Der Horla. Guy de Maupassant
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Название: Der Horla

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754187128

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      Ich hatte Mitleid mit ihr:

      »Du wirst sie nachher bekommen, ich verspreche es Dir.«

      Sie rief:

      »O, ich danke Dir, Du bist gut!«

      Ich begann wieder:

      »Weißt Du noch, was gestern abend bei Dir geschehen ist?«

      »Ja.«

      »Weißt Du noch, daß Dr. Parent Dich eingeschläfert hat?«

      »Jawohl.«

      »Nun, er hat Dir befohlen, heute früh von mir fünftausend Franken zu borgen und in diesem Augenblick gehorchst Du seiner Suggestion.«

      Sie dachte ein paar Sekunden nach und sagte dann:

      »Aber mein Mann schickt mich doch.«

      Eine Stunde lang versuchte ich sie zu überzeugen, aber es gelang mir nicht.

      Als sie fort war, lief ich zum Doktor. Er wollte eben ausgehen. Er hörte mich lächelnd an und sagte:

      »Glauben Sie mir nun?«

      »Ja, ich muß schon.«

      »Kommen Sie, wir wollen zu Ihrer Cousine gehen.«

      Sie ruhte auf einer Chaiselongue, ganz erschöpft und abgespannt. Der Arzt fühlte ihr den Puls, sah sie einige Zeit an, streckte eine Hand gegen ihre Augen aus, die sie allmählich unter dem zwingenden Einfluß seiner magnetischen Kraft schloß.

      Als sie eingeschläfert war, sagte er:

      »Ihr Mann braucht die fünftausend Franken nicht mehr. Sie werden also vergessen, daß Sie Ihren Vetter gebeten haben, sie Ihnen zu borgen, und wenn er mit Ihnen darüber spricht, werden Sie ihn nicht verstehen.«

      Dann weckte er sie auf. Ich zog meine Brieftasche hervor und sprach:

      »Hier, liebe Cousine, ist, um was Du mich heute früh gebeten hast.«

      Sie war so erstaunt, daß ich es nicht noch einmal zu sagen wagte. Da versuchte ich ihr Gedächtnis aufzufrischen, sie jedoch leugnete standhaft, meinte, ich wollte mich über sie lustig machen und war endlich nahe daran, böse zu werden.

      Das ist es. Ich bin eben nach Hause gekommen. Ich konnte nicht frühstücken, so hat mich die Sache erschüttert.

      19. Juli. – Ich habe die Geschichte ein paar Leuten erzählt und sie haben mich alle ausgelacht. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Der Weise sagt: Kann es wohl möglich sein?

      21. Juli. – Ich habe in Bougival zu Mittag gessen und den Abend auf dem Ball der Ruderer verlebt. Entschieden, es hängt Alles von Ort und Stunde ab. Auf der Insel der Grenouillière an Übernatürliches zu denken, wäre der Gipfel der Narrheit, aber oben auf dem Mont-Saint-Michel? Oder in Indien? Wir sind fürchterlich abhängig von unserer Umgebung. Nächste Woche kehre ich nach Hause zurück.

      30. Juli. – Seit gestern bin ich wieder daheim. Alles geht gut.

      2. August. – Nichts Neues. Das Wetter ist prachtvoll, ich sitze den ganzen Tag am Fluß und sehe die Wasser der Seine fließen.

      4. August. – Zwischen meinen Dienstboten hat es Streit gegeben. Sie behaupten, daß jemand nachts in den Schränken die Gläser zerbricht. Der Diener schiebt es auf die Köchin, die Köchin auf das Mädchen und die wieder auf die anderen. Wer ist der Schuldige? Wer 's sagt müßte schlau sein!

      6. August. – Jetzt bin ich aber nicht verrückt. Ich habe gesehen, ich habe gesehen – ich habe gesehen! Ich kann nicht mehr zweifeln, ich habe es gesehen. Ich zittere noch bis zu den Fußspitzen, mir läuft es noch über den Rücken, daß mir das Mark in den Knochen erstarrt. Ich habe es gesehen.

      Um zwei Uhr ging ich in hellem Sonnenschein zwischen meinen Rosenbeeten spazieren, zwischen den Herbstrosen, die eben anfangen, zu blühen.

      Als ich stehen blieb und eine Géanit des batailles betrachtete, die drei wundervolle Knospen trug, sah ich ganz deutlich, ganz nahe neben mir, einen der Stiele sich herumlegen, als ob eine unsichtbare Hand ihn gefaßt hätte, sah ihn abbrechen, wie wenn diese Hand ihn gepflückt. Dann hob sich die Blume und beschrieb einen Bogen, wie etwa ein Arm ihn beschrieben hätte, der sie zum Riechen an die Nase geführt. Dann blieb die Blume in der durchsichtigen Luft hängen, ganz allein, unbeweglich, ein fürchterlicher roter Fleck, drei Schritte von mir entfernt.

      Ich stürzte mich ganz erschrocken auf die Rose, um sie zu packen. Ich fand nichts, sie war verschwunden. Da überkam mich eine fürchterliche Wut gegen mich selbst, denn ein vernünftiger, ernster Mann darf doch nicht solchen Einbildungen unterliegen.

      Aber war es auch wirklich eine Einbildung? Ich drehte mich wieder um, um den Stiel zu suchen und fand ihn an dem Rosenstrauch mit einer frischen Bruchstelle zwischen zwei anderen Rosen, die am Zweige geblieben waren.

      Da ging ich ganz außer mir nach Hause, denn nun weiß ich bestimmt, so bestimmt, wie Tag und Nacht einander abwechseln, daß in meiner Nähe ein Wesen existiert, das Milch und Wasser trinkt, das Dinge berühren, sie in die Hand nehmen, sie hier und dorthin thun kann, das demnach eine Art materieller Natur besitzen muß, obgleich unsere Sinne es nicht wahrnehmen können, ein Wesen, das wohnt wie ich, – unter meinem Dache.

      7. August. – Ich habe ruhig geschlafen. Er hat das Wasser aus meiner Flasche getrunken, aber meinen Schlaf nicht gestört.

      Jetzt frage ich mich: bin ich verrückt? Als ich vorhin im hellen Sonnenschein spazieren ging am Flusse, kamen mir Zweifel an meiner eigenen Zurechnungsfähigkeit, nicht allgemeine Zweifel wie bisher, sondern ganz bestimmte. Ich habe Wahnsinnige gesehen, ich habe welche gesehen, die sonst ganz klar und vernünftig waren und alle Dinge dieses Lebens scharf erfaßten bis auf einen Punkt. Sie konnten ganz klar, sogar sehr gewandt, über etwas sprechen, und dann plötzlich, wenn ihre Gedanken die Schwelle des Wahnsinns überschritten hatten, zerriß die Gedankenkette und sie tauchten unter in den fürchterlichen Ozean, wo Wellen steigen und fallen, Nebel brauen, Stürme tosen, den Ozean den man nennt: »Wahnsinn!«

      Wenn ich nicht über mich selbst im reinen wäre, wenn ich nicht meinen eigenen Zustand kennte, wenn ich mich nicht selbst ganz klar und ruhig beobachten könnte, würde ich meinen, ich sei verrückt, vollkommen verrückt. Ich kann also nur ein Vernünftiger sein, der unter Wahngebilden leidet. In meinem Gehirn muß sich irgend eine Störung befinden, eine jener Störungen, denen heute die Physiologen auf den Grund zu kommen suchen und diese Störung müßte in meinem Geiste, in der Logik und Ordnung meiner Gedanken eine tiefe Kluft gerissen haben. Ähnliche Erscheinungen findet man im Traume, wenn wir die wundersamsten Wahngebilde vor uns sehen, ohne daß uns das weiter wundert, weil der Wahrheitssinn, die Möglichkeit uns zu kontrollieren, eingeschläfert ist, während die Einbildungskraft wach bleibt und arbeitet. Könnte nicht irgend eine jener Nerventasten des Gehirnes bei mir gelähmt sein? Es kommt vor, daß Menschen nach irgend einem Unglücksfall das Gedächtnis für Eigenennamen, bestimmte Worte und Ziffern oder auch nur für Jahreszahlen verlieren. Es ist heute vollkommen bewiesen, daß alle Momente des menschlichen Denkens an bestimmten Stellen unseres Gehirns lokalisiert sind. Es wäre also weiter nicht erstaunlich, wenn die Fähigkeit, etwa die Unwirklichkeit einzelner Erscheinungen festzustellen, gerade jetzt bei mir eingeschlafen wäre.

      An all das dachte ich, als ich am Wasser entlang ging. Die Sonne schien СКАЧАТЬ