Название: Im heiligen Lande
Автор: Selma Lagerlöf
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754175651
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Gunhild stieß einen Schrei aus. Sie hielt die eine Hand empor, um den Nacken zu beschützen, und fing an zu laufen.
Als sie eine ganze Strecke auf dem Wege weitergelaufen war, wurde der weiße Kalkstaub in einer erstickenden Wolke um sie aufgewirbelt, und sie gewahrte einen großen Haufen Steine. Es waren die Ruinen eines eingestürzten Hauses. Sie eilte dorthin und war so glücklich, eine Öffnung zu finden, die in den Keller hinabführte.
Gunhild gelangte in ein kühles, wohltuendes Dunkel. Sie konnte nicht zwei Schritt vor sich sehen.
Sie stellte sich mit dem Rücken gegen den Eingang und ließ die Augen im Dunkeln ausruhen. Hier war nichts, was schimmerte, nichts, was glitzerte. Sie begriff jetzt, wie einem armen Fuchs zumute sein muß, wenn er in seine Höhle hineingeschlüpft ist, während die Jäger hinter ihm her sind. Jetzt standen die Hitze und der Staub und das Licht und der Sonnenschein wie gefoppte Jäger draußen vor ihrer Zufluchtsstätte. Die ganze Schar stand mit ihren glühenden Spießen da und wartete, sie aber war hier drinnen in Sicherheit.
Gunhild gewöhnte allmählich ihre Augen an die Dunkelheit; sie entdeckte einen Stein und setzte sich darauf, um zu warten. Sie glaubte, sie würde sich wohl stundenlang nicht aus ihrer Höhle hinauswagen dürfen. Nicht, ehe die Sonne so weit im Westen gesunken war, daß sie ihre Macht am Himmel verloren hatte.
Aber sie hatte nur eine ganz kurze Zeit da drinnen in der Dunkelheit gesessen, als tausend Sonnen vor ihren Augen zu sprühen begannen und in ihrem armen, erhitzten Gehirn alles herumwirbelte. Ein heftiger Schwindel ergriff sie, es war ihr, als drehten sich die Winde des Kellers in einem unaufhörlichen Rundtanz. Ihr war so schwindlig, daß sie sich an die Wand lehnen mußte, um nicht zu fallen.
»Ach Gott, auch hier drinnen werde ich verfolgt!« rief sie aus.
»Ich muß wohl etwas Böses getan haben, da die Sonne mich nicht mehr sehen mag«, fuhr sie fort.
Im selben Augenblick fiel ihr der Brief ein und der Tod der Mutter, und ihr großer Kummer und ihr Wunsch zu sterben. Das alles war ganz aus ihren Gedanken entschwunden gewesen, während sie sich in wirklicher Lebensgefahr befunden hatte; da hatte sie nur daran gedacht, sich zu retten.
Schnell holte sie den Brief hervor, öffnete ihn und trat an den Eingang, um ihn lesen zu können. Ja – da standen die Worte, genau so, wie sie sie in der Erinnerung hatte, und sie stöhnte.
Aber gleich darauf kam ein Gedanke, der ihr beruhigend und tröstend erschien.
»Verstehst du nicht, daß es Gottes Absicht ist, dich von dem Leben zu erlösen?«
Dies erschien ihr so schön und eine große Gnade von Gott. Sie konnte es sich selbst nicht recht klarmachen, denn sie war nicht ganz bei Besinnung. Der Schwindel war wiedergekehrt, der ganze Keller drehte sich rund herum. Oben über ihrem einen Auge tanzte ein glitzernder Feuerstrahl.
Aber sie hielt doch fest an dem Gedanken, daß Gott ihr anbot, aus dem Leben zu scheiden und zu ihrer Mutter im Himmel hinaufzukommen und all ihrem Kummer zu entrinnen.
Sie erhob sich, faltete erst die Hände im Nacken, zog sie aber wieder zurück und ging dann in den Sonnenschein hinaus, ganz ruhig, als ginge sie in einer Kirche durch den Mittelgang.
Sie war jetzt etwas abgekühlt, und gleich als sie hinauskam, spürte sie nichts von Jägern oder Spießen oder glühenden Pfeilen.
Aber sie hatte nur wenige Schritte gemacht, als es alles wieder über sie herfiel, als wenn es sich aus einem Hinterhalt auf sie losstürze. Alles auf der Erde schimmerte und glitzerte, und die Sonne kam sausend hinter ihr drein wie ein scharfer Feuerfunke und traf sie im Nacken.
Sie machte noch ein paar Schritte. Dann stürzte sie zu Boden, wie vom Blitz getroffen.
Leute aus der Kolonie fanden sie einige Stunden später. Sie lag da, die eine Hand gegen das Herz gepreßt, die andere war ausgestreckt und umklammerte den Brief, wie um zu zeigen, was sie getötet hatte.
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