Sexy Zeiten - 1968 etc.. Stefan Koenig
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Название: Sexy Zeiten - 1968 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783742739810

isbn:

СКАЧАТЬ wenn du in diese Welt eintrittst. Dennoch nimmst du diese wichtige Tätigkeit wahrscheinlich als gegeben hin.“ Natürlich nahmen wir das als gegeben hin. Sollten wir die Luft alle fünf Minuten für zwei Minuten anhalten, um uns der tieferen Bedeutung des Atmens bewusst zu werden?

      Dann hieß es, in unterstrichener Kursivschrift:

      „Dieses Buch setzt voraus, dass du nie über Atmung und Sex im Zusammenhang nachgedacht hast und dass du niemals die zentrale Rolle erkannt hast, die der Atem in deinem Liebesleben spielt.“

      Wir lasen noch ein wenig weiter, bis wir zu den Themen Der Scheidendruck und Der japanische Hodenzug kamen. Nun wurden wir endlich praktisch und Amy hantierte laut Gebrauchsanweisung an meinem Sack rum: „Nimm einen Hoden in jede Hand und ziehe sie sanft nach unten, einmal für jedes Jahr deines Lebens. Ziehe nach unten, halte fest, bis du bis drei gezählt hast und lass dann los.“ Amy zog siebzehn Mal. Das war korrekt.

      Jetzt machten wir das, wozu wir gerade aufgelegt waren, wir knutschten uns, alberten rum, machten uns über unsere Lehrer lustig und fummelten noch eine Weile. Amy las ich nun leise bei Kerzenschein mein Liebesgedicht vor. Im Schlafzimmer über uns stöhnte wieder einmal die lüsterne Frau Winkelmann. Das war der passende Soundtrack für mein Liebeslyrik-Plagiat:

       oh geliebte!

       ich ruf es an unserem brunnen

       ich schreib es mit farbe

       auf die ruine der alten oper

       ich werb mit schildern in der stadt

       ich ruf es in die ufa-wochenschau hinein

       ich lass vom zeppelin flugblätter abwerfen

       ich besetze fernsehstationen

       und verkünd es in der abendschau

       ich liebe dich

       ich tue alles für dich

       ich schreib es zwischen die zeilen meiner hausaufgaben

       ich berechne es im dreisatz

       ich beweis es in reagenzgläsern

       ich schreib es heimlich an die klassentafel

       ich träume nachts davon und werde feucht

       ich liebe dich

       ich tue alles für dich

       ich spüre es bei deiner zärtlichen umarmung ich schmecke es bei deinem kuss

       ich höre es aus deinen sanften worten

       ich rieche es an deinem aufregenden körper ich seh es in deinen wunderschönen augen

       du liebst mich

       du tust alles für mich

      Amy und ich verbrachten noch eine romantische Nacht bei Kerzengeflacker und O-Saft. Aber morgens um halb Fünf war für Amy die Nacht zu Ende. Dann schlich sie sich durch den Hintereingang aus unserem Haus, musste fünfzehn Minuten nachhause laufen, um sich heimlich in ihr Zimmer zum Restschlaf einzuschleichen. Ihre Schwester wusste Bescheid und hielt zu ihr.

      „Mach ihr bloß kein Kind!“, hatte sie mir mal beiläufig gesagt. Aber es klang gar nicht beiläufig, sondern echt besorgt. Beide Mädels wussten von ihrer Mutter, was es bedeutete, zu früh und alleinerziehend ein „uneheliches“ Kind in die Welt zu setzen. Es bedeutete nicht nur ein Leben in Armut, sondern auch eine fühlbare Ächtung von Mutter und Kind durch Verwandte, Nachbarn, Vorgesetzte. Nichts war schlimmer für das gute alte Bürgertum als eine unverheiratete Frau mit einem unehelichen Balg.

      *

      Oberstudienrat Cornelius brachte uns gutes Deutsch bei, zweifellos, aber Phantasie konnte er uns nicht leh­ren. „Da müssen Sie sich schon selber etwas einfallen lassen!“, gab er uns bei freien Aufsätzen den Rat. Bis-her hatte ich immer Einser geschrieben, doch mit den freien Aufsätzen, die mir eine wahre Lust waren, erhielt ich von Cornelius „widerwillig“, wie er betonte, meine erste doofe Zwei, weil ich keinen Anfang und kein Ende finden könne.

      Ich war äußerst kreativ und erfand die ungewöhnlichsten Geschichten. Da übernahmen Jugendliche wie wir die Macht im Staat und wählten ihren eigenen Bundespräsidenten und einen jugendlichen Kanzler, beides waren selbstverständlich Männer, denn Frauen waren an dieser Stelle noch völlig undenkbar. Später jedoch würden selbst diese Figuren – so schrieb ich im Aufsatz – abgeschafft, weil in einer gewaltfreien Gesellschaft keine solch wichtigtuerischen Amtsträger nötig sind. Das, so fand der Herr Oberstudienrat, gehe über die Realität weit hinaus, dann könnte ich ja gleich vom Paradies schreiben. Was ich im nächsten freien Aufsatz auch machte. Da bekam ich eine Vier, weil „Thema verfehlt“.

      *

      Fast ein Jahr nach meinem Austritt aus der Nachwuchsorganisation der CDU klingelte es nachmittags an der Tür. Lollo öffnete und rief: „Stefan, für dich!“

      Flugs kam ich aus meinem Kellerloch hoch und stand zwei unbekannten Jünglingen gegenüber. Erst hatte ich den Eindruck, die Zeugen Jehovas hätten ihre Propagandatrupps enorm verjüngt, dann aber dämmerte es mir, als ich das Abzeichen auf ihren Anzugrevers sah. Beide waren in meinem Alter, einer im grauen und der andere im dunkelblauen Anzug. Sie sahen aus wie Mamasöhnchen, die stets ihren Spinatteller brav aufaßen. Der etwas größere stellte sich als der neue JU-Vorsitzende vor, der andere sei sein Stellvertreter, und sie wollten gerne noch mal mit mir wegen der Mitgliedschaft in der Jungen Union sprechen. Man könne die Mitgliedschaft ja ruhen lassen, wenn ich derzeit wegen der Schule viel zu tun habe.

      Ich hatte eigentlich keinen Bock auf großartige Diskussionen, und fragte sie ganz einfach, was sie von den amerikanischen Bombenteppichen über Vietnam hielten. Die beiden guckten erst etwas verdattert, dann beteten sie das herunter, was ihnen als brave Untertanen ihre Alten eingetrichtert hatten. „Amerika verteidigt dort die Freiheit gegen den Sozialismus“, sagte der Größere.

      „Das müsstest du doch wissen!“

      „Und wer hat die Amerikaner gerufen?“, fragte ich. „Vielleicht wollen ja die Vietnamesen den Sozialismus.“

      „Es geht ja darum, dass der Kommunismus die ganze Welt beherrschen will.“

      „Das will doch der Kapitalismus auch“, sagte ich. „Und überhaupt: Was ist denn der Unterschied zwischen Sozialismus und Kommunismus?“ Ich hoffte, sie würden mich nicht dabei erwischen, dass ich es selbst nicht zu erklären wusste. Das einzige, worüber ich mir im Klaren war, war die Unmenschlichkeit dieses Krieges im Namen von Freiheit, Menschenwürde und anderen unehrlichen Floskeln.

      „Ich glaube, du stehst nicht mehr auf unserer Seite“, meinte der Wortführer.

      „Christen СКАЧАТЬ