Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Bildnis des Dorian Gray - Oscar Wilde страница 3

Название: Das Bildnis des Dorian Gray

Автор: Oscar Wilde

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752916331

isbn:

СКАЧАТЬ noch unbedingt die Frage beantworten, die ich vorhin an dich gerichtet habe.«

      »Was war das?« sagte der Maler, die Augen fest zu Boden gerichtet.

      »Na, du weißt doch.«

      »Sicher nicht, Harry.«

      »Gut, dann will ich's dir nochmals sagen. Du sollst mir erklären, warum du Dorian Grays Porträt nicht ausstellen willst. Ich bestehe darauf, den wirklichen Grund zu wissen.«

      »Ich habe dir den wirklichen Grund schon gesagt.«

      »Nein, das hast du nicht getan. Du hast nur gesagt, weil zuviel von dir selbst in dem Bilde stecke. Das ist aber kindisch.«

      »Harry,« sagte Basil Hallward und sah dem anderen gerade ins Gesicht, »jedes Porträt, das mit Gefühl gemalt ist, ist ein Porträt des Künstlers, nicht des Modells. Das Modell ist nur der Anlaß, die Gelegenheit. Nicht dies wird vom Maler enthüllt; nein, der Maler offenbart auf der farbigen Leinwand eher sich selbst. Ich will also dies Bild darum nicht ausstellen, weil ich fürchte, ich habe das Geheimnis meiner eigenen Seele darin aufgedeckt.«

      Lord Henry lachte. »Und worin bestünde das?« fragte er.

      »Ich will es sagen«, antwortete Hallward; aber in sein Gesicht trat ein Ausdruck von Ratlosigkeit.

      »Ich bin äußerst gespannt, Basil«, fuhr sein Gefährte mit einem Blick nach ihm fort.

      »Oh, es ist wirklich nicht viel zu berichten, Harry,« entgegnete der Maler, »und du verstehst es wohl kaum, wie ich fürchte. Vielleicht auch glaubst du mir nicht einmal.«

      Lord Henry lächelte und bückte sich dann, um ein rosa angehauchtes Gänseblümchen aus dem Grase zu pflücken, das er betrachtete. »Ich werde dich ganz gewiß verstehen,« erwiderte er, die Blicke aufmerksam auf die kleine, goldene, weißgefiederte Blütenscheibe gerichtet, »und was das Glauben angeht, so kann ich alles glauben, vorausgesetzt, daß es unwahrscheinlich genug ist.«

      Der Wind schüttelte ein paar Blüten von den Bäumen, und die schweren, vielgesternten Traubendolden der Fliederbüsche bewegten sich in der schwülen Luft. Eine Grille begann an der Gartenmauer zu zirpen, und wie ein blauer Faden huschte eine lange, dünne Wasserjungfer auf ihren braunen Gazeflügeln vorbei. Lord Henry glaubte Basil Hallwards Herz pochen zu hören und war neugierig, was wohl kommen möchte.

      »Die Geschichte ist einfach die«, sagte der Maler nach einer Weile. »Vor zwei Monaten ging ich mal zu einem der Massenempfänge bei Lady Brandon. Du weißt, wir armen Künstler müssen uns von Zeit zu Zeit in der Gesellschaft zeigen, um das Publikum daran zu erinnern, daß wir keine Wilden sind. Du sagtest mir einmal: in Frack und weißer Binde kann selbst ein Börsenmensch in den Verdacht von Bildung kommen. Nun also, ich war etwa zehn Minuten da und redete mit korpulenten, aufgeputzten, vornehmen Witwen und platten Akademikern, da merkte ich plötzlich, daß mich jemand anblickte. Ich drehte mich halb um und sah zum ersten Male Dorian Gray. Ich spürte, wie ich blaß wurde, als sich unsere Blicke begegneten. Ein seltsames Angstgefühl überkam mich. Ich wußte, ich stand einem Menschen Aug-in-Auge gegenüber, dessen bloße Erscheinung so bezaubernd auf mich wirkte, daß sie, wenn ich sie gewähren ließe, meine ganze Natur, meine ganze Seele, ja selbst meine Kunst an sich reißen müßte. Ich bedurfte nie in meinem Leben irgendwelcher Einwirkung von außen her. Du weißt ja selbst, Harry, wie unabhängig ich von Haus aus bin. Ich bin immer mein eigener Herr gewesen; war es wenigstens so lange, bis ich Dorian Gray traf. Dann – aber ich weiß nicht, wie ich dir das begreiflich machen soll. Irgend etwas schien mir im voraus zu sagen, daß ich an einem schrecklichen Wendepunkt in meinem Leben stand. Ich hatte die eigentümliche Empfindung, das Schicksal halte für mich die ausgesuchtesten Freuden und die ausgesuchtesten Schmerzen in Bereitschaft. Ich bekam Furcht, und ich wandte mich zum Gehen. Das Gewissen trieb mich nicht dazu: es war eine Art Feigheit. Ich bilde mir nichts darauf ein, daß ich diese Flucht versuchte.«

      »In Wirklichkeit sind Gewissen und Feigheit ein und dasselbe. Gewissen lautet nur die eingetragene Firma. Weiter gar nichts.«

      »Ich glaube das nicht, Harry, und ich glaube, du wohl auch nicht. Einerlei aber, aus welchem Grunde es geschah – es mag auch Stolz gewesen sein, denn ich war schon immer sehr stolz – jedenfalls eilte ich der Türe zu. Natürlich prallte ich dabei mit Lady Brandon zusammen. ›Sie wollen doch nicht etwa schon davonlaufen, Herr Hallward?‹ kreischte sie auf. Du kennst ja ihre schrille Stimme.«

      »Ja, sie ist ein Pfau in allem, bis auf die Schönheit«, sagte Lord Henry und zerrupfte das Gänseblümchen zwischen seinen langen nervösen Fingern.

      »Ich konnte sie nicht loswerden. Sie zerrte mich zu den königlichen Hoheiten hin, zu den Leuten mit Orden und Sternen und zu den ältlichen Damen mit riesenhaften Diademen und Papageiennasen. Sie nannte mich dabei ihren besten Freund. Ich hatte sie nur ein einziges Mal vorher gesehen, aber sie setzte es sich in den Kopf, aus mir den Löwen des Tages zu machen. Ich glaube, damals hatte gerade ein Bild von mir großen Erfolg gehabt, wenigstens hatten die Zeitungen allerhand Geschwätz darüber gebracht, und das ist ja im neunzehnten Jahrhundert das Eichungsmaß der Unsterblichkeit. Plötzlich stand ich dem jungen Manne gegenüber, dessen Äußeres mich vorhin so merkwürdig erschüttert hatte. Wir standen ganz nahe beieinander und berührten uns beinah. Unsere Blicke trafen sich wiederum. Es war leichtsinnig von mir, aber ich bat Lady Brandon, mich ihm vorzustellen. Vielleicht war es aber doch alles in allem nicht so leichtsinnig. Es war einfach nicht zu umgehen. Wir hätten auch ohne Vorstellung miteinander gesprochen. Ich bin dessen gewiß. Dorian sagte es mir nachher. Auch er fühlte, daß unsere Bekanntschaft Schicksalsfügung war.«

      »Und wie hat Lady Brandon den wunderbaren Jüngling beschrieben?« fragte sein Gefährte. »Ich weiß, es ist ihre Manier, von jedem ihrer Gäste eine kleine Skizze zu geben. Ich erinnere mich, wie sie mich mal einem schrecklichen, alten Herrn mit puterrotem Gesicht vorstellte, dessen Brust mit Orden und Bändern beklext war, und mir in einem tragischen Flüsterton, der für jedermann im Zimmer hörbar war, die erstaunlichsten Einzelheiten über ihn ins Ohr zischelte. Ich mußte einfach davonlaufen. Ich entdecke die Leute gerne von mir selbst aus. Aber Lady Brandon behandelt ihre Gäste genau so, wie ein Auktionator seine Waren. Sie erklärt sie einem entweder so lange, bis nichts mehr davon übrigbleibt, oder sie sagt alles, gerade mit Ausnahme dessen, was man wissen will.«

      »Die arme Lady Brandon! Du bist hart gegen sie«, sagte Hallward zerstreut.

      »Mein guter Junge, sie wollte einen Salon gründen und hat es nur bis zu einem Restaurant gebracht. Wie soll ich sie da bewundern? Aber sage nun endlich, was sie über Herrn Dorian Gray erzählt hat?«

      »Oh, so irgend was wie ›Entzückender junger Mensch – seine arme Mutter und ich ganz unzertrennlich – vergaß ganz was er treibt – fürchte fast – gar nichts – ach ja, spielt Klavier – oder war es die Geige, lieber Herr Gray?‹ Wir mußten beide lachen und wurden sofort Freunde.«

      »Lachen ist wohl lange nicht der schlechteste Anfang für eine Freundschaft, und gewiß ihr schönstes Ende«, sagte der junge Lord und pflückte sich noch ein Gänseblümchen.

      Hallward schüttelte den Kopf. »Du hast ja keine Ahnung, was Freundschaft ist, Harry,« murmelte er, »und ebensowenig, was Feindschaft ist. Du hast alle Welt gern; mit anderen Worten: dir sind alle gleichgültig.«

      »Wie grausam ungerecht von dir!« rief Lord Henry, stieß seinen Hut in den Nacken und sah zu den Lämmerwolken empor, die gleich verwirrten Knäueln glänzendweißer Seide über das türkisfarbene Gewölbe des Himmels dahinschifften. »Ja, grausam ungerecht von dir. Ich unterscheide die Leute sehr scharf. Ich wählte meine Freunde nach ihrem guten Aussehen, meine Bekannten nach ihrem guten Charakter und meine СКАЧАТЬ