige ist bekannt.
Als Nanon, die Canolles wie eine liebende Frau, das heißt zehnmal in der Minute ans Fenster eilend, erwartete, Canolles' Billett erhielt, war sie wie vom Blitze getroffen.
Sie liebte Canolles sehr, aber bei ihr war der Ehrgeiz ein Gefühl, das der Liebe gleich kam, und wenn sie den Herzog verlor, verlor sie nicht nur ihr zukünftiges Glück, sondern vielleicht auch alles, was das frühere Glück ihr gebracht hatte. Doch sie war eine Frau von Kopf; sie löschte zuerst die Kerze, die ihren Schatten hätte zeigen können, und lief ans Fenster. Es war die höchste Zeit. Vier Männer näherten sich dem Hause, von dem sie nur noch etwa zwanzig Schritte entfernt waren. Der Mann mit dem Mantel ging voraus, und in ihm erkannte sie ganz genau den Herzog. In diesem Augenblick trat Francinette mit einem Licht in der Hand ein. Nanon warf einen Blick der Verzweiflung auf den Tisch, auf die zwei Gedecke, auf die zwei Fauteuils, auf die zwei gestickten Kopfkissen, die ihr freches Weiß auf dem karmoisinroten Grund der Damastvorhänge ausbreiteten, endlich auf das appetitliche Nachtnegligé, das mit allen diesen Vorbereitungen so gut im Einklang stand.
»Ich bin verloren,« dachte sie.
Aber beinahe in demselben Augenblick kam diesem feinen Geiste ein Gedanke, und ein Lächeln umschwebte ihre Lippen. Rasch wie der Blitz ergriff sie, das für Canolles bestimmte einfache Kristallglas und warf es, in den Garten, zog aus einem Etui den goldenen Becher mit dem Wappen des Herzogs, legte neben den Teller sein Gedeck von Vermeil, lief dann, zwar kalt vor Schrecken, aber mit einem in Eile gebildeten Lächeln, die Stufen hinab und erreichte die Tür in dem Augenblick, wo ein ernster, feierlicher Schlag daran ertönte.
Francinette wollte öffnen, aber Nanon ergriff sie beim Arme, stieß sie auf die Seite und sagte mit dem raschen Blicke, der bei ertappten Frauen den Gedanken so gut ersetzt:
Der Herzog ist es, den ich erwarte, und nicht Herr von Canolles.«
Dann zog sie selbst die Riegel zurück und warf sich dem Manne mit der Weißen Feder, der die wildeste Miene machte, die ihm zu Gebote stand, um den Hals.
»Ah!« rief Nanon, »mein Traum hat mich also nicht getäuscht. Kommt, mein lieber Herzog, Ihr sollt bedient werden, wir speisen sogleich zu Nacht.«
Epernon war ganz verblüfft; da jedoch die Liebkosungen einer hübschen Frau immer etwas Angenehmes haben, so ließ er sich küssen. Sogleich erinnerte er sich aber wieder, welche niederschmetternde Beweise er gegen sie besaß, und sagte: »Einen Augenblick, mein Fräulein, erklären wir uns gefälligst!«
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