Название: Wilde Welt
Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783753135984
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„Don Diego?" flüsterte sie mit weicher, zitternder Stimme. Aber hier blieb keine Zeit zu Erklärungen. Der alte Gaucho ergriff die gegen ihn ausgestreckte Hand des Mädchens, und den neben ihm liegenden Sattel aufhebend, zog er sie rasch der nicht entfernten Stelle zu, wo er Diego mit den Pferden zu finden hoffte. /77/
„Josefa!" jauchzte der junge Mann, ihr entgegen springend, „gerettet - gerettet!"
„Noch lange nicht," zürnte der Alte, während die Jungfrau ängstlich den Blick nach den Zelten zurückwarf. „Das sind nur zwei Pferde und wir brauchen drei."
„Ich war nicht im Stande ein drittes zu bekommen," erwiderte Diego. „Scheu wichen sie vor mir zurück und schnauften so laut, daß ich Verrath durch ihre Unruhe fürchtete.
Ich nehme Josefen auf mein Pferd."
„Daß uns die rothen Schufte in der ersten Stunde einholen, nicht wahr?" brummte der Gaucho, indem er seinen Sattel abschnallte und zu Boden warf, um dem Damensattel aufzulegen.
„Und weshalb das?" frug Diego erstaunt.
„Hinweg mit Euch!" sagte darauf der Alte. „Ihr habt keine Secunde übrig. An den sieben Kreuzen find' ich Euch wieder. Kennt Ihr den Platz?"
„Eine Legua von Altacruz."
„Ja, und fort, sag' ich. Ich komme nach!" und wie ein Kind griff er das junge Mädchen auf und hob es in den Sattel, während Diego schon fertig an ihrer Seite hielt. Ein eigenthümliches Schnalzen mit der Zunge gab zu gleicher Zeit dem Pferd des alten Gaucho ein Zeichen zu voller Flucht, und Josefa konnte nur eben den Zügel richtig fassen, als auch schon das muthige Thier mit ihr die Steppe entlang flog. Diego war trotz Sporen und Peitsche kaum im Stande, an ihrer Seite zu bleiben.
Noch stand der alte Bursche und horchte den verhallenden Schlägen der Hufe, wobei er kopfschüttelnd murmelte:
„Alter Esel, der ich bin; was geht's mich eigentlich an, ob das junge Ding einen kupferbrauncn oder weißen Mann bekommt, daß ich mich jetzt hier selber festreite und nicht rück- und vorwärts kann. Wenn jetzt die verdammten Indianer - aber laß sie zum Henker kommen, bis dahin wird doch wohl irgend ein Pferd aufzutreiben sein, und daß ich nicht wählerisch bin, will ich ihnen bald bewefien - wenn es Osantos' bester Renner wäre."
Mit den Worten, und still vor sich hin lachend, griff er /78/ seinen Sattel und Lasso anf, und wollte sich eben hinaus in die Pampas wenden, um dort einen Trupp Pferde aufzusuchen, als ans dem Lager heraus, schon im Sattel und ihre Lanzen in den Händen, sechs Indianer, den Häuptling an der Spitze, gesprengt kamen, die in gestrecktem Galopp an dem Lagerplatz vorüber wollten. Als sie aber den Weißen gewahrten, den sie wahrscheinlich hier gar nicht mehr vermuthet hatten, zügelten sie im Nu ihre Pferde ein, und zugleich rief Osantos:
„Wo ist Dein Gefährte, Amigo? Und was für Thiere waren das, die dort eben fort galoppirten?"
„Unsere eigenen," versetzte Felipe, ungewiß darüber, ob die Wilden die Flucht ihrer Gefangenen schon entdeckt hätten oder nicht. „Welche sollen's sonst sein? Diego ist hinter ihnen her und sucht sie zu fangen. Wir wollen fort."
„So früh?"
„In der Morgenkühle reitet sich's am besten; was sollen wir hier?"
Osantos sah zaudernd zu dem Mann nieder, und sich dann zu seinen Begleitern wendend, gab er ihnen in ihrer eigenen Sprache einige Befehle. Drei von ihnen sprengten augenblicklich fort, und zwar derselben Richtung zu, in der Diego mit seiner schönen Beute geflohen. Aber es war noch nicht hell genug, schon Spuren verfolgen zu können. Nur dem Schall der Hufe konnten sie nacheilen, aber auch dieses Geräusch war schon lange auf dem weichen Grasboden verklungen. Die anderen Indianer hielten noch still neben dem Weißen.
Felipe wurde es unbehaglich. Zwar war in keinem Fall die Flucht Josefens schon entdeckt, sonst hätte Osantos selber wahrlich nicht so ruhig seinen Platz behauptet, aber jeden Augenblick konnte und mußte die Entdeckung geschehen. Was wurde dann aus dem Alten? Unter jeder Bedingung mußte er aus der unmittelbaren Nähe der Wilden zu kommen suchen. Draußen in dem hohen Gras der Steppe, selbst wenn er nicht so bald ein Pferd erhaschte, konnte er sich eher verstecken und etwaigen Nachforschungen ausweichen. Vor Allem durfte er keine Verlegenheit blicken lassen. Ohne sich daher weiter um die Wilden zu bekümmern, warf er den Sattel auf die /79/Schulter, richtete seinen Lasso bequem zum Wurf, und schritt dann ohne weiteren Gruß in den jetzt dämmernden Morgen hinaus.
Osantos sah ihm unschlüssig ein paar Augenblicke lang nach, als ein Lärm im Lager seine Aufmerksamkeit dorthin ablenkte. Felipe aber hatte den gellenden Aufschrei der weiblichen Stimmen ebenfalls gehört. Er wußte, was der Tumult bedeutete. Daher kaum aus Sicht der Rothhäute, denen seine dunkle Kleidung mit dem Steppengras verschmolz, schnallte er seine Sporen ab und sprang in flüchtigen Sätzen der Richtung zu, in der er Pferde hatte wiehern hören. Wie eine Katze kroch er, gegen den Wind, an sie heran, und als er sie in richtiger Wurfesuähe hatte und sich emporrichtete, den Lasso zu schleudern, schreckten die Thiere zu spät vor ihm zurück. Die Schlinge flog aus, und wenn ihn das gefangene Thier auch noch eine Strecke schleifte, schnürte ihm das scharfe Seil doch bald durch das Gewicht des daran hängenden Körpers die Kehle zu. Im nächsten Augenblick hatte es Felipe an der Mähne gepackt, Sattel und Zaum darauf geworfen, im Nu saß er oben, und das Anlegen der Sporen auf eine andere Zeit verschiebend, ließ er es ausgreifen, was es laufen wollte. Galt es doch, den jedenfalls bald nachfolgenden Feinden auf Leben und Tod einen tüchtigen Vorsprung abzugewinnen.
Nur wenige Minuten später, und über die Pampas flog eine Schaar dunkler wilder Gestalten auf schnaubenden Rossen, lange schlanke Rohrlanzen in der Rechten, den grauen wollenen Poncho um die Schultern, das lange, schwarze, straffe Haar ihre Schläfe peitschend. Hier und da, wo eine Schwellung des Bodens einen Ueberblick über einen Abschnitt der Steppe möglich machte, hielt der Trupp, und all' die schwarzen Adleraugen spähten scharf umher. Aber sie waren schon einige Male getäuscht worden in ihrer Suche - erst von ein paar einzelnen Hirschen, dann durch einen Trupp Strauße, - und das hatte sie von der Richtung abgezogen, in welcher Felipe dahinjagte.
Jetzt theilte sich die Schaar - langaus breiteten sich die Indianer, den weiten Plan einzeln abzusuchen, aber sobald ein forschendes Auge irgend einen verdächtigen Gegenstand /80/ entdeckt, sammelte ein Schrei die Gefährten, und in toller Hast sausten die wilden Gesellen der bezeichneten Beute nach - und wiederum getäuscht und vergebens.
Nach rechts und links waren, weit ab von dem Haupttrupp, ein paar Kundschafter abgesandt worden: Meilen weit konnten sie jetzt nach allen Richtungen hin die Steppe übersehen. Da kam denn der Eine von ihnen auf schweißbedecktem, schäumendem Thier heran. Er schwenkte die Lanze, und im wilden Jubel gab Osantos das Zeichen zur Verfolgung nach der bezeichneten Linie hin. Nach einer Weile erreichten Osantos' Gefährten einen Streifen höher gelegenen Landes. Dort vor ihnen, so nahe, daß sie die einzelnen Gestalten in dem hellen Sonnenschein deutlich unterscheiden konnten, СКАЧАТЬ