Название: Heidis Lehr- und Wanderjahre
Автор: Johanna Spyri
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752992809
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»Peter«, bemerkte es jetzt zu dem wieder auf dem Boden Liegenden, »die schönsten von allen sind das Schwänli und das Bärli.«
»Weiß schon«, war die Antwort. »Der Alm-Öhi putzt und wäscht sie und gibt ihnen Salz und hat den schönsten Stall.«
Aber auf einmal sprang Peter auf und setzte in großen Sprüngen den Geißen nach, und das Heidi lief hintendrein; da musste etwas begegnet sein, es konnte da nicht zurückbleiben. Der Peter sprang durch den Geißenrudel durch der Seite der Alm zu, wo die Felsen schroff und kahl weit hinabstiegen und ein unbesonnenes Geißlein, wenn es dorthin ging, leicht hinunterstürzen und alle Beine brechen konnte. Er hatte gesehen, wie der vorwitzige Distelfink nach jener Seite hin gehüpft war, und kam noch gerade recht, denn eben sprang das Geißlein dem Rande des Abgrundes zu. Peter wollte es eben packen, da stürzte er auf den Boden und konnte nur noch im Sturze ein Bein des Tierleins erwischen und es daran festhalten. Der Distelfink meckerte voller Zorn und Überraschung, dass er so am Bein festgehalten und am Fortsetzen seines fröhlichen Streifzuges gehindert war, und strebte eigensinnig vorwärts. Der Peter schrie nach Heidi, dass es ihm beistehe, denn er konnte nicht aufstehen und riss dem Distelfink fast das Bein aus. Heidi war schon da und erkannte gleich die schlimme Lage der beiden. Es riss schnell einige wohlduftende Kräuter aus dem Boden und hielt sie dem Distelfink unter die Nase und sagte begütigend:
»Komm, komm, Distelfink, du musst auch vernünftig sein! Sieh, da kannst du hinabfallen und ein Bein brechen, das tut dir furchtbar weh.«
Das Geißlein hatte sich schnell umgewandt und dem Heidi vergnüglich die Kräuter aus der Hand gefressen. Derweilen war der Peter auf seine Füße gekommen und hatte den Distelfink an der Schnur erfasst, an welcher sein Glöckchen um den Hals gebunden war, und Heidi erfasste diese von der anderen Seite, und so führten die beiden den Ausreißer zu der friedlich weidenden Herde zurück. Als ihn aber Peter hier in Sicherheit hatte, erhob er seine Rute und wollte ihn zur Strafe tüchtig durchprügeln, und der Distelfink wich scheu zurück, denn er merkte, was begegnen sollte. Aber Heidi schrie laut auf: »Nein, Peter, nein, du musst ihn nicht schlagen, sieh, wie er sich fürchtet!«
»Er verdient's«, schnurrte Peter und wollte zuschlagen. Aber Heidi fiel ihm in den Arm und rief ganz entrüstet: »Du darfst ihm nichts tun, es tut ihm weh, lass ihn los!«
Peter schaute erstaunt auf das gebietende Heidi, dessen schwarze Augen ihn so anfunkelten, dass er unwillkürlich seine Rute niederhielt. »So kann er gehen, wenn du mir morgen wieder von deinem Käse gibst«, sagte dann der Peter nachgebend, denn eine Entschädigung wollte er haben für den Schrecken.
»Allen kannst du haben, das ganze Stück morgen und alle Tage, ich brauche ihn gar nicht«, sagte Heidi zustimmend, »und Brot gebe ich dir auch ganz viel, wie heute; aber dann darfst du den Distelfink nie, gar nie schlagen und auch das Schneehöppli nie und gar keine Geiß.«
»Es ist mir gleich«, bemerkte Peter, und das war bei ihm soviel als eine Zusage. Jetzt ließ er den Schuldigen los, und der fröhliche Distelfink sprang in hohen Sprüngen auf und davon in die Herde hinein.
So war unvermerkt der Tag vergangen, und schon war die Sonne im Begriff, weit drüben hinter den Bergen hinabzugehen. Heidi saß wieder am Boden und schaute ganz still auf die Blauglöckchen und die Cystusröschen, die im goldenen Abendschein leuchteten, und alles Gras wurde wie golden angehaucht und die Felsen droben fingen an zu schimmern und zu funkeln, und auf einmal sprang Heidi auf und schrie: »Peter! Peter! Es brennt! Es brennt! Alle Berge brennen und der große Schnee drüben brennt und der Himmel. O sieh! Sieh! Der hohe Felsenberg ist ganz glühend! Oh, der schöne, feurige Schnee! Peter, sieh auf, sieh, das Feuer ist auch beim Raubvogel! Sieh doch die Felsen! Sieh die Tannen! Alles, alles ist im Feuer!«
»Es war immer so«, sagte jetzt der Peter gemütlich und schälte an seiner Rute fort, »aber es ist kein Feuer.«
»Was ist es denn?«, rief Heidi und sprang hierhin und dorthin, dass es überallhin sehe, denn es konnte gar nicht genug bekommen, so schön war's auf allen Seiten. »Was ist es, Peter, was ist es?«, rief Heidi wieder.
»Es kommt von selbst so«, erklärte Peter.
»O sieh, sieh«, rief Heidi in großer Aufregung, »auf einmal werden sie rosenrot! Sieh den mit dem Schnee und den mit den hohen, spitzigen Felsen! Wie heißen sie, Peter?«
»Berge heißen nicht«, erwiderte dieser.
»O wie schön, sieh den rosenroten Schnee! Oh, und an den Felsen oben sind viele, viele Rosen! Oh, nun werden sie grau! Oh! Oh! Nun ist alles ausgelöscht! Nun ist alles aus, Peter!« Und Heidi setzte sich auf den Boden und sah so verstört aus, als ginge wirklich alles zu Ende.
»Es ist morgen wieder so«, erklärte Peter. »Steh auf, nun müssen wir heim.«
Die Geißen wurden herbeigepfiffen und -gerufen und die Heimfahrt angetreten.
»Ist's alle Tage wieder so, alle Tage, wenn wir auf der Weide sind?«, fragte Heidi, begierig nach einer bejahenden Versicherung horchend, als es nun neben dem Peter die Alm hinunterstieg.
»Meistens«, gab dieser zur Antwort.
»Aber gewiss morgen wieder?«, wollte es noch wissen.
»Ja, ja, morgen schon!«, versicherte Peter.
Nun war Heidi wieder froh und es hatte so viele Eindrücke in sich aufgenommen und so viele Dinge gingen ihm im Sinn herum, dass es nun ganz stillschwieg, bis es bei der Almhütte ankam und den Großvater unter den Tannen sitzen sah, wo er auch eine Bank angebracht hatte und am Abend seine Geißen erwartete, die von dieser Seite herunterkämen. Heidi sprang gleich auf ihn zu und Schwänli und Bärli hinter ihm drein, denn die Geißen kannten ihren Herrn und ihren Stall. Der Peter rief dem Heidi nach: »Komm dann morgen wieder! Gute Nacht!« Denn es war ihm sehr daran gelegen, dass das Heidi wiederkomme.
Da rannte das Heidi schnell wieder zurück und gab dem Peter die Hand und versicherte ihm, dass es wieder mitkomme, und dann sprang es mitten in die davonziehende Herde hinein und fasste noch einmal das Schneehöppli um den Hals und sagte vertraulich: »Schlaf wohl, Schneehöppli, und denk dran, dass ich morgen wiederkomme und dass du nie mehr so jämmerlich meckern musst.«
Das Schneehöppli schaute ganz freundlich und dankbar zu Heidi auf und sprang dann fröhlich der Herde nach.
Heidi kam unter die Tannen zurück.
»O Großvater, das war so schön!«, rief es, noch bevor es bei ihm war. »Das Feuer und die Rosen am Felsen und die blauen und gelben Blumen, und sieh, was ich hier bringe!« Und damit schüttete Heidi seinen ganzen Blumenreichtum aus dem gefalteten Schürzchen vor den Großvater hin. Aber wie sahen die armen Blümchen aus! Heidi erkannte sie nicht mehr. Es war alles wie Heu, und kein einziges Kelchlein stand mehr offen.
»O Großvater, was haben sie?«, rief Heidi ganz erschrocken aus. »So waren sie nicht, warum sehen sie so aus?«
»Die wollen draußen stehen in der Sonne und nicht ins Schürzchen hinein«, sagte der Großvater.
»Dann will ich gar keine mehr mitnehmen. Aber, Großvater, warum hat der Raubvogel so gekrächzt?«, fragte Heidi nun angelegentlich.
»Jetzt gehst du ins Wasser СКАЧАТЬ