INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST
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СКАЧАТЬ nickte. »Ich kneif die Arschbacken zusammen, Herr Hauptmann.«

      »Schön. Heute Abend hat dein Zug frei. Im Foyer könnt ihr anschreiben lassen. Das Bier ist zwar nicht das Beste, aber es ist besser als gar kein Bier. Wegtreten, Montag.«

      Als sich die Tür hinter Legionär Montag schloss, starrte der capitaine, Stellvertreter von Louis-le-Magnifique wie man Oberst Gaultier, seinen Chef, auch nannte, noch lange Zeit auf dessen Akte, die offen vor ihm auf dem Schreibtisch lag. In Gedanken war er jedoch längst woanders. Nicht der Deutsche beschäftigte ihn, sondern die neuen Entwicklungen innerhalb der Legion. Er glaubte nicht daran, dass es der Legion gelingen könnte, auf die Schnelle eine Fallschirmtruppe auf die Beine zu stellen. Eine, die was taugte. Mit dem Gedanken stand er übrigens nicht alleine da. Die alte Legion, so dachten viele Stabsoffiziere, war viel zu schwerfällig, zu unflexibel. Sie war genau das Gegenteil von dem, was man sich unter einer innovativen und modernen Fallschirmjägertruppe vorstellte. Na wenn das mal gut geht, flüsterte er und wandte sich wieder seinen Papieren zu. Ein paar Minuten später hatte er Montag aus seinem Gedächtnis gestrichen.

      Das Bier im Foyer der Legionärskantine war lauwarm und fast ungenießbar. Hinter der Theke tat ein caporal-chef sein Bestes, um Bar und Laden gleichzeitig zu schmeißen. Es gab nur das Notwendigste und von dem nicht gerade viel: Zigaretten, Tabak und Zigarettenpapier, Wein, Zahnpasta und Schnürsenkel.

      Anschreiben lassen?

      Wohl ein Gerücht und Geld hatte Montag keins!

      Die Legionärskantine war brechend voll. Hauptsächlich fanden sich hier Legionäre, die, wie Karlheinz Montag, für das Detachement EO ´Verstärkung Extrême Orient` vorgesehen waren. Von überallher hörte Montag immer wieder dasselbe Wort. Indochina.

       L'Indo!

      »Wusstest du etwa, dass hier irgendwo ein Kindergarten ist?«

      Ein bulliger Legionär mit englischem Akzent deutete auf Montag, während der Unteroffizier zu dem er sprach, ein von der Sonne braun gebrannter hagerer sergent, fast unbeteiligt an seinem Bier nippte. Karlheinz Montag war nur 1,64 m groß, Er sah aus wie ein Schulbub, doch an Verwegenheit fehlte es dem Saarländer nicht. Er fühlte sich angesprochen.

      »Meintest du mich?«

      Der Brite reagierte genauso, wie Montag es erwartete. Er wollte zeigen, was er im Sack hatte, trat angriffslustig einen Schritt auf den Saarländer zu. Was danach kam, daran konnte er sich später nicht mehr erinnern, sehr wohl jedoch der sergent, der plötzlich gar nicht mehr lethargisch, sondern recht interessiert dreinschaute. Montag hatte den Briten mit einem gemeinen blitzschnellen Schlag gegen die Schläfe glatt aus den Stiefeln gehauen und wappnete sich auf einen weiteren Angriff. Der aber blieb aus. Hatte er erwartet, dass alle anderen nun über ihn herfallen, so wurde er herb enttäuscht. Das Gegenteil war der Fall. Manch einer klopfte ihm auf die Schulter und er erntete hier und da bewundernde Blicke. Und es regnete Komplimente.

       Good job.

       Très bien.

       Nicht schlecht!

      Nichtsdestotrotz wurden Montag und der Brite kurzerhand von der Militärpolizei abgeführt.

      Philippeville, Sétif

      Der Hügel dominierte den Hafen der Stadt Philippeville. Ein schmaler Weg, beidseitig gesäumt von Häusern mit blauen Fensterläden und weiß vom chaux, führte über Umwege bis zur Caserne de France, die mitten in der Stadt lag. Weit unten schimmerte das Meer blauweiß und in der milden Luft lag dieses typische Flair alter Hafenstädte Nordafrikas. Es roch nach Fisch, Salz und Rauch. Am azurblauen Himmel schrie eine Möwe, doch ihr Geschrei wurde von einer noch lauteren Stimme übertönt.

      »Garde à vous ... Stillgestanden!«

      Der adjudant-chef, klein und hager, stand auf einem Kilometerstein am Wegesrand damit man ihn nur nicht übersehen konnte. Die Legionäre rührten sich keinen Millimeter mehr vom Fleck, die Stille war absolut.

      »Herhören, Bande Lustig. Dem Bürgermeister gefällt angeblich euer lieblicher Gesang so gut, dass er mehr davon hören will.«

      Tatsache war, dass der Bürgermeister von Philippeville sich erst gestern wieder beim Kommandeur der Legion darüber beschwert hatte, dass die Legionäre in seiner Stadt deutsche Marschlieder sangen. Aber das sagte der adjudant-chef den Legionären natürlich nicht.

      »Den Gefallen werden wir ihm tun«, polterte er stattdessen. »Ich möchte kein Gepiepe, sondern laute Männerstimmen. Montag!«

      »Oui, mon adjudant-chef!«

      »Gib den Ton für ´Schöner Westerwald`.«

      Singend marschierten die Legionäre im Gleichschritt den Hügel hinunter in die Stadt. An jedem zweiten Fenster der Häuserallee zeigten sich die Bewohner mit einer Mischung aus Neugier, Begeisterung oder mit offen an den Tag gelegtem Hass.

      …ei da pfeift der Wind so kalt.

      Die nächsten Tage und Wochen sollte Karlheinz Montag nie vergessen. Weder das Gefühl peu à peu Teil einer großen Familie zu werden, noch den Geruch von Kerosin der sie einlullte, wenn sie wartend, den Schirm auf dem Rücken hinter den Flugzeugen standen. An der Sprungausbildung nahmen teil: ein adjudant, eine Handvoll Unteroffiziere und etwa fünfundfünfzig Legionäre. Die Ausbildung zum Fallschirmjäger übertraf alles, was diese Freiwilligen bisher erfahren hatten. Sie absolvierten sechs Sprünge im Eilverfahren, den ersten davon nervös, angespannt und mit der Frage im Hinterkopf: Werde ich den nötigen Mut aufbringen und wirklich aus der guten alten Tante Ju springen?

Bild 3

       Junkers Ju 52.

      Und wenn nicht? Spott und Hohn, eine Schande. Go! Hopp - einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Schock brutal. Herzschlag 180. Kappe überprüfen. Rundumschau halten, fertigmachen für den roulé-boulé, dem Abrollen am Boden. Kontakt. Alle Knochen heil? Gott sei Dank haben sich die Herren Offiziere von Sidi Bel-Abbès nicht durchsetzen können, als sie allen Ernstes der Meinung waren, Fallschirmjäger der Legion könnte man ohne Helm und nur mit dem Képi Blanc auf dem Kopf springen lassen. Auf, marsch, marsch. Die Zeit drängt. Brassage - den Schirm einholen, im Laufschritt zum Sammelpunkt. Und während die anderen dann bei Sonnenuntergang ihre wohlverdiente Bettruhe nahmen, führte die police militaire Montag und Bailey, den Briten, in ihre Zelle. Dreißig Tage Bau hatten sie für die Keilerei bekommen. Schlafen auf kalten Boden. Ohne Matratze, ohne Decke. Bekleidet nur mit Unterhosen. Das Ungeziefer, die Moskitos aber mehr noch die Wanzen sorgten dafür, dass sie kein Auge schlossen. Wecken vier Uhr morgens. Mit dem Rucksack auf dem Rücken umrundeten sie den Exerzierplatz. Eine Stunde, zwei Stunden lang. Die Trageriemen der Rucksäcke hatte die police militaire wohlweislich entfernt und durch Draht ersetzt, der tief in die Schultern schnitt und offene Blessuren hinterließ. »Das ist Draht von den verdammten Feldtelefonen«, stöhnte Bailey und röchelte um Luft. »Und was die Striemen angeht, so schwören die Alten von der compagnie montée (auf Maultieren aufgesessene Kompanien der Legion) darauf, dass die Pisse ihrer Maultiere die Wunden besser desinfiziert als das normale Zeug. Wer‘s glaubt, wird selig.«

      Noch im Laufen reichte er Montag die Hand und grinste schief.

      »Ich denke, dass wir dieses Drecknest bald verlassen. СКАЧАТЬ