Sewastopoler Erzählungen. Лев Толстой
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sewastopoler Erzählungen - Лев Толстой страница 4

Название: Sewastopoler Erzählungen

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752995114

isbn:

СКАЧАТЬ flüssigen, gelben, stinkenden, bis über die Knie reichenden Kot angefüllt, daß ihr sicherlich den Weg auf dem Berge wählen werdet, um so mehr als ihr seht, daß alle ihn gehen. Etwa zweihundert Schritt weiter kommt ihr zu einer aufgewühlten, schmutzigen Fläche, die von allen Seiten von Schanzkörben, Erdwällen, Pulverkellern, Plattformen, Erdhütten umgeben ist; obenauf stehen große, gußeiserne Geschütze und liegen in regelmäßig aufgeschichteten Haufen Kanonenkugeln. Alles dies scheint euch ohne jeden Zweck, ohne Sinn und Ordnung aufgetürmt zu sein. Hier auf der Batterie sitzt eine Gruppe von Matrosen, dort inmitten des Platzes liegt, halb im Schmutz versunken, eine zertrümmerte Kanone, da geht ein Infanterist mit einem Gewehr über die Batterien und zieht mühsam seine Füße aus dem klebrigen Schmutze. Aber überall, von allen Seiten und von jedem Standorte aus, seht ihr Trümmer, nichtgeplatzte Bomben, Kanonenkugeln, Spuren des Lagerlebens, alles halb versenkt in dem flüssigen, klebrigen Schmutze. In eurer Nähe – so scheint es euch – hört ihr eine Kanonenkugel aufschlagen; von allen Seiten ertönen die verschiedenen Laute der Flintenkugeln, die wie Bienen summen, schnell vorüberpfeifen oder wie Darmsaiten brummen; ihr vernehmt den fürchterlichen Lärm der Geschütze, der euch erschüttert und euch wie etwas ganz besonders Entsetzliches erscheint.

      »Das also ist sie, die vierte Bastion, das also ist der wahrhaft entsetzliche Schreckensort!« denkt ihr euch, während ihr etwas Stolz und sehr viel unterdrückte Angst empfindet. Aber täuscht euch nicht: das ist noch nicht die vierte Bastion. Es ist erst die Jasonow-Schanze, ein verhältnismäßig gefahrloser und durchaus nicht entsetzlicher Ort. Um auf die vierte Bastion zu gelangen, müßt ihr den engen Laufgraben dort rechts verfolgen, durch den soeben ein Infanterist gebückt vorwärts schleicht. In diesem Graben werdet ihr wahrscheinlich wieder Tragbahren, Matrosen, Soldaten mit Schaufeln begegnen, werdet Minenleitungen bemerken und schmutzige Erdhütten, in welche nur zwei Menschen gebückt hinein können, werdet die Kosaken der Schwarzmeerbataillone sehen, die hier hausen, die Stiefel wechseln, essen, rauchen, und werdet wieder überall den stinkenden Schmutz, die Spuren des Lagerlebens und umherliegendes Gusseisen jeder Art finden. Nach weiteren dreihundert Schritten etwa kommt ihr wieder zu einer Batterie, – zu einem kleinen Platze, der mit Gruben bedeckt und von erdgefüllten Schanzkörben, Erdwällen und Plattformen mit Geschützen umgeben ist. Hier werdet ihr vielleicht einige Matrosen erblicken, die im Schutz der Brustwehr Karten spielen, und einen Marineoffizier, der in euch den neugierigen Neuling erkennt und euch mit Vergnügen seine ganze Einrichtung und alles, was euch interessieren könnte, zeigt. Dieser Offizier dreht sich, auf einem Geschütze sitzend, so ruhig eine Zigarette aus gelbem Papier, geht so ruhig von einer Schießscharte zur andern, spricht mit euch so ruhig, so ohne alle Affektation, daß auch ihr, trotz der Kugeln, die jetzt öfter als vorhin über eurem Kopfe pfeifen, kaltblütiger werdet, den Offizier ausfragt und aufmerksam seinen Antworten lauscht. Dieser Offizier wird euch – aber nur, wenn ihr danach fragt – von dem Bombardement am fünften erzählen, er wird berichten, daß auf seiner Batterie nur ein einziges Geschütz tätig sein konnte und daß von der ganzen Mannschaft, welche die Geschütze bediente, nur acht Mann übrig blieben, und daß er trotzdem am nächsten Morgen, am sechsten, aus allen Geschützen feuerte (die Seeleute sagen immer feuern statt schießen); er wird euch erzählen, wie am fünften eine Bombe in eine Matrosenhütte schlug und elf Mann niederstreckte; er wird euch durch eine Schießscharte die feindlichen Batterien und Laufgräben zeigen, die von hier nicht mehr als dreißig bis vierzig Faden entfernt sind. Ich fürchte nur eines, nämlich daß ihr, euch zur Schießscharte hinausbeugend, um zum Feinde hinüberzublicken, unter dem Einfluss des Kugelsausens gar nichts sehen werdet, wenn ihr aber etwas seht, so werdet ihr euch sehr wundern, daß jener nahe weiße Steinwall, auf dem hier und da helle Rauchwölkchen aufqualmen, daß eben dieser weiße Steinwall der Feind ist, – »er«, wie die Soldaten und Matrosen sagen.

      Es ist sogar sehr gut möglich, daß der Marineoffizier aus Eitelkeit oder auch nur, um sich ein Vergnügen zu machen, in eurer Gegenwart ein wenig schießen lassen will. »Den Konstabelsmaat und die Bedienungsmannschaft ans Geschütz schicken!« – und etwa vierzehn Matrosen, der eine seine Pfeife in die Tasche steckend, der andere seinen Zwieback fertig kauend, treten schnell und gutgelaunt, mit den beschlagenen Stiefeln über die Plattformen trappend, an das Geschütz heran, um es zu laden. Betrachtet die Züge, die Haltung und die Bewegung dieser Leute: in jeder Falte der sonnverbrannten, derbknochigen Gesichter, in jeder Muskel, in den breiten Schultern, den kräftigen Beinen, die in riesigen Stiefeln stecken, in jeder der ruhigen, sicheren, bedächtigen Bewegungen verraten sich die Hauptcharakterzüge, die die Kraft des Russen bilden: Schlichtheit und Hartnäckigkeit; aber hier, so scheint es euch, haben die Gefahr, der Zorn und die Leiden des Krieges außer diesen Hauptzügen noch die Merkmale von Selbstbewusstsein, von erhabenem Denken und Fühlen eingeprägt.

      Plötzlich überrascht euch ein entsetzlicher, nicht nur euer Gehör, sondern euren ganzen Körper erschütternder Knall, so daß ihr am ganzen Leibe erzittert. Dann hört ihr das sich entfernende Pfeifen des Geschosses, und dichter Pulverdampf umhüllt euch, die Plattform und die schwarzen Gestalten der hin- und hergehenden Matrosen, die an diesen Schuß verschiedene Erwägungen knüpfen. Ihr beobachtet ihre Begeisterung und den Durchbruch eines Gefühles, das ihr vielleicht nicht erwartet hättet: es ist das Gefühl der Wut und der Rachsucht gegen den Feind, das sich in der Seele eines jeden birgt. »Grad' in die Schießscharte hat's getroffen; zwei sind gefallen, scheint's ... Dort trägt man sie!« hört ihr freudig ausrufen. »Jetzt wird er sich ärgern, wird gleich zurückschießen,« sagt jemand, und in der Tat, bald darauf seht ihr vor euch einen Blitz und Rauch; der auf der Brustwehr stehende Posten ruft: »Kano–one!« und dann pfeift eine Kugel an euch vorüber, schlägt in die Erde und schleudert Schlamm und Steine rund um sich her trichterförmig in die Höhe. Der Batteriechef ärgert sich über diese Kugel und befiehlt, ein zweites und drittes Geschütz zu laden; der Feind erwidert unser Feuer und ihr durchkostet interessante Gefühle, hört und seht interessante Dinge. Wieder schreit der Posten: »Kanone!« und wieder vernehmt ihr denselben Ton und Schlag und seht die Erdstücke fliegen; oder er schreit: »Mörser!« und ihr hört ein gleichmäßiges, fast angenehmes, mit dem Gedanken an etwas Schreckliches nur schwer zu vereinigendes Pfeifen einer Bombe, ihr hört, wie dieses Pfeifen näher kommt und schneller wird, dann seht ihr eine schwarze Kugel und beobachtet deren bodenerschütterndes Aufschlagen und das krachende Platzen der Bombe. Pfeifend und sausend fliegen die Splitter umher, Steine schwirren durch die Luft und ihr werdet mit Kot bespritzt. Bei diesen Tönen empfindet ihr ein eigenartiges Gefühl des Genusses und zugleich des Schreckens. In dem Augenblicke, wo ihr wißt, daß das Geschoss auf euch zufliegt, zieht euch gewiß der Gedanke durch den Kopf, daß es euch töten wird; aber das Gefühl der Eigenliebe hält euch aufrecht und niemand bemerkt das Messer, das euch ins Herz schneidet. Sobald aber das Geschoss vorübergesaust ist, ohne euch zu treffen, lebt ihr wieder auf, und ein so wonnevolles, unsagbar angenehmes Gefühl kommt – aber nur für einen Moment – über euch, daß ihr an der Gefahr, an diesem Spiel mit Leben und Tod etwas ganz besonders Schönes findet; ihr möchtet, daß die Kugeln und die Bomben noch häufiger und näher zu euch niederfallen. Da schreit der Posten wieder mit seiner lauten, tiefen Stimme: »Mörser!« Wieder folgt das Pfeifen, Aufschlagen und Platzen der Bombe, aber gleichzeitig erschreckt euch das Stöhnen eines Menschen. Ihr tretet mit den Trägern zu dem Verwundeten heran, der, schmutzig und mit Blut bedeckt, ein entsetzliches, nicht mehr menschenähnliches Aussehen hat. Einem Matrosen ist ein Teil der Brust fortgerissen worden. Im ersten Augenblick bemerkt man auf seinem mit Schmutz bespritzten Gesichte nur Erschrockenheit und einen unechten, vorzeitigen Leidensausdruck, wie er einem Menschen in solcher Lage eigen ist; aber als die Bahre zu ihm herangetragen wird und er selbst sich mit der gesunden Seite darauf legt, weicht dieser Ausdruck dem Ausdruck einer gewissen Begeisterung und eines erhabenen, unausgesprochenen Gedankens: die Augen leuchten auf, die Zähne pressen sich aufeinander, der Kopf richtet sich mit Anstrengung in die Höhe, und in dem Augenblick, wo man ihn aufhebt, läßt er die Bahre halten und spricht mühsam, mit bebender Stimme zu den Kameraden: »Lebt wohl, Brüder!« Er will noch etwas sagen und man sieht, daß es etwas Rührendes sein soll, aber er wiederholt nur: »Lebt wohl, Brüder!« Da geht ein Kamerad, ein Matrose, zu ihm, setzt ihm die Mütze auf den Kopf, den der Verwundete ihm hinhält, und kehrt ruhig, gleichmäßig die Arme schwenkend, zu seinem Geschütz zurück. »So geht es täglich mit sieben oder acht Mann,« sagt euch der Marineoffizier СКАЧАТЬ