Mafia - Allmacht einer Holding. Heike Bonin
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Название: Mafia - Allmacht einer Holding

Автор: Heike Bonin

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783754172797

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СКАЧАТЬ Gogolew ist zudem überzeugt, dass die kriminellen Anführer in praktisch jeder Region direkten Zugang zu der jeweiligen Oblastverwaltung besitzen.

      1994 erwirtschaftete die russische Mafia rund 150 Milliarden Dollar. Sie kontrollierte zu diesem Zeitpunkt ein Drittel der russischen Banken, 40 % der Industrieunternehmen und 80 % der Joint-Venture-Unternehmen. Zudem existierten damals 5.700 russländische Mafiagruppierungen, die mehr als 100.000 Menschen zählten. Etwa 3 Millionen Menschen zogen einen finanziellen Profit aus den Mafiamachenschaften.Der russische Präsident Boris Jelzin äußerte schon im Februar 1993, dass die OK zur direkten Bedrohung der strategischen Interessen und der nationalen Sicherheit Russlands geworden war. 1994 sagte CIA-Chef James Woolsey vor dem US-Kongress aus, die OK bedrohe die demokratische Reform in Russland. Im Mai 1996 gingen der CIA-Chef John M. Deutch und der FBI-Direktor Louis Freeh einen Schritt weiter und warnten den Kongress, dass die russische OK und Korruption das politische System Russlands zunehmend unterwanderten und begannen, für die USA eine Bedrohung darzustellen.

      Zu Beginn des 21. Jahrhunderts vollzog sich eine signifikante Änderung. Um die russische Mafia wurde es sichtlich ruhiger, ungeachtet der Behauptungen, die OK würde nach der Weltfinanzkrise von 2008 weiterwachsen. Auch die Rolle der traditionellen kriminellen Gruppierungen mit den „Dieben im Gesetz“ an der Spitze verlor allmählich an Bedeutung. Zugleich verlagerten andere Mafiagruppierungen ihre Tätigkeit in die legale Wirtschaft. Nach Einschätzung des russischen Innenministeriums sind die kriminellen Organisationen aus der GUS in die bedeutendsten Wirtschafts- und Industriestrukturen vorgedrungen, kontrollieren sogar die Industrie ganzer Regionen. Nach Angaben des früheren Justizministers Wladimir Ustinow stellt die OK eine wahre Bedrohung für die innere Sicherheit Russlands dar. Neben den klassischen Tätigkeitsfeldern wie Drogen- und Waffenhandel engagieren sich die kriminellen Strukturen zunehmend im Handel mit natürlichen Ressourcen sowie im Banken- und Finanzbereich. Zu den besonders ertragreichen Deliktfeldern zählen auch Schmuggel, Steuerhinterziehung und Mehrwertsteuerbetrug. Haupteinnahmequelle bleiben weiterhin Staatsgelder, für deren Veruntreuung es zahlreiche Möglichkeiten gibt, wie z. B. der Zugang zu russischen Energie- und Metallressourcen, die zu niedrigen Inlandspreisen erworben und unter Umgehung der Ausfuhrbestimmungen ins Ausland erheblich teurer weiterverkauft werden. Die auf illegale Weise erworbenen Mittel werden unter Vorgabe legaler Geschäftstätigkeit über Briefkastengesellschaften im Ausland gewaschen.

      Einige große kriminelle Organisationen sind länderübergreifend aktiv und drängen zunehmend in legale Wirtschaftsstrukturen. Sie verfügen häufig über eigene Sicherheitsdienste und technisch ausgefeilte Überwachungsmethoden, so dass zur Informationsbeschaffung zum Teil richtige nachrichtendienstliche Operationen oder Observationen durchgeführt werden. Angehörige der OK sind häufig gut ausgebildet, politisch informiert, verfügen über enge Verbindungen zu den Machtstrukturen ihres Herkunftslandes und über ausgeklügelte Kommunikationsnetzwerke. Für Staaten mit hohem Lebensstandard stellen die russischen Mafiaorganisationen angesichts der vorhandenen immensen Finanzmittel eine erhebliche Bedrohung dar, denn mit Hilfe von Erpressung und Korruption unterwandern sie nicht nur die Wirtschaft, sondern sind sogar in der Lage, rechtsstaatliche Institutionen zu infiltrieren.

      Die Interpol beobachtet noch heute (Stand 2020) im Rahmen des Projekts „Millenium“ die postsowjetische OK. Das Projekt soll durch gegenseitigen Austausch von Ermittlungsinformationen die Interpol-Mitgliedsstaaten unterstützen, Menschen und Unternehmen, die hinter der transnationalen eurasischen OK stehen, zu identifizieren

      Der Schweizer Nachrichtendienst „Dienst für Analyse und Prävention“ (DAP) veröffentlichte 2007 einen strategischen Analysebericht zum Thema „Organisierte Kriminalität und Nachrichtendienst aus der GUS“, aus dem hervorgeht, dass es Hinweise gibt auf enge Verbindungen der Vertreter der OK aus den Ländern der GUS zu Nachrichtendiensten dieser Staaten. Die deutschen Nachrichtendienste bezeichnen diese Verflechtungen als „symbiotische Beziehungen“ zwischen OK und Nachrichtendiensten.

      So sollen viele Vertreter der OK vom FSB und anderen Staatsorganen gedeckt werden. Bis 2007 wurde noch keine Führungsfigur der russischen Mafiaszene in Russland zur Verantwortung gezogen, was dafür spricht, dass die Anführer der kriminellen Gruppierungen hohe Protektion genießen. Umgekehrt stellen ehemalige KGB- oder FSB-Agenten, von denen viele wichtige Posten in Banken, Sicherheitsfirmen oder sonstigen großen Unternehmen bekleiden, ihr Insiderwissen, ihre Erfahrungen und ihr Beziehungsnetz der OK zur Verfügung. Darüber hinaus ist aufgrund geringer Entlohnung und weitverbreiteter Korruption bei den Nachrichtendienstlern eine hohe Bereitschaft vorhanden, für Erpressungen nachrichtendienstliches Material an politische oder wirtschaftliche Interessengruppen zu verkaufen. Verschiedene ausländische Nachrichtendienste vertreten die Ansicht, dass nicht nur einzelne oder ehemalige Geheimdienstangehörige in kriminelle Machenschaften eingebunden sind, sondern nachrichtendienstliche Institutionen an einer systematischen Zusammenarbeit mit der OK interessiert sind. Motive einer Zusammenarbeit sind für die Nachrichtendienste die Ausnutzung bereits bestehender internationaler Unternehmens- und Beziehungsnetze der OK für eigene Zwecke, die Kontrolle wirtschaftlicher Aktivitäten – vor allem jene der OK – und hohe Einkünfte aus Dienstleistungen, die für die OK erbracht werden, oder Einkünfte auf Grundlage der Erpressung der OK. Motive seitens der OK sind Schutz vor Polizeiaktionen und Strafverfolgung, Informationsbeschaffung über Konkurrenten, vereinfachte Reiseformalitäten, Aufpolierung des Images von OK-Angehörigen und Aufstieg in wirtschaftliche Schlüsselpositionen durch nachrichtendienstliche Kontakte.

      Beim Zerfall der Sowjetunion wurde bereits spekuliert, dass der KGB große Summen des Staats- und Parteivermögens über private Firmen ins Ausland geschleust hatte, um damit politische Aktivitäten finanzieren zu können. Ein Teil dieser Gelder wurde aber auch für private Geschäftsaktivitäten abgezweigt. Hinter diesen Prozessen standen häufig Individuen, die bereits Erfahrungen im Außenhandel hatten und deshalb Beziehungen und Unternehmensstrukturen im Ausland besaßen. Dazu gehörten unter anderem Sowjetbürger, die in den 1970er Jahren aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit die UdSSR verlassen durften. Ein prominentes Beispiel dazu sind die Firmen Nordex von Grigori Emmanuilowitsch Lutschanski und Seabeco Group von Boris Iosifowitsch Birschtein. Lutschanski, geboren 1945, Sohn einer lettisch-jüdischen Familie, soll vom KGB zum Aufbau eines internationalen Firmengeflechts rekrutiert worden sein. Er gründete das Unternehmen Nordex mit Hauptsitz in Wien und Tochtergesellschaften auf der ganzen Welt, das offiziell mit Rohstoffen aus der GUS handelte. Doch da die Firma wiederholt mit Korruption, Unterschlagung, Geldwäscherei und Waffenhandel in Verbindung gebracht wurde, war ein Ausbau der geschäftlichen Tätigkeiten nicht mehr möglich. Boris Birschtein (bzw. Birstein, manchmal Birnstein), geboren 1947, war ebenfalls Sohn einer lettisch-jüdischen Familie und Direktor einer Textilfabrik in Vilnius. Er war ehemaliges KGB-Mitglied und stand in Kontakt mit russischen und israelischen Nachrichtendiensten. Er emigrierte 1979 nach Israel, wo er umgehend begann, das internationale Firmengeflecht Seabeco Group aufzubauen, welches mit Öl, Gold, Diamanten und chemischen Produkten handelte. Eine Zweigstelle der Seabeco war von 1992 bis 1999 in der Schweiz registriert. Auch Birschtein war sehr gut vernetzt sowohl mit der kriminellen Welt als auch mit den politischen Strukturen der Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis gehörten der Moskauer Bürgermeister Juri Michailowitsch Luschkow, die ukrainischen Präsidenten Leonid Krawtschuk und Leonid Kutschma sowie der moldawische Präsident Mircea Ion Snegur. Seine Firma Seabeco Group wurde der Geldwäscherei, der Veruntreuung von Geld aus Kirgisien, undurchsichtigen Finanzgeschäfte über die Firma Nordex, Unterschlagung von Hilfsgeldern und Durchführung von Auftragsmorden verdächtigt. Weder bei Nordex noch Seabeco konnte je der KGB (oder seine Nachfolgeorganisationen) als Drahtzieher der illegalen Finanzoperationen nachgewiesen werden. Mögliche Beweise befinden sich bei denjenigen Stellen, die kein Interesse an einer Aufarbeitung der Geschehnisse haben. Allerdings sprechen die weitverzweigten politischen Kontakte, die Lutschanski und Birschtein auf höchster Ebene pflegten, und der durch den Handel mit staatlichen Ressourcen schnell erworbene Reichtum dafür, dass sie ohne Wissen und Zustimmung der staatlichen Machtorgane kaum hätten agieren können.

      Alexander Wassiljewitsch Korschakow, der ehemalige KGB-Offizier und Leibgardechef СКАЧАТЬ