Die Farben des Abends. Wolfgang Bendick
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Название: Die Farben des Abends

Автор: Wolfgang Bendick

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742759061

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СКАЧАТЬ lösten wir uns voneinander, wie wenn man aus einem Traum erwacht. Wir standen auf. Ich putzte ihr etwas den Schnee von den Klamotten, sie mir ebenfalls und steckt mir dabei eine Handvoll Schnee in den Nacken. Ich wehre mich lachend, packe sie und schon liegen wir erneut im ‚Frau Holle Bett‘, während unsere Münder sich suchen, unsere Zähne sich berühren und die Zungen sich umschlingen wie Schnecken in ihrer Hochzeitsnacht…

      Vor lauter Rangeln waren unsere Hemden aus der Hose geglitten. Als wir merkten, dass unsere nackten Rücken den kalten Schnee berührten, fanden wir in die Realität zurück. Wir halfen einander in die Höhe und stäubten uns gegenseitig ab, ohne zu verbergen, dass einem jede Berührung des Anderen höchstes Glück vermittelte, ebenso wie den Anderen zu berühren einem selber einen süßen Schauder gab. Dann die Skihosen auf um die Hemden und alles wieder in Ordnung zu bringen. Dabei drehten wir uns leicht zur Seite. Es war erstaunlich, wo der Schnee sich überall festgesetzt hatte! Dabei glitten die Hände auch über Orte, wohin sie sich unter normalen Bedingungen nicht verirrt hätten. Immer wieder begegneten sich unsere verschmitzten Blicke. Ich war glücklich, denn ich liebte sie und fühlte, dass in ihr das Gleiche vorging. Die Sonne neigte sich schon hinter der Hammerspitze, der Schatten stieg mit hurtigen Schritten aus dem Tal, die Umgebung glich einer Schwarz-Weiss-Fotographie. „Schau, da hinten die goldroten Berge!“, sagte sie, legte mir den Arm um die Hüfte und kuschelte sich an mich. Ich gab ausnahmsweise mal keinen Kommentar, denn mein Mund war damit beschäftigt, den ihrigen zu suchen. Ich drehte dem Alpenglühen den Rücken zu. Ich sah es in ihren Augen sich widerspiegeln. Was war sie schön! Ich drängte mich an sie, fühlte mich so wohl. Sie anscheinend auch in meinen Armen. Sie hatte noch eine Stunde bis Arbeitsbeginn, ich hatte mehr oder weniger gleitende Arbeitszeit und war ungebunden. Sie lud mich zu einem Tee in ihr Zimmer ein. Ich schwebte im siebten Himmel!

      Sie erzählte mir, dass ihr Vater vor rund 15 Jahren, als er noch am Leben war, mit ihnen hier oben Skiurlaub gemacht hatte, und dass sie deshalb hierhergekommen war zum Jobben. Zu viele schöne Erinnerungen verband sie mit diesem Ort! „Ach du!“, seufzte sie und zog mich an sich. Sie erzählte von ihrem kleinen Bruder, 13 Jahre alt, der bald mit der Mutter hierherkommen würde.

      Am Abend, als das Büffet aufgeräumt war und wieder eine Party lief, trafen wir uns erst bei mir im Zimmer. Herbert, der andere Bewohner, ließ uns in Ruhe und verschwand mit einem breiten Grinsen, um mit den anderen zu feiern. Doch es war uns zu laut im Haus, da das Zimmer genau über dem Saal lag. So waren wir hinausgegangen und schauten händchenhaltend den glitzernden Sternenhimmel an, der uns so tief erschien, wie der Blick in des Anderen Augen. Etwas fröstelnd schmiegten wir uns aneinander. „Komm, gehen wir in mein Zimmer, da ist es warm und ruhig!“ sagte sie und zog mich an der Hand mit sich.

      Philemon und Baucis

      Bald lagen wir da oben auf dem Bett, das war der einzige bequeme Platz. Sie hatte eine Kerze angezündet, wir schlürften einen heißen Tee und lagen uns in den Armen. Verging die Zeit langsamer? War sie still gestanden, wie es uns vorgekommen war, aus Rücksicht auf uns Verliebte? Vielleicht war es so gewesen und sie war dann mit einem Ruck weitergesprungen, als wir Einer in des Anderen Armen eingeschlummert waren. Denn es gab ja noch andere Wesen auf der Welt, die dem Ablauf der Zeit unterworfen waren… Jedenfalls wurden wir irgendwann gleichzeitig wach. Vom Haus hörte man keine Partygeräusche mehr. Alle Lichter waren erloschen. Auch unsere Kerze. Nur die Sterne funkelten ihre Ewigkeit durch die quadratischen Scheiben, und gravierten sie langsam, vom Rand her, wie ein Glasschleifer, mit einem verschlungenen Blumenmuster. „Ich glaube, ich sollte schlafen gehen!“, murmelte ich müde. Denn für den morgigen Tag waren Großeinkäufe vorgesehen. „Ach bleib doch, dann ist keiner von uns alleine, nach diesem schönen Abend. Und das Bett ist doch groß genug für uns Beide!“ Und das war es! Eher noch zu groß, denn in unserer Sehnsucht zueinander hielten wir uns eng umschlungen. Wir hatten uns ausgezogen, jeder hielt nur ein letztes Höschen an. Doch auch das hätte es nicht gebraucht. Denn unsere Hände ertasteten am Anderen immer neue Geheimnisse, unsere Worte öffneten dem Anderen das Tiefstinnerste seiner Gedanken, unsere Gefühle führten uns in unsere Seelen. Sie hauchte mir ins Ohr, dass sie noch Jungfrau sei. Das hatte ich auch schon geahnt. Aber das war im Augenblick gar nicht gefragt. Zu vieles hatten wir vorher noch zu lernen, zu vieles miteinander auszutauschen. Halb wach, halb im Schlaf, aber voll im Glück verlief die Nacht. Ich streichelte ihren Körper mit den Händen, uns wurde heiß, sodass wir uns aufdecken mussten und im Kerzenschein unsere Anatomien erforschten. Wir vergingen schier vor Sehnsucht zueinander. Ich war hart wie ein Baumstamm, sie sanft wie eine Schlingpflanze.

      Am nächsten Tag tat jeder seine Arbeit. Eigentlich hätten wir hundsmüde sein müssen, doch schöpften wir wohl unsere Kraft aus der Erinnerung an die letzte Nacht. Vielleicht auch aus der Erwartung der nächsten. Während des Essens ließen wir uns nichts anmerken. Wir warfen uns ab und zu schelmische Blicke zu und berührten uns mit den Füssen unterm Tisch. Eine Stelle aus dem Buch ‚Die Aula‘ meines Abiturschriftstellers Herrmann Kant kam mir in den Sinn: ‚sie taten, als kennen sie sich nicht‘. Sie hatte es auch gelesen. „,Sie taten, als kennen sie einander nicht!‘, müsste das heißen“, flüsterte sie mir zu. Wir fieberten dem Abend entgegen. Und dieser fand uns wieder unter dem glitzernden Himmelsdach. „Schau mal, da, eine Sternschnuppe!“ Und diese zog eine so lange Bahn, dass wir eine ganze Litanei an Wünschen hätten formulieren können. Doch wir hatten nur einen. „Kennst du eigentlich die Geschichte von Philemon und Baucis?“, fragte sie mich. „Die, wo ein Gott durch die Welt geht und nirgendwo, außer bei ein paar alten, armen Leuten Obdach findet?“ „Ja, und wo er sie beim Abschied fragt, ob er ihnen einen Wunsch erfüllen kann?“ „Genau die! Sie sagen, sie haben keinen Wunsch mehr. Sie seien alt und bräuchten nichts mehr, außer zusammen zu bleiben!“ „Und sie umarmen sich. Der Gott geht weiter. Langsam bedecken sich die Körper der zwei Alten mit Rindenschuppen, die Haare werden zu Ästen, die sich miteinander verflechten, die Zehen werden zu Wurzeln, die sich im Boden umschlingen. So stehen sie heute noch!“ „Du, weißt du, so möchte ich auch mal mit dir zusammen die Erdenzeit beenden!“ „Ich auch!“ Und wir liegen einander in den Armen, weinend. Vor Glück. Ob es Götter gibt? Ob unser Wunsch erhört wird? Doch bis dahin haben wir erst mal ein gerechtes Erdenleben hinter uns zu bringen! Und das nehmen wir uns in diesem Augenblick vor.

      Zusammen

      seit Entstehung aller Trennung

      zusammen

      diese Lebenszeit

      zusammen

      überall mit Allem

      zusammen

      in Zeit und Ewigkeit

      Zusammen

      auf dem Weg durchs Leben

      zusammen

      zur Vollkommenheit

      zusammen

      Auflösung erstreben

      zusammen

      bis Ablegen der Form uns eint

      Die Nacht gehört den Liebenden. Unsere Hände gleiten an die Stellen, die gestern noch tabu waren. Meine Finger suchen die Pforte zum Paradies. Sie ist Eva, ich werde zu Adam. Ihre Mitte ist die süße Frucht, nach der sich mein ganzes Sein sehnt! Und meine Mitte wird zum Stamm des Baumes inmitten des Paradieses! Langsam, ganz langsam! Ich will ihr ja nicht wehe tun. Und alles hat Zeit! Nichts wird uns in diesem Leben entgehen. Das Höchstmaß an Glück ist jedem Menschenkind bestimmt! Was heute schön wäre, ist morgen noch schöner. Und reden wir mal gar nicht von übermorgen!

      So verbringen wir die nächsten СКАЧАТЬ