Schloss Gripsholm. Kurt Tucholsky
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Название: Schloss Gripsholm

Автор: Kurt Tucholsky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754184783

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СКАЧАТЬ würde Ihnen vielleicht insofern entgegenkommen, daß ich die honorarfreien Exemplare auf 14 % heruntersetze. Wie gefällt Ihnen unser neuer Verlagskatalog? Ich wünsche Ihnen einen vergnügten Urlaub und bin mit vielen Grüßen

      Ihr (Riesenschnörkel) Ernst Rowohlt

      15. Juni

      Lieber Meister Rowohlt,

      auf dem neuen Verlagskatalog hat Sie Gulbransson ganz richtig gezeichnet: still sinnend an des Baches Rand sitzen Sie da und angeln die fetten Fische. Der Köder mit 14 % honorarfreier Exemplare ist nicht fett genug – 12 sind auch ganz schön. Denken Sie mal ein bißchen darüber nach und geben Sie Ihrem harten Verlegerherzen einen Stoß. Bei 14 % fällt mir bestimmt nichts ein – ich dichte erst ab 12 %.

      Ich schreibe diesen Brief schon mit einem Fuß in der Bahn. In einer Stunde fahre ich ab – nach Schweden. Ich will in diesem Urlaub überhaupt nicht arbeiten, sondern ich möchte in die Bäume gucken und mich mal richtig ausruhn.

      Wenn ich zurückkomme, wollen wir den Fall noch einmal bebrüten. Nun aber schwenke ich meinen Hut, grüße Sie recht herzlich und wünsche Ihnen einen guten Sommer! Und vergessen Sie nicht: 12 %!

      Mit vielen schönen Grüßen Ihr getreuer Tucholsky

      Unterschrieben – zugeklebt – frankiert – es war genau acht Uhr zehn Minuten. Um neun Uhr zwanzig ging der Zug von Berlin nach Kopenhagen. Und nun wollten wir ja wohl die Prinzessin abholen.

      2

      Sie hatte eine Altstimme und hieß Lydia.

      Karlchen und Jakopp aber nannten jede Frau, mit der einer von uns dreien zu tun hatte, »die Prinzessin«, um den betreffenden Prinzgemahl zu ehren – und dies war nun also die Prinzessin; aber keine andre durfte je mehr so genannt werden.

      Sie war keine Prinzessin.

      Sie war etwas, was alle Schattierungen umfaßt, die nur möglich sind: sie war Sekretärin. Sie war Sekretärin bei einem unförmig dicken Patron; ich hatte ihn einmal gesehn und fand ihn scheußlich, und zwischen ihm und Lydia... nein! Das kommt beinah nur in Romanen vor. Zwischen ihm und Lydia bestand jenes merkwürdige Verhältnis von Zuneigung, nervöser Duldung und Vertrauen auf der einen Seite und Zuneigung, Abneigung und duldender Nervosität auf der andern: sie war seine Sekretärin. Der Mann führte den Titel eines Generalkonsuls und handelte ansonsten mit Seifen. Immer lagen da Pakete im Büro herum, und so hatte der Dicke wenigstens eine Ausrede, wenn seine Hände fettig waren.

      Der Generalkonsul hatte ihr in einer Anwandlung fürstlicher Freigebigkeit fünf Wochen Urlaub gewährt; er fuhr nach Abbazia. Gestern abend war er abgefahren – werde ihm der Schlafwagen leicht! Im Büro saßen sein Schwager und für Lydia eine Stellvertreterin. Was gingen mich denn seine Seifen an – Lydia ging mich an.

      Da stand sie schon mit den Koffern vor ihrem Haus – »Hallo!«

      »Du bischa all do?« sagte die Prinzessin – zur grenzenlosen Verwunderung des Taxichauffeurs, der dieses für Ostchinesisch hielt. Es war aber Missingsch.

      Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher Hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt zurück. Lydia stammte aus Rostock, und sie beherrschte dieses Idiom in der Vollendung. Es ist kein bäurisches Platt – es ist viel feiner. Das Hochdeutsch darin nimmt sich aus wie Hohn und Karikatur; es ist, wie wenn ein Bauer in Frack und Zylinder aufs Feld ginge und so ackerte. Der Zylinder ischa en finen statschen Haut, över wen dor nich mit grot worn is, denn rutscht hei ümmer werrer aff, dat deit he... Und dann ist da im Platt der ganze Humor dieser Norddeutschen; ihr gutmütiger Spott, wenn es einer gar zu toll treibt, ihr fest zupackender Spaß, wenn sie falschen Glanz wittern, und sie wittern ihn, unfehlbar ... diese Sprache konnte Lydia bei Gelegenheit sprechen. Hier war eine Gelegenheit.

      »Kann mir gahnich gienug wunnern, dasse den Zeit nich verschlafen hass!« sagte sie und ging mit festen, ruhigen Bewegungen daran, mir und dem Chauffeur zu helfen.

      Wir packten auf. »Hier, nimm den Dackel!« – Der Dackel war eine fette, bis zur Albernheit lang gezogene Handtasche.

      Und so pünktlich war sie! Auf ihren Nasenflügeln lag ein Hauch von Puder.

      Wir fuhren.

      »Frau Kremser hat gesagt«, begann Lydia, »ich soll mir meinen Pelz mitnehmen und viele warme Mäntel – denn in Schweden gibt es überhaupt keinen Sommer, hat Frau Kremser gesagt. Da war immer Winter. Ische woll nich möchlich!« Frau Kremser war die Haushälterin der Prinzessin, Stubenmädchen, Reinmachefrau und Großsiegelbewahrerin. Gegen mich hatte sie noch immer, nach so langer Zeit, ein leise schnüffelndes Mißtrauen – die Frau hatte einen guten Instinkt. »Sag mal... ist es wirklich so kalt da oben?«

      »Es ist doch merkwürdig«, sagte ich. »Wenn die Leute in Deutschland an Schweden denken, dann denken sie: Schwedenpunsch, furchtbar kalt, Ivar Kreuger, Zündhölzer, furchtbar kalt, blonde Frauen und furchtbar kalt. So kalt ist es gar nicht.« – »Also wie kalt ist es denn?« – »Alle Frauen sind pedantisch«, sagte ich. – »Außer dir!« sagte Lydia. – »Ich bin keine Frau.« – »Aber pedantisch!« – »Erlaube mal«, sagte ich, »hier liegt ein logischer Fehler vor. Es ist genauestens zu unterscheiden, ob pro primo...« – »Gib mal'n Kuß auf Lydia!« sagte die Dame. Ich tat es, und der Chauffeur nuckelte leicht mit dem Kopf, denn seine Scheibe vorn spiegelte.

      Und dann hielt das Auto da, wo alle bessern Geschichten anfangen: am Bahnhof.

      3

      Es ergab sich, daß der Gepäckträger Nr. 47 aus Warnemünde stammte, und der Freude und des Geredes war kein Ende, bis ich, diese landsmännische Idylle, der Zeit wegen, unterbrach. »Fährt der Gepäckträger mit? Dann könnt ihr euch ja vielleicht im Zug weiter unterhalten.« – »Olln Döskopp! Heww di man nich so!« sagte die Prinzessin. Und: »Wi hemm noch bannig Tid!« der Gepäckträger. Da schwieg ich überstimmt, und die beiden begannen ein emsiges Palaver darüber, ob Korl Düsig noch am »Strom« wohnte – wissen Sie: Düsig – näää ... de Olsch! So, Gott sei Dank, er wohnte noch da! Und hatte wiederum ein Kind hergestellt: der Mann war achtundsiebzig Jahre und wurde von mir, hier an der Gepäckausgabe, außerordentlich beneidet. Es war sein sechzehntes Kind. Aber nun waren es nur noch acht Minuten bis zum Abgang des Zuges, und... »Willst du Zeitungen haben, Lydia?« – Nein, sie wollte keine. Sie hatte sich etwas zum Lesen mitgebracht - wir unterlagen beide nicht dieser merkwürdigen Krankheit, plötzlich auf den Bahnhöfen zwei Pfund bedrucktes Papier zu kaufen, von dem man vorher ziemlich genau weiß: Makulatur. Also kauften wir Zeitungen.

      Und dann fuhren wir – allein im Abteil – über Kopenhagen nach Schweden. Vorläufig waren wir noch in der Mark Brandenburg.

      »Finnste die Gegend hier, Peter?« sagte die Prinzessin. Wir hatten uns unter anderm auf Peter geeinigt – Gott weiß, warum.

      Die Gegend? Es war ein heller, windiger Junitag – recht frisch, und diese Landschaft sah gut aufgeräumt und gereinigt aus – sie wartete auf den Sommer und sagte: Ich bin karg. »Ja...«, sagte ich. »Die Gegend...« – »Du könntest für mein Geld wirklich etwas Gescheiteres von dir geben«, sagte sie. »Zum Beispiel: diese Landschaft ist wie erstarrte Dichtkunst, oder sie erinnert mich an Fiume, nur ist da die Flora katholischer – oder so.« – »Ich bin nicht aus Wien«, sagte ich. »Gott sei Dank«, sagte sie. Und wir fuhren.

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