Название: Charles Dickens
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754174937
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Ich klingelte, der Bediente trat ein, und Mr. Guppy verabschiedete sich mit einer kummervollen Verbeugung, nachdem er seine selbst geschriebene Karte auf den Tisch gelegt hatte.
Als ich aufblickte, während er hinausging, fiel mir auf, daß er mich noch immer scharf anblickte, selbst, nachdem er bereits die Tür passiert hatte.
Ich blieb noch ein paar Stunden sitzen, ordnete meine Bücher und Zahlungen und erledigte eine ganze Menge. Dann räumte ich mein Schreibpult auf, schloß alles ab und war so gefaßt und heiter, daß ich den unerwarteten Zwischenfall ganz vergessen zu haben glaubte.
Aber als ich hinauf in mein Zimmer ging, da kam es zu meiner Überraschung über mich; ich mußte zuerst lachen und dann zu meiner noch größern Verwunderung weinen; mit einem Wort, ich war eine Weile lang ziemlich außer mir und hatte die Empfindung, als ob eine rauhe Hand eine alte Saite in mir berührt habe, rauher als jemals seit den Tagen meiner lieben, alten, im Garten begrabenen Puppe.
Der Advokatenschreiber
In den östlichen Grenzen von Chancery-Lane oder, genauer gesagt, in Court Cursitor Street betreibt Mr. Snagsby als Schreibmaterialienhändler sein Geschäft.
Im Schatten von Cook's Court – fast zu allen Zeiten ein schattiger Platz – hat Mr. Snagsby in allen Sorten juristischer Formulare gehandelt, – mit Bogen und Rollen von Pergamenten, – mit Papier in allen Formaten, groß, klein, braun, weiß, gefaltet, gerollt, gestempelt, – mit Kanzlei-Gänsekielen, Federn, Tinte, Radiergummi, Nadeln, Bleistiften, Siegellack und Oblaten, mit rotem Band und grüner Seide, Notizbüchern, Almanachen, Tagebüchern und juristischen Kalendern, mit Bindfadenbüchsen, Linealen, Tintenfässern aus Glas und Zinkguß, mit Federmessern, Scheren, Stecknadeln, kurz, mit so viel Artikeln, daß man sie gar nicht alle nennen kann, gehandelt, seitdem er ausgelernt und zu »Pfeffer« in die Firma eintrat.
Damals geriet Cook's Court sozusagen in Revolutionsstimmung, als die neue, frisch gemalte Firmatafel Pfeffer & Snagsby an Stelle der ehrwürdigen, alten, kaum mehr leserlichen Inschrift »Pfeffer« trat. Der Ruß, der Londoner Efeu, hatte Pfeffers Namen so dicht verhüllt und das ganze Haus so überwuchert, daß das zärtliche Schmarotzergewächs den Mutterstamm ganz überwältigt hatte.
Pfeffer wird in Cook's Court nicht mehr gesehen. Niemand erwartet ihn dort mehr, denn er liegt seit einem Vierteljahrhundert auf dem St. Andreaskirchhof in Holborn, wo die Wagen- und Fiakerreihe den ganzen Tag und die halbe Nacht an ihm vorüberbraust wie ein einziger großer Lindwurm.
Wenn er sich jemals fortstiehlt, während der Lindwurm schlummert, um in Cook's Court wieder die alte Luft zu atmen, bis ihn das Krähen des sanguinischen Hahnes in dem Keller der kleinen Milchwirtschaft zur Rückkehr mahnt, dessen Ansichten über das Tageslicht sehr interessant zu hören sein müßten, da ihn seine persönlichen Beobachtungen so gut wie nichts darüber gelehrt haben, – wenn Pfeffer wirklich jemals die fahle Dämmerung von Cook's Court wieder besucht, was keiner seiner Berufsgenossen mit Bestimmtheit in Abrede stellen kann, so kommt er unsichtbar, und niemand wird durch sein Kommen dümmer oder klüger.
Während seiner Lebenszeit und auch während Snagsbys Lehrkursus von sieben langen Jahren wohnte bei Pfeffer dessen Nichte, eine kleine, zänkische Nichte, ein wenig zu gewaltsam in der Taille geschnürt und mit einer Nase so scharf wie ein Herbstabend, an dem es frostig werden will.
Bei den Cookshöflingen ging das Gerücht, daß die Mutter der Nichte, als diese noch ein Kind war, von einem allzu großen Eifer beseelt, ihrer Tochter eine vollendete Figur zu verleihen, sie jeden Morgen, des festeren Haltes wegen den mütterlichen Fuß gegen die Bettpfoste gestemmt, eingeschnürt und ihr innerlich Essig und Zitronensaft flaschenweise eingeflößt habe; und die Säuren, hieß es, hätten sich der Nichte auf Nase und Charakter geschlagen. Welche der vielen Zungen der Fama die Urheberin dieses vagen Gerüchtes auch gewesen sein mag, jedenfalls erreichte es nie die Ohren des jungen Snagsby oder machte auf ihn einen besonderen Eindruck. Zum Manne geworden, hatte er um den schönen Gegenstand des Gerüchtes geworben, ihn gewonnen und so zwei Verbindungen auf einmal geschlossen.
Mr. und Mrs. Snagsby sind nicht nur ein Leib und eine Seele, sondern der Meinung der Nachbarn nach auch nur eine einzige Stimme.
Diese Stimme, die nur von Mrs. Snagsby zu kommen scheint, wird oft in Cook's Court vernommen. Mr. Snagsby dagegen wird seltener gehört.
Er ist ein stiller, kahlköpfiger, schüchterner Mann mit einer glänzenden Platte, die hinten in einen bürstenartigen Schopf von schwarzem Haar ausläuft. Er neigt zur Sanftmut und Wohlbeleibtheit. Wenn er in seiner Tür in Cook's Court in seinem grauen Ladenrock und den schwarzen Schreibärmeln steht und die Wolken betrachtet oder hinter einem Pult in seinem dunkeln Laden mit einem schweren Lineal in Gesellschaft seiner beiden »Stifte« Pergament beschneidet, ist er so recht das Bild eines stillen und anspruchslosen Mannes.
Unter seinen Füßen ertönt zu solchen Zeiten, wie von einem ruhelosen Geist stammend, häufig schrilles Klagen und Jammern von der bereits erwähnten Stimme, und wenn es lauter wird als gewöhnlich, äußert Mr. Snagsby zuweilen gegen seine »Stifte«: »Ich glaube, meine Alte gibt es der Guster.«
Diesen Namen, den Mr. Snagsby immer buchstäblich so ausspricht, wollen die witzigen Cookshöflinge von dem alten Wort Gust, Sturmwirbel, abgeleitet wissen und behaupten dabei, daß eigentlich Mrs. Snagsby von Rechts wegen so heißen sollte. Der Name ist jedoch das einzige Eigentum mit Ausnahme eines Lohnes von fünfzig Schillingen pro Jahr und einem sehr kleinen, spärlich mit Kleidern gefüllten Koffer eines hagern jungen Mädchens aus einem Armenhaus, das wahrscheinlich Auguste hieß. Obgleich sie während der Zeit ihres Wachstums bei einem liebenswürdigen Wohltäter der wohlbekannten Sorte im Waisenasyl von Tooting untergebracht gewesen und sich natürlich unter außerordentlich günstigen Bedingungen entwickelte, hat sie doch Anfälle, die sich die Kirchspielbehörde nicht erklären kann.
Guster, in Wirklichkeit nur drei- oder vierundzwanzig Jahre alt, aber gute zehn Jahre älter aussehend, ist in Anbetracht ihrer rätselhaften Anfälle billig zu nennen; sie fürchtet so sehr, wieder zu ihrem Schutzheiligen zurückgeschickt zu werden, daß sie ununterbrochen arbeitet, außer, wenn man sie mit dem Kopf im Eimer, dem Ausguß, einem großen Kessel, einer Schüssel oder sonst irgendeinem Gegenstand, der zur Zeit ihres Anfalls zufällig in der Nähe steht, findet.
Sie wirkt beruhigend auf die Eltern und Vormünder der »Stifte«, die herausfühlen, daß sie nicht darnach angetan ist, zärtliche Empfindungen in einer jugendlichen Brust zu erwecken; sie wirkt beruhigend auf Mrs. Snagsby, die immer ungestraft Fehler an ihr finden darf; sie ist eine Beruhigung für Mr. Snagsby, der es für eine Tat christlicher Liebe ansieht, sie in Dienst zu behalten.
Das Haus ist in Gusters Augen der Gipfel des Überflusses und Glanzes. Das kleine Staatszimmer, eine Treppe hoch, das sozusagen stets sein Haar in Papilloten gewickelt und eine Schmutzschürze vorhat, hält sie für das schönste Zimmer der Christenheit. Die Aussicht, die man aus seinen Fenstern auf der einen Seite nach Cook's Court, auf der andern in den Hof des Polizeiamtes Coavins genießt – allerdings muß man den Hals schmerzhaft biegen, um auch Cursitor Street sehen zu können –, bedeutet für sie eine Aussicht von unvergleichlicher Schönheit. Die vielen Porträts in Öl, auf denen Mr. Snagsby Mrs. Snagsby und Mrs. Snagsby Mr. Snagsby ansieht, sind in ihren Augen Meisterwerke von Raffael oder Tizian. Guster wird also für ihre vielen Entbehrungen einigermaßen entschädigt.
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