Название: Charles Dickens
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754174937
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Ich bemerkte an diesem Abend, wie überhaupt schon seit einigen Tagen, daß Ada und Richard noch mehr aneinander hingen als sonst. Es war nur natürlich, da sie sich so bald von einander trennen sollten, und es überraschte mich daher nicht allzusehr, als wir nach Hause kamen und Ada und ich uns hinaufbegaben, Ada stiller als gewöhnlich zu finden, obgleich ich nicht darauf gefaßt war, daß sie ihre Arme um mich schlang, ihr Gesicht an meiner Brust verbarg und schluchzte:
»Meine geliebte Esther! Ich habe dir ein großes Geheimnis mitzuteilen.«
– Es mußte offenbar ein schreckliches Geheimnis sein! –»Was ist es denn, Ada?«
»Ach, Esther, du wirst es nie erraten.«
»Soll ich es versuchen?«
»O nein! Nein! Bitte nicht«, rief Ada sehr erschrocken bei dem bloßen Gedanken.
»Ich möchte wirklich gerne wissen, was es wohl sein könnte«, sagte ich und stellte mich nachdenklich.
»Es handelt sich«, flüsterte Ada, »es handelt sich um meinen Vetter Richard.«
»Nun, mein Liebling«, fragte ich weiter und küßte ihr goldenes Haar, das einzige, was ich von ihr sehen konnte, »und was ist mit ihm?«
»O Esther, du wirst es nie erraten!«
– Wie sie sich an mich schmiegte und ihr Gesicht verbarg und selbst nicht wußte, daß sie aus Freude, Stolz und Hoffnung und nicht aus Schmerz weinte, war so reizend, daß ich ihr unmöglich heraushelfen konnte. –
»Er sagt – ich weiß, daß es sehr töricht ist, wir sind beide noch so jung – aber er sagt – sie war ganz aufgelöst in Tränen –, er liebe mich von Herzen, Esther.«
»Sagt er das wirklich? So etwas hab ich mein Leben lang noch nicht gehört! Aber, mein allerliebster Schatz, das hätte ich dir schon vor vielen, vielen Wochen sagen können.«
– Zu sehen, wie Ada mit glühenden Wangen freudig überrascht aufsah und mich umarmte und lachte und weinte und errötete und lachte, war entzückend. –
»Aber, Liebling, für was für eine Gans mußt du mich halten. Dein Vetter Richard ist so offenkundig wie nur möglich in dich verliebt, ich weiß nicht, wie lange schon.«
»Und du hast mir nie ein Wort davon gesagt!« rief Ada und küßte mich.
»Nein, liebes Kind, ich wartete, bis du es mir selbst sagen würdest.«
»Aber jetzt, meinst du nicht, daß es unrecht von mir ist?« Sie hätte mir ein Nein abschmeicheln können, auch wenn ich die hartherzigste Duenna in der Welt gewesen wäre, so aber sagte ich ganz offenherzig: »Nein.«
»So, jetzt weiß ich ja das Schlimmste von der Sache.«
»O, das ist noch nicht das Schlimmste, liebe Esther«, rief Ada und zog mich noch fester an sich und verbarg ihr Gesicht schon wieder an meiner Brust.
»Nicht? Nicht einmal das?«
»Nein, nicht einmal das«, murmelte Ada und schüttelte den Kopf.
»Was, du willst doch nicht etwa sagen...« fing ich scherzend an.
Ada blickte auf und lächelte unter Tränen.
»Ja, es ist so, Esther. Du weißt, du weißt, es ist so.« Und dann schluchzte sie: »Von ganzem Herzen liebe ich ihn! Von ganzem Herzen, Esther!«
Ich sagte ihr lachend, daß ich auch das ebenso genau gewußt habe wie das andre.
Und wir saßen vor dem Feuer, und ich mußte eine Zeitlang ganz allein reden, wenn es auch nicht allzu lange dauerte, denn Ada war bald wieder ruhig und glücklich.
»Meinst du, daß es Vetter John weiß, Mütterchen?«
»Wenn Vetter John nicht blind ist, Herzblatt, so sollte ich meinen, dürfte er es ungefähr so genau wissen wie wir beide.«
»Wir müssen mit ihm sprechen, ehe wir uns von Richard trennen«, gestand Ada schüchtern. »Und wir möchten gern, daß du uns einen Rat gibst und es ihm sagst. Vielleicht hast du nichts dagegen, wenn Richard hereinkommt, Mütterchen?«
»So, so, Richard ist draußen. Was du sagst!«
»Ich weiß es nicht ganz gewiß«, stammelte Ada mit einer verschämten Einfalt, die mein Herz hätte gewinnen müssen, wenn sie es nicht schon längst besessen hätte, »aber ich glaube, er wartet vor der Tür.«
Selbstverständlich wartete er draußen.
Sie stellten auf jede Seite neben mich einen Stuhl und setzten mich zwischen sich und schienen sich wirklich mehr in mich als in einander verliebt zu haben, so vertrauensvoll, aufrichtig und zärtlich waren sie zu mir. Sie ließen mich eine Weile gar nicht los, und ich freute mich viel zu sehr darüber, um ihnen zu wehren. Dann wurden wir allmählich ernster und fingen an zu bedenken, wie jung sie noch waren und daß manches Jahr vergehen müßte, ehe ihre taufrische Liebe zum Ziele kommen könnte, und daß sie nur zum Glücke führen würde, wenn sie wirklich und dauernd sei und sie zur Beständigkeit, tapferm Ausharren und Pflichttreue begeistere. Richard schwor, daß er sich die Finger bis auf die Knochen abarbeiten wolle für Ada, und Ada sagte, daß sie sich die Finger bis auf die Knochen abarbeiten wolle für Richard, und sie gaben mir alle möglichen Kosenamen, und wir saßen beratend und plaudernd die halbe Nacht beisammen. Schließlich, bevor wir von einander schieden, versprach ich ihnen, morgen darüber mit ihrem Vetter John zu reden.
Gleich nach dem Frühstück begab ich mich zu meinem Vormund in das Zimmer, das uns in der Stadt das Brummstübchen ersetzte, und sagte ihm, ich hätte den Auftrag, ihm etwas mitzuteilen.
»Nun, Mütterchen«, meinte er und klappte sein Buch zu. »Wenn du es übernommen hast, kann es nichts Schlimmes sein.«
»Ich hoffe nicht, Vormund. Jedenfalls kann ich mich dafür verbürgen, daß es sich nicht um Heimlichkeiten handelt, denn es geschah erst gestern.«
»So. Und was ist es denn, Esther?«
»Vormund, erinnerst du dich an den schönen Abend unsrer Ankunft in Bleakhaus, wo Ada in dem dunkeln Zimmer sang?«
– Ich wünschte, ihm den Blick, den er mir damals zugeworfen hatte, ins Gedächtnis zurückzurufen. Wenn ich mich nicht sehr irre, erinnerte er sich sogleich daran. –
»Weil...« begann ich nach einigem Zögern.
»Ja, mein Kind!« sagte er. »Laß dir nur Zeit.«
»Weil... Weil Ada und Richard sich ineinander verliebt haben und es einander gestanden haben.«
»So bald schon?« rief mein Vormund ganz erstaunt.
»Ja. Und, um dir nur die Wahrheit zu sagen, Vormund, ich erwartete es fast.«
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