INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST
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      »Reden Sie schon«, drängte Caillaud nun ungeduldig. »Ein Problem, das man kennt, ist bekanntlich keins mehr.«

      »Das hier schon«, beharrte Decorse und trat von einem Bein aufs andere. »Giap rechnet mit einer Luftlandeoperation und erwartet den Gegner bereits. Weiß der Teufel, wie es Nguyen Binh immer wieder gelingt, Informationen über unsre Vorhaben zu bekommen, aber lassen wir das. Dann wäre da noch das Wetter. Es schüttet da unten wie aus Eimern und der Wind bläst mit zweiundzwanzig Stundenkilometern. Wenn Ihre Legionäre nicht schon vom Vietminh in der Luft abgeschossen werden, brechen sie sich mit Sicherheit bei einem solchen gewagten Sprung das Genick.«

       »Moment mal, mon commandant. Sie sprachen von Problemen.«

       Decorse schmunzelte. »Die Luftwaffe kann Ihre Kompanie nicht unterstützen, denn die fliegen bei so einem Wetter gar nicht. Es ist ein Himmelfahrtskommando, Caillaud. Ich kann und darf Ihnen nicht befehlen, dort abzuspringen. Das wäre gegen jede Vernunft. Den Sprung durchzuführen hieße gegen sämtliche Vorschriften bezüglich des Einsatzes von Luftlandetruppen zu verstoßen.«

       »Vorschriften?«, blaffte Caillaud verächtlich. »Wir befinden uns im Krieg, soviel ich weiß. «

      Der Ansatz eines Lächelns spielte in den Mundwinkeln des commandants. »Trotzdem. Wenn Paris davon erfährt, rücken meine Generalsterne in weite Ferne. Es sei denn...?«

      »Es sei denn, ich wäre verrückt genug, um diesen Einsatz quasi zu betteln«, lachte Caillaud wurde aber sofort wieder ernst. »Meine Männer warten nur auf den Moment, an dem ich Ihnen sage, allons y au casse pipe. Es geht wieder los.«

Bild 14

       Douglas Dakota C-47.

      Bereits eine Viertelstunde später war Caillaud umringt von seinen Zug- und Gruppenführern. Sie wollten wissen, um was es ging. Der Einsatzplan mit allen Details folgte. Nachdem sie gebrieft waren, ging alles sehr schnell. Die Motoren der sechs Dakotas spuckten. Punkt siebzehn Uhr hob die erste Maschine mit Caillaud, seiner Kompanieführungsgruppe und commandant Decorse an Bord ab. Sie flog zunächst in sicherer Höhe über Tra-Vinh hinweg und raste dann im gefährlichen Tiefflug über Hieu-Tu. Wütende MG-Salven schlugen ihr entgegen. Caillaud, der mit Decorse von der Pilotenkabine aus nach unten starrte, blieb davon völlig unbeeindruckt. Obwohl: Was er sah, konnte ihm nicht gefallen. Hieu-Tu war vom Feind total kontrolliert. Selbst bei der schlechten Sicht konnte er deutlich die Spuren frischer Kämpfe erkennen. Am Straßenrand an der nördlichen Anfahrtsstraße brannten dem Regen zum Trotz mehrere Fahrzeuge. Soldaten lagen dort, wo der Tod sie ereilt gerade hatte. Caillaud legte dem Bordfunker die Hand auf die Schulter um auf sich aufmerksam zu machen. »Haben Sie mit den Jungs am Boden Funkkontakt?«

      Der Bordfunker machte ein paar vergebliche Versuche, zuckte dann aber frustriert die Schulter. »Tut mir leid.«

      Als die Dakota über Hieu-Tu hinweg war, deutete Caillaud auf eine freie Fläche südöstlich von dem Ort. Es war ein Reisfeld, in dem das Wasser Meterhoch zu stehen schien. Begrenzt durch unzählige Dämme, sah die Gegend von oben aus, wie ein riesiger Swimmingpool.

Bild 15

      … die letzten Momente vor dem Sprung über Hieu-Tu.

      »C'est magnifique«, sagte Caillaud schließlich. »Fantastisch. Wir springen über diesen Feldern ab. Sehr tief allerdings, keines Falls höher als 100 Meter. Je kürzer die Zeit am Schirm, desto weniger Zeit bleibt dem Vietminh, ein Tontaubenschießen zu veranstalten. Hoffen wir, dass keiner meiner Männer den Reserveschirm ziehen muss, das wär's dann nämlich.«

      Der Kommandant der Flotte nickte und der Absetzleiter schrieb eifrig mit. »Ein einziger Anflug. Achse Nordost – Südwest. Alle sechs Maschinen dicht hintereinander. Hundertzweiunddreißig Mann. Absetzhöhe 100 Meter. Ist das so richtig?«

      Decorse nickte und bekreuzigte sich, als die Tür sich öffnete und der Wind ihnen den Regen ins Gesicht peitschte. »Wenn das mal gut geht.«

      Als der Pilot des Dakota Leitflugzeugs Sichtkontakt mit den anderen fünf Maschinen hatte, brachte er sich in die Achse und ging runter auf 100 Meter.

      »Aufstehen, einhaken!« Die Fallschirmjäger des zweiten Zuges sprachen kein Wort. Jeder dachte an den imminenten Sprung. Dachte daran, was man Ihnen in Philippeville eingebläut hatte. Der Feind am Boden schien für den Moment noch unwichtig. Alles zu seiner Zeit. Karlheinz Montag konnte sich nur mit Mühe erheben. Seine Glieder waren steif, das Sprunggepäck wog schwer. Er hatte den Lastensack voll mit Gewehrgranaten und Munition. Vorsichtshalber hatte er noch eine Flasche Reisschnaps und amerikanische Zigaretten eingepackt, wer weiß ob es in Cochinchina so etwas gab.

      »Fertig zum Sprung … GO!«

      Leutnant de Stabenrath und sein Zugtrupp warfen sich ins Leere. Nachdem sein Schirm sich geöffnet hatte, sah Montag das Dorf direkt unter sich. Er sah Mündungsfeuer und hörte, wie Geschosse ihr Ziel bereits in der Luft trafen. Zeit, darüber nachzudenken, blieb ihm allerdings nicht, denn der Schock beim Aufprall gegen eine Hauswand raubte ihm den Atem. Der Legionär, der einige Meter neben dem Saarländer zu Boden krachte, löste sich vom Gurtzeug und war mit drei Sprüngen bei ihm.

      »Alle Knochen heil?«

      Noch während er sprach zerrte er seine Waffe hervor und lud durch, das Gefecht hatte begonnen. Legionäre de 1. classe Montag hatte noch deutlich die Stimme des Leutnants in den Ohren. Der Vietminh könnte überall sein! Und er wird schnell reagieren! Darüber aber, dass sie mitten in ein gefährliches Rattennest abgeworfen werden sollten, hatte keiner auch nur ein Wort verloren. In der anbrechenden Dunkelheit drangen die Vietminh von allen Seiten auf die Legionäre ein. Die ersten Schüsse aus Montags Waffe streckten zwei besonders Mutige nieder. Der Legionär, der Montag auf die Beine geholfen hatte, warf sich neben ihn in den Dreck und eröffnete ebenfalls das Feuer.

      »Irgendwo links von uns ist der Zugtrupp, unser Sammelpunkt. Lass uns schnellstens von hier verschwinden.«

      Während er sprach, richtete er sich halb auf.

      Montag blieb liegen, zerrte den Kameraden in die Deckung zurück.

      »Runter Idiot, oder willst du, dass Hieu-Tu dein Grab wird?«

      Der schlanke hochgewachsene Legionär starrte ihn verblüfft an. Er verstand nicht, hatte ans Sterben gar nicht gedacht. Was er aber verstand, war, dass sich die Situation alles andere als komfortabel präsentierte. Nur nicht lebend den Viéts in die Hände fallen, das hatte man ihnen eingetrichtert. Immer und immer wieder. Es gingen genug Horrorgeschichten herum.

      Schüsse fegten ununterbrochen ganz knapp über seinen Kopf hinweg, klatschen an die Mauer einen Meter hinter ihm. Ein Mörtel- und Holzsplitterregen prasselte auf ihn nieder.

      »Siehst du den Brunnen etwa achtzig Schritt halblinks vor uns?«

      Karlheinz Montag musste schreien, damit seine Stimme den Kampflärm übertönte. Regen und Wind rissen ihm die Worte von den Lippen. Nur vage Wortfetzen blieben übrig. Der Legionär nickte. Er trug keine Kopfbedeckung, hatte seinen Helm beim Sprung verloren. Mit einer hundert Mal geübten Geste steckte Montag eine Gewehrgranate auf seine Waffe, visierte dann den Brunnen an, schoss und lud sofort nach, ohne zunächst auf das Resultat zu achten. Inzwischen wusste wohl jeder Legionär der ersten Kompanie, dass Montag ein exzellenter Schütze war. Die Vietminh sollten das am eigenen Leibe erfahren. СКАЧАТЬ