Der Gefangene im Kaukasus. Лев Толстой
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Название: Der Gefangene im Kaukasus

Автор: Лев Толстой

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783752993493

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СКАЧАТЬ Grubenrand herabblickte und dann davonlief.

      »Könnte nicht vielleicht Dina uns helfen?« dachte Schilin. Er machte sich eine kleine Stelle in der Grube frei, grub Lehm aus und begann, von diesem Material Puppen zu formen; er fabrizierte Menschen, Pferde, Hunde und so weiter. »Wenn sie wiederkommt, werde ich sie ihr zuwerfen«, dachte er.

      Aber Dina erschien am nächsten Tage nicht. Schilin hörte Hufschläge. Einige Reiter trabten vorüber. Die Tataren versammelten sich bei der Moschee, wo sie schrien und sich zankten unter lautem Schimpfen auf die Russen. Auch die Stimme des Alten war zu vernehmen, und wenn Schilin auch nicht alle einzelnen Worte verstand, so erriet er doch so viel, daß die Russen sich genähert hatten und die Tataren deren Eindringen in ihren Aul befürchteten. Sie berieten deshalb, was mit den Gefangenen geschehen sollte. Nach langem Reden gingen sie auseinander.

      Plötzlich vernahm Schilin ein Geräusch über sich. Als er den Blick nach oben richtete, sah er Dina auf den Fersen am Grubenrande sitzen, den Kopf zwischen die Knie gesenkt, so daß ihr Halsband über der offenen Grube hing. Ihre Augen leuchteten wie Sterne. Sie nahm aus ihrem Ärmel zwei Stück Käse und warf sie ihm zu. Schilin nahm sie und fragte dann: »Warum bist Du denn so lange nicht wiedergekommen? Ich habe Spielzeug für Dich gemacht. Hier nimm.«

      Damit warf er ihr ein Stück nach dem andern hinauf; aber sie schüttelte ablehnend mit dem Kopfe und sah die Puppen nicht einmal an.

      »Ich will sie nicht haben«, sagte sie. Schweigend saß sie dann noch eine Weile da.

      »Iwan, sie wollen Dich umbringen«, sagte sie dann und deutete mit der Hand nach der Kehle.

      »Wer will mich umbringen?«

      »Der Vater. Die Alten haben es ihm befohlen. Aber Du tust mir leid.«

      »Nun, wenn Du Mitleid mit mir hast«, sagte Schilin, »so reiche mir eine Stange herunter!«

      Kopfschüttelnd entgegnete sie: »Das geht nicht!«

      Er faltete die Hände. »Ich bitte Dich, Dina, bring mir doch eine Stange, Dinuschka!«

      »Es geht nicht!« wiederholte sie. »Alle sind jetzt zu Hause; sie würden es sehen.« Nach diesen Worten entfernte sie sich.

      In trübes Sinnen verloren saß Schilin am Abend desselben Tages. Oft blickte er nach oben. Die Sterne erschienen. Der Mond war jedoch noch nicht aufgegangen. Der Mullah hatte schon zum Gebet gerufen und alles ringsumher war still. Auch Schilin begann zu schlummern. »Dina fürchtet sich«, dachte er.

      Da plötzlich fühlte er etwas Erde auf sein Haupt fallen. Er blickte hinauf. Das Ende einer Stange wurde am Rande der Grube sichtbar. Dieselbe wurde weitergeschoben und senkte sich langsam herab. Freudig überrascht griff Schilin mit der Hand danach. Es war dieselbe starke Stange, welche er früher auf dem Dache von Abduls Haus bemerkt hatte. Wieder blickte er empor. Hoch am Himmel glänzten die Sterne und über der Grube sah er trotz der Dunkelheit Dinas Augen leuchten. Sie neigte ihr Gesicht über den Rand und flüsterte herab: »Iwan! Iwan!«

      Gleichzeitig aber machte sie ihm mit der Hand ein Zeichen, sich still und geräuschlos zu verhalten.

      »Was gibt's?« fragte Schilin möglichst leise.

      »Alle sind fort, nur zwei sind zu Hause geblieben.«

      »Nun, dann komm, Kostylin, steh auf! Wir wollen es zum letzten Mal versuchen! Ich werde Dich tragen!«

      Doch Kostylin wollte nichts davon hören.

      »Nein«, sagte er, »es ist mir nun einmal vom Schicksal bestimmt, daß ich diesen Ort nicht mehr verlassen soll! Wohin sollte ich auch gehen, da ich nicht einmal die Kraft habe, mich umzudrehen.«

      »Nun, dann leb wohl und gedenke meiner in Freundschaft.«

      Sie küßten sich zum Abschiede. Schilin umfaßte die Stange, hieß Dina dieselbe oben festhalten und kletterte hinauf. Zweimal fiel er wieder herunter; der Fußblock hinderte ihn am Klettern. Kostylin half nach und so gelangte Schilin endlich nach oben. Schließlich zog Dina selbst ihn mit allen Kräften ihrer Händchen am Hemdkragen heraus und lachte über das Gelingen freudig auf. Schilin zog hinter sich die Stange herauf und riet ihr: »Bringe sie schnell wieder an ihren früheren Platz, Dina! Wenn sie Dich hier überraschten, würden sie Dich schlagen!«

      Sie zog die Stange nach sich, während Schilin den Berg hinabeilte. Als er am Fuße angekommen war, nahm er einen scharfen Stein auf und versuchte damit das Schloss seiner Fessel zu zerschlagen. Das Schloss gab aber nicht nach, er mußte seine Bemühungen einstellen, aus Furcht, sein Hämmern könnte gehört werden.

      Da ließen sich leichte Schritte vernehmen, die den Berg herabeilten. »Das ist jedenfalls Dina«, dachte er, und hatte sich nicht geirrt. Dina lief herbei, sie nahm einen Stein und sprach: »Gib her, laß mich versuchen.«

      Damit kniete sie vor ihm und begann mit dem Aufgebot all ihrer kindlichen Kraft auf das Eisen loszuschlagen; indes waren ihre kleinen und feinen Händchen dieser Aufgabe nicht gewachsen. Mutlos warf sie den Stein beiseite und begann zu weinen. Noch einmal machte Schilin selbst einen Versuch, während Dina auf den Fersen neben ihm kauerte.

      Er sah sich um und bemerkte, wie sich schon der Horizont erhellte. Der Mond mußte bald aufgehen.

      »Vor Aufgang des Mondes«, sagte er sich, »muß ich jedenfalls die Schlucht passiert und den schützenden Wald erreicht haben.« Er erhob sich und warf den Stein beiseite. »Ich muß gehen, wenn auch mit dem Block an den Beinen.«

      »Leb' wohl, Dinuschka«, wandte er sich an diese. »Ich werde ewig an Dich denken!«

      Dina umfaßte ihn und suchte nach seiner Tasche, um ihm noch mehr Brot zuzustecken. Er nahm ihr die Fladen ab.

      »Ich danke Dir, Dina, Du bist ein kluges Mädchen!« sagte er. »Wer wird Dir aber nun Puppen machen, wenn ich nicht mehr hier bin?«

      Dabei streichelte er ihr das Köpfchen. Dina weinte heftig und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Dann lief sie wie eine junge Ziege gewandt den Berg hinauf. In der Dunkelheit hörte man nur die Geldstücke an ihrem Halsband klirren.

      Schilin bekreuzigte sich, nahm das Schloss der Fesseln in die Hand, um das Klirren derselben zu verhindern, und machte sich eilig auf den Weg. Hinkend, wegen des Fußblocks, schleppte er das eine Bein mühsam nach. Dabei blickte er immer wieder besorgt nach der einen helleren Stelle des Himmels, wo der Mond erscheinen mußte. Er kannte den Weg; etwa acht Werst hatte er in gerader Richtung zurückzulegen. Wenn er nur den Wald erreichen konnte, bevor der Mond ganz aufgegangen war.

      Er durchwatete das Flüsschen. Hinter dem Berge ward es nun allmählich heller. Er erreichte die Schlucht und setzte durch dieselbe eifrig seinen Marsch fort, wobei er immer wieder besorgt zum Monde aufblickte. Mehr und mehr rötete sich der Himmel, und die eine Seite der Schlucht ward heller und heller. Der Schatten des Berges wurde schon kleiner und näherte sich ihm immer mehr.

      Schilin marschierte im Schatten weiter, sich beeilend, so sehr er es nur vermochte, aber doch noch viel schneller als er legte der Mond seinen Weg zurück. Schon war der Berggipfel zu seiner Rechten hell beleuchtet. Jetzt hatte er den Wald erreicht, als eben der Mond hinter dem Berge emporstieg. Es wurde hell wie am Tage, und an den Bäumen waren die einzelnen Blätter deutlich erkennbar. Hell wurden nun auch die Berge. Die tiefe Stille der Nacht wurde nur durch das Rauschen des Flüsschens im Grunde der Schlucht unterbrochen.

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