Die vergessene Welt. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Die vergessene Welt - Arthur Conan Doyle страница 9

Название: Die vergessene Welt

Автор: Arthur Conan Doyle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754174234

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      »Ich bin Ire, Herr Professor.«

      »Irländischer Ire?«

      »Ja, Herr Professor.«

      »Das klärt die Sache natürlich. Na also, Sie haben mir Ihr Versprechen gegeben, dass mein Vertrauen respektiert werden soll. Dieses Vertrauen ist, möchte ich sagen, keineswegs ein vollständiges, doch bin ich bereit, Ihnen einige Mitteilungen, die nicht ohne Interesse sind, zu machen. Sie wissen wahrscheinlich, dass ich vor zwei Jahren eine Reise nach Südamerika gemacht habe – eine Reise, die man als klassisch in der Geschichte der Wissenschaften bezeichnen wird. Der Zweck meiner Reise war, den Wahrheitsbeweis für einige Behauptungen von Wallace und Bates zu erbringen, was nur geschehen konnte durch Beobachtung der von ihnen berichteten Fakta unter denselben Bedingungen, unter denen sie sie niedergeschrieben hatten. Hätte meine Expedition keine anderen Resultate als diese gehabt, so würde sie immer noch bemerkenswert gewesen sein; aber ein seltsamer Zwischenfall, den ich dort erlebte, hat die Forschung vor völlig neue Aufgaben gestellt.

      Sie wissen vielleicht – oder in diesem halbgebildeten Zeitalter wissen Sie es vielleicht auch nicht –, dass gewisse Landabschnitte im Gebiet des Amazonenstroms erst zum Teil erforscht sind und dass der Hauptstrom eine große Zahl von Nebenflüssen hat, von denen einige noch nicht einmal kartographisch genau aufgenommen sind. Es war meine Aufgabe, in dieses wenig bekannte Hinterland vorzudringen und seine Fauna zu erforschen, die mir das Material für mehrere Kapitel des großen und monumentalen zoologischen Werkes, das meine Lebensarbeit darstellt, geliefert hat. Ich befand mich nach Beendigung meiner Arbeit auf dem Rückwege und musste eine Nacht in einem kleinen Indianerdorf zubringen, das an einer Stelle lag, wo ein gewisser Nebenfluss – dessen Namen und Lage ich verschweige – in den Hauptstrom mündet. Die Eingeborenen waren Cucama-Indianer, ein friedfertiger, aber heruntergekommener Stamm, dessen geistige Fähigkeiten kaum diejenigen eines Durchschnitts-Londoners übertreffen. Ich hatte auf meinem früheren Weg den Fluss hinauf einige von ihren Leuten kuriert und ihnen einen starken Eindruck meiner Persönlichkeit hinterlassen, so dass ich nicht überrascht war, dass sie mich bei meiner Rückkehr lebhaft erwarteten. Ich entnahm ihren Gesten, dass irgend jemand dringend meiner medizinischen Hilfe bedurfte, und folgte dem Häuptling in eine seiner Hütten. Als ich sie betrat, stellte sich heraus, dass der Leidende, zu dessen Hilfe man mich gerufen hatte, gerade gestorben war. Es war zu meiner Überraschung kein Indianer, sondern ein Weißer, und zwar ein Weißer in besonderem Sinne. Denn er hatte flachsfarbene Haare und wies Zeichen von Albinismus auf. Seine Kleidung bestand in Lumpen, sein Körper war sehr abgemagert und trug alle Spuren langdauernder Entbehrung. Nach allem, was ich aus dem Bericht der Eingeborenen entnehmen konnte, handelte es sich hier um einen ihnen völlig fremden Mann, der allein und im Zustande höchster Erschöpfung quer durch den Urwald zu ihnen gekommen war. Der Tornister des Mannes lag neben dem Lager, und ich untersuchte seinen Inhalt. Sein Name war auf einen Lederstreifen geschrieben – Maple White, Lake Avenue, Detroit, Michigan. Das ist ein Name, vor dem ich immer meinen Hut ziehen werde. Es ist nicht zu viel gesagt, dass er neben dem meinen stehen wird, wenn einst die Wissenschaft das Verdienst in dieser Angelegenheit gerecht verteilen wird. Aus dem Inhalt des Tornisters ging klar hervor, dass der Mann ein Künstler und Dichter war, der Motive gesucht hatte. Auch eine Menge von Versen fanden sich. Ich halte mich für keinen kundigen Beurteiler dieser Dinge, aber ich hatte den Eindruck, dass sie nicht eben bedeutend waren. Weiter fanden sich noch einige minderwertige Bilder von Fluss-Szenerien, ein Malkasten, eine Schachtel mit bunter Kreide, einige Pinsel, dieser gebogene Knochen, der da auf meinem Schreibtisch liegt, ein Band von Bacsters Werk über Falter und Schmetterlinge, ein billiger Revolver und einige Patronen. Persönliche Ausrüstungsgegenstände hatte er entweder nicht, oder sie waren während seiner Reise verloren gegangen. Das war der ganze Besitz dieses merkwürdigen amerikanischen Zigeuners.

      Im Begriff, die Hütte zu verlassen, bemerkte ich noch einen Gegenstand, der vorn aus seiner zerrissenen Jacke herausragte. Es war dies Skizzenbuch, in dem zerrissenen Zustande, in dem Sie es hier vor sich sehen. Ich kann wohl sagen, dass ein einziges aufgefundenes Blatt von Shakespeare nicht mit einer größeren Ehrfurcht behandelt werden könnte, als wie es mit dieser Hinterlassenschaft geschah, seit sie in meinem Besitz ist. Ich gebe Ihnen das Buch in die Hand und bitte Sie, es Seite für Seite durchzusehen und seinen Inhalt zu prüfen.«

      Er steckte sich eine neue Zigarre an, legte sich mit stolzen, kritischen Augen in seinen Stuhl zurück und beobachtete die Wirkung, die dieses Dokument auf mich haben würde.

      Ich hatte das Buch mit einer gewissen Erwartung auf Enthüllungen, obgleich ich noch keine Vorstellung hatte, welcher Art diese sein könnten, geöffnet. Die erste Seite enttäuschte mich allerdings. Denn sie enthielt nichts als das Bildnis eines sehr dicken Mannes in einer blauen Tuchjacke mit der Unterschrift »Jimmy Colver auf dem Postboot«. Dann folgten mehrere Seiten mit kleinen Skizzen aus dem Leben der Indianer. Dann kam das Bild eines freundlichen und korpulenten Geistlichen mit einem flachen, breitkrempigen Hut, der einem dünnen Europäer gegenübersaß, mit der Unterschrift »Frühstück mit Fra Christofero in Rosario«. Studien von Frauen und Kindern füllten einige weitere Seiten, und dann folgte eine ununterbrochene Reihe von Tierzeichnungen mit Unterschriften, wie »Seekuh auf einer Sandbank«, »Schildkröten mit ihren Eiern«, »Schwarzes Ajuti unter einer Miriti-Palme« – – auf dem letzten davon erblickte ich ein schweinähnliches Tier, und schließlich kam eine Doppelseite von Studien von einem langschnäuzigen und höchst widerwärtigen Saurier. Ich konnte nichts anfangen damit und sagte das dem Professor.

      »Das sind doch sicher Krokodile?«

      »Alligatoren! Alligatoren! Wirkliche Krokodile gibt es ja gar nicht in Südamerika. Der Unterschied zwischen diesen – –«

      »Ich wollte sagen, ich sehe nichts Ungewöhnliches – nichts, was Ihre Worte bestätigen könnte.«

      Er lächelte gelassen. »Sehen Sie sich die nächste Seite an«, sagte er. Auch diese bot nichts Besonderes. Es war eine ganzseitige Zeichnung einer roh in Farben angelegten Landschaft – eine Art von Farbenskizze, wie sie ein Freilichtmaler als Grundlage für ein später genauer auszuführendes Bild benutzt. Man erkannte einen blaßgrünen Vordergrund mit geringem Pflanzenwuchs, der nach hinten zu anstieg und in eine dunkelrote Felswand mit eigenartigen senkrechten Streifen auslief, wie ich es auf Basaltformationen gesehen hatte. Diese Felsen bildeten einen ununterbrochenen Wall quer über den Hintergrund. An einer Stelle erblickte man einen einzigen pyramidenförmigen, von einem großen Baum gekrönten Felsen, der durch eine Kluft von dem Hauptmassiv getrennt schien. Über allem ein tropisch blauer Himmel. Eine dünne grüne Linie von Pflanzen bekränzte den oberen Rand der roten Klippen. Auf der nächsten Seite fand sich eine Tuschzeichnung derselben Örtlichkeit, aber aus größerer Nähe gesehen, so dass man die Einzelheiten klar unterscheiden konnte.

      »Nun?« fragte er.

      »Das ist zweifellos eine merkwürdige Formation«, sagte ich. »Aber ich bin nicht Geologe genug, um zu sagen, dass sie erstaunlich ist.«

      »Erstaunlich!« wiederholte er. »Sie ist einzig! Sie ist unglaublich! Kein Mensch auf der ganzen Welt hätte sich je eine solche Möglichkeit träumen lassen. – Nun der Text.«

      Ich schlug um und stieß einen Schrei der Überraschung aus. Ich erblickte ein ganzseitiges Bild des merkwürdigsten Tieres, das ich je gesehen hatte. Das war der wilde Traum eines Opiumrauchers, die Vision eines Deliriumkranken – der Kopf glich dem eines Vogels, der Körper dem einer aufgedunsenen Eidechse, der lange schleppende Schwanz war gespickt mit aufwärts gerichteten Stacheln und der gekrümmte Rücken eingefasst von sägeartigen Fransen, die aussahen wie ein Dutzend hintereinander angeordneter Hahnenkämme. Vor dem Tier stand ein lächerliches Männchen oder ein Zwerg in Menschengestalt, der das Ungetüm anstarrte.

      »Nun, was denken Sie darüber?« rief der Professor aus, triumphierend die Hände reibend.

      »Das ist furchtbar СКАЧАТЬ