Lebensansichten des Katers Murr. E.T.A. Hoffmann
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Название: Lebensansichten des Katers Murr

Автор: E.T.A. Hoffmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754175286

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СКАЧАТЬ erzählen werde, wenn du mir versprichst, mir was weniges empfindelnde Kinderei zugute zu halten. – Was ich dir von der Erbssuppe und dem Lautenisten –« »Oh«, unterbrach der Geheime Rat den Kapellmeister, »o still, still, nun merk ich wohl, du willst mich foppen, und das ist denn doch wider alle Sitte und Ordnung.«

      »Keinesweges«, fuhr Kreisler fort, »keinesweges, mein Herz! Aber von dem Lautenisten muß ich anfangen, denn er bildet den natürlichsten Übergang zur Laute, deren Himmelstöne das Kind in süße Träume wiegten. Die jüngere Schwester meiner Mutter war Virtuosin auf diesem zur Zeit in die musikalische Polterkammer verwiesenen Instrument. Gesetzte Männer, die schreiben und rechnen können und wohl noch mehr als das, haben in meiner Gegenwart Tränen vergossen, wenn sie bloß dachten an das Lautenspiel der seligen Mamsell Sophie, mir ist es deshalb gar nicht zu verdenken, wenn ich, ein durstig Kind, meiner selbst nicht mächtig, noch ohne in Wort und Rede aufgekeimtes Bewußtsein, alle Wehmut des wunderbaren Tonzaubers, den die Lautenistin aus ihrem Innersten strömen ließ, in begierigen Zügen einschlürfte. – Jener Lautenist an der Wiege war aber der Lehrer der Verstorbenen, klein von Person, mit hinlänglich krummen Beinen, hieß Monsieur Turtel und trug eine sehr saubere weiße Perücke mit einem breiten Haarbeutel, sowie einen roten Mantel. – Ich sage das nur, um zu beweisen, wie deutlich mir die Gestalten aus jener Zeit aufgehen, und daß weder Meister Abraham noch sonst jemand daran zweifeln darf, wenn ich behaupte, daß ich, ein Kind von noch nicht drei Jahren, mich finde auf dem Schoß eines Mädchens, deren mildblickende Augen mir recht in die Seele leuchteten, daß ich noch die süße Stimme höre, die zu mir sprach, zu mir sang, daß ich es noch recht gut weiß, wie ich der anmutigen Person all meine Liebe, all meine Zärtlichkeit zuwandte. Dies war eben Tante Sophie, die in seltsamer Verkürzung ›Füßchen‹ gerufen wurde. Eines Tages lamentierte ich sehr, weil ich Tante Füßchen nicht gesehen hatte. Die Wärterin brachte mich in ein Zimmer, wo Tante Füßchen im Bette lag, aber ein alter Mann, der neben ihr gesessen, sprang schnell auf und führte, heftig scheltend, die Wärterin, die mich auf dem Arm hatte, hinaus. Bald darauf kleidete man mich an, hüllte man mich ein in dicke Tücher, brachte man mich ganz und gar in ein anderes Haus zu andern Personen, die sämtlich Onkel und Tanten von mir sein wollten und versicherten, daß Tante Füßchen sehr krank sei und ich, wäre ich bei ihr geblieben, ebenso krank geworden sein würde. Nach einigen Wochen brachte man mich zurück nach meinem vorigen Aufenthalt. Ich weinte, ich schrie, ich wollte zu Tante Füßchen. Sowie ich in jenes Zimmer gekommen, trippelte ich hin an das Bette, in dem Tante Füßchen gelegen, und zog die Gardinen auseinander. Das Bette war leer, und eine Person, die nun wieder eine Tante von mir war, sprach, indem ihr die Tränen aus den Augen stürzten: ›Du findest sie nicht mehr, Johannes, sie ist gestorben und liegt unter der Erde.‹ –

      Ich weiß wohl, daß ich den Sinn dieser Worte nicht verstehen konnte, aber noch jetzt, jenes Augenblicks gedenkend, erbebe ich in dem namenlosen Gefühl, das mich damals erfaßte. Der Tod selbst preßte mich hinein in seinen Eispanzer, seine Schauer drangen in mein Innerstes, und vor ihnen erstarrte alle Lust der ersten Knabenjahre. – Was ich begann, weiß ich nicht mehr, wüßte es vielleicht niemals, aber erzählt hat man mir oft genug, daß ich langsam die Gardinen fahrenließ, ganz ernst und still einige Augenblicke stehenblieb, dann aber, wie tief in mich gekehrt und darüber nachsinnend, was man mir eben gesagt, mich auf ein kleines Rohrstühlchen setzte, das mir eben zur Hand. Man fügte hinzu, daß diese stille Trauer des sonst zu den lebhaftesten Ausbrüchen geneigten Kindes etwas unbeschreiblich Rührendes gehabt und daß man selbst einen nachteiligen psychischen Einfluß gefürchtet, da ich mehrere Wochen in demselben Zustande geblieben, nicht weinend, nicht lachend, zu keinem Spiel aufgelegt, kein freundlich Wort erwidernd, nichts um mich her beachtend.« –

      In diesem Augenblick nahm Meister Abraham ein in Kreuz- und Querzügen wunderlich durchschnittenes Blatt zur Hand, hielt es vor die brennenden Kerzen, und auf der Wand reflektierte sich ein ganzer Chor von Nonnen, die auf seltsamen Instrumenten spielten.

      »Hoho!« rief Kreisler, indem er die ganz artig geordnete Gruppe der Schwestern erblickte, »hoho, Meister, ich weiß wohl, woran Ihr mich erinnern wollt! – Und noch jetzt behaupte ich keck, daß Ihr unrecht tatet, mich auszuschelten, mich einen störrigen, unverständigen Burschen zu nennen, der durch die dissonierende Stimme seiner Torheit einen ganzen singenden und spielenden Konvent aus Ton und Takt bringen könne. Hatte ich nicht zu der Zeit, als Ihr mich, zwanzig oder dreißig Meilen weit von meiner Vaterstadt, in das Clarissenkloster führtet, um die erste wahrhaft katholische Kirchenmusik zu hören; hatte ich damals nicht den gerechtesten Anspruch auf die brillanteste Lümmelhaftigkeit, da ich gerade mitten in den Lümmeljahren stand? War es nicht desto schöner, daß demunerachtet der längst verwundene Schmerz des dreijährigen Knaben erwachte mit neuer Kraft und einen Wahn gebar, der meine Brust mit allem tötenden Entzücken der herzzerschneidendsten Wehmut erfüllte? – Mußte ich nicht behaupten und alles Einredens unerachtet dabei bleiben, daß niemand anders das wunderliche Instrument, die Trompette marine geheißen, spiele als Tante Füßchen, unerachtet sie längst verstorben? – Warum hieltet Ihr mich ab, einzudringen in den Chor, wo ich sie wiedergefunden hätte in ihrem grünen Kleide mit rosfarbnen Schleifen!« –

      Nun starrte Kreisler hin nach der Wand und sprach mit bewegter, zitternder Stimme: »Wahrhaftig! – Tante Füßchen ragt hervor unter den Nonnen! – Sie ist auf eine Fußbank getreten, um das schwierige Instrument besser handhaben zu können.« – Doch der Geheime Rat trat vor ihn hin, so daß er ihm den Anblick des Schattenbildes entzog, faßte ihn bei beiden Schultern und begann: »In der Tat, Johannes, es wäre gescheiter, du überließest dich nicht deinen seltsamen Träumereien und sprächest nicht von Instrumenten, die gar nicht existieren, denn in meinem Leben habe ich nichts gehört von einer Trompette marine!« –

      »O«, rief Meister Abraham lachend, indem er, das Blatt unter den Tisch werfend, den ganzen Nonnenkonvent samt der chimärischen Tante Füßchen mit ihrer Trompette marine schnell verschwinden ließ, »o mein würdigster Geheimer Rat, der Herr Kapellmeister ist auch jetzt, wie immer, ein vernünftiger, ruhiger Mann und kein Phantast oder Haselant, wofür ihn gern viele ausgeben möchten. Ist es nicht möglich, daß die Lautenistin, nachdem sie Todes verblichen, sich mit Effekt auf das wunderbare Instrument verlegte, welches Sie vielleicht noch jetzt hin und wieder in Nonnenklöstern wahrnehmen und darüber in Erstaunen geraten können? – Wie! – die Trompette marine soll nicht existieren? – Schlagen Sie doch nur diesen Artikel gefälligst in Kochs ›musikalischem Lexikon‹ nach, das Sie ja selbst besitzen.«

      Der Geheime Rat tat es auf der Stelle und las laut:

      »Dieses alte, ganz einfache Bogeninstrument bestehet aus drei dünnen, sieben Schuh langen Brettern, die unten, wo das Instrument auf dem Fußboden aufstehet, sechs bis sieben Zoll, oben aber kaum zwei Zoll breit und in der Form eines Triangels zusammengeleimt sind, so daß das Korpus, welches oben eine Art von Wirbelkasten hat, von unten bis oben verjüngt zuläuft. Eins von diesen drei Brettern macht den Sangboden aus, der mit einigen Schallöchern versehen und mit einer einzigen, etwas starken Darmsaite bezogen ist. Bei dem Spielen stellt man das Instrument schief vor sich hin und stemmt den obern Teil desselben gegen die Brust. Mit dem Daumen der linken Hand berührt der Spieler die Saite da, wo die zu greifenden Töne liegen, ganz gelinde und ungefähr ebenso wie bei dem Flautino oder Flageolet auf der Geige, während mit der rechten Hand die Saite mit dem Bogen angestrichen wird. Der eigentümliche Ton dieses Instruments, der dem Tone einer gedämpften Trompete gleicht, wird durch den besondern Steg hervorgebracht, auf welchem die Saite unten auf dem Resonanzboden ruhet. Dieser Steg hat beinahe die Gestalt eines kleinen Schuhes, der vorn ganz niedrig und dünne, hinten hingegen höher und stärker ist. Auf dem hintern Teile desselben liegt die Saite auf und verursacht, wenn sie angestrichen wird, durch ihre Schwingungen, daß sich der vordere und leichte Teil des Steges auf dem Sangboden auf und nieder bewegt, wodurch der schnarrende und der gedämpften Trompete ähnliche Ton hervorgebracht wird!« –

      »Baut mir ein solches Instrument«, rief der Geheime Rat mit glänzenden Augen, »baut mir ein solches Instrument, Meister Abraham, ich werfe meine Nagelgeige in den Winkel, berühre nicht mehr den Euphon, sondern setze Hof und Stadt in Erstaunen, auf der СКАЧАТЬ