Das Duell. Anton Tschechow
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Duell - Anton Tschechow страница 4

Название: Das Duell

Автор: Anton Tschechow

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783753126562

isbn:

СКАЧАТЬ was? Geh' oder geh' nicht. Deswegen wird wohl kein Erdbeben entstehen, glaub ich.«

      »Nein, ich frage, weil sich der Doktor vielleicht darüber ärgern könnte.«

      »Na, dann frag' den Doktor. Ich bin doch kein Doktor.«

      Diesmal mißfiel Lajewskij an Nadeschda Fjodorowna ganz besonders ihr weißer, offener Hals; er erinnerte sich, daß Anna Karenina, als in ihr die Liebe zu ihrem Mann erlosch, sich zuerst von seinen Ohren angewidert fühlte, und sagte sich: »Wie richtig! Wie richtig!«

      Er fühlte sich schwach und leer im Kopf und ging in sein Kabinett. Dort legte er sich auf den Diwan und deckte das Taschentuch übers Gesicht, um sich vor den Fliegen zu schützen. Welke schleichende Gedanken, die sich immer um dasselbe drehten, zogen durch sein Gehirn, wie ein langer Wagenzug an einem regnerischen Herbstabend, und er verfiel in einen schläfrigen, gedrückten Zustand. Er dünkte sich schuldig Nadeschda Fjodorowna und ihrem Mann gegenüber, als trüge er die Schuld an seinem Tode. Er dünkte sich schuldig seinem eigenen Leben gegenüber, das er verpfuscht hatte, schuldig gegenüber der erhabenen Welt von Ideen, Wissenschaften und Arbeit. Und diese wunderbare Welt schien ihm möglich und wirklich bestehend, nicht hier am Strande, wo hungrige Türken und faule Tscherkessen herumstrolchten, sondern dort, im Norden, wo es eine Oper gab und ein Schauspiel und Zeitungen und alle Früchte geistiger Arbeit. Ehrlich, klug, edel und rein kann man nur dort, aber nicht hier sein. Er warf sich vor, daß er keine Ideale habe, keine leitende Idee im Leben, obwohl er nur eine recht vage Vorstellung davon hatte, was das bedeutete. Vor zwei Jahren, als er sich in Nadeschda Fjodorowna verliebte, glaubte er, daß es genüge, mit ihr nach dem Kaukasus zu fahren, um sich von der Banalität und Leere des Lebens zu retten; ebenso fest glaubte er jetzt daran, daß es genüge, Nadeschda Fjodorowna zu verlassen und nach Petersburg zu gehen, um alles zu erreichen, was er brauchte.

      »Entfliehen,« flüsterte er, setzte sich auf und kaute an seinen Nägeln, »entfliehen!«

      Er malte sich aus, wie er den Dampfer besteigen würde und dort frühstücken, kaltes Bier trinken und sich auf Deck mit den Damen unterhalten. Dann würde er sich in Sewastopol in den Zug setzen und losfahren. Sei mir gegrüßt, Freiheit! Eine Station nach der anderen taucht auf, die Luft wird immer kälter und rauher. Birken und Tannen. Da ist schon Kursk, Moskau –. In den Bahnhofsrestaurants gibt es Kohlsuppe, Hammelfleisch mit Buchweizen, Stör, Bier, kurzum, nicht mehr dies verdammte Asien, sondern Russland, das wirkliche Russland. Die Mitreisenden sprechen von Geschäften, von neuen Sängern, von den frankorussischen Sympathien. Überall spürt man ein kultiviertes, intelligentes Leben – Schneller, schneller! Endlich, der Newskij Prospekt, die große Morskajastraße, und da ist auch die Kownogasse, wo er einst als Student gewohnt hat. Der liebe graue Himmel, der kalte Regen, die nassen Droschkenkutscher –

      »Iwan Andrejitsch«, rief jemand aus dem Nebenzimmer, »sind Sie zu Hause?«

      »Jawohl,« antwortete Lajewsky, »was ist denn los?«

      »Ich bringe einige Papiere.«

      Lajewsky erhob sich träge, ihn schwindelte, er gähnte und ging mit schlürfenden Pantoffeln ins Nebenzimmer. Draußen am offenen Fenster stand ein junger Kollege von ihm und breitete einige amtliche Schriftstücke aufs Fensterbrett.

      »Sofort, mein Lieber,« sagte Lajewskij sanft und suchte das Tintenfass. Dann ging er zum Fenster, unterschrieb die Papiere, ohne sie anzusehen, und sagte:

      »Eine scheußliche Hitze!«

      »Ja. – Kommen Sie heute aufs Bureau?«

      »Ich glaube kaum. Ich fühle mich nicht ganz wohl. Sagen Sie doch Scheschkowskij, daß ich am Nachmittag zu ihm komme.«

      Der junge Beamte ging. Lajewskij legte sich wieder auf seinen Diwan und begann zu grübeln:

      ›Ja, man muß alle Umstände in Betracht ziehen und erwägen. Bevor ich abreise, muß ich meine Schulden bezahlen. Ich habe zweitausend Rubel Schulden. Geld hab' ich keins. Doch das ist kein großes Unglück. Einen Teil bezahle ich gleich auf irgendeine Art, und den Rest schick' ich dann von Petersburg her. Die Hauptsache ist, daß Nadeschda Fjodorowna ... Vor allem muß Klarheit in unsere Beziehungen kommen ... Ja.‹.

      Er hielt einen Augenblick inne und überlegte: sollte ich nicht Samoilenko um Rat fragen?

      ›Ich könnte schon hingehen‹, dachte er, ›aber was soll das nützen? Ich werde wieder dummerweise vom Boudoir, vom Weibe, von Recht und Unrecht sprechen. Was ist da über Recht und Unrecht zu reden. Es kommt darauf an, möglichst schnell mein Leben zu retten, ich gehe ja zugrunde in dieser verdammten Sklaverei, das ist ja der reinste Selbstmord. Schließlich muß man doch kapieren, daß es eine Schlechtigkeit und Grausamkeit ist, solch ein Leben weiterzuführen. Daneben ist alles andere klein und nichtig.‹ »Entfliehen,« murmelte er, und setzte sich auf, »entfliehen!«

      Der öde Meeresstrand, die unerträgliche Glut und Einförmigkeit der nebligen, violetten Berge, ihre ewige Gleichmäßigkeit und Schweigsamkeit erfüllten ihn mit Heimweh, und es schien ihm, als schläferten sie ihn ein und raubten ihm seine Gaben. Vielleicht war er klug, talentvoll, bedeutend, vielleicht wäre er ein vorzüglicher Landwirt geworden, wenn ihn nicht das Meer und die Berge bedrückt hätten, oder ein Staatsmann, ein Redner, ein Publizist, ein Kulturträger. Wer kann das wissen? Und ist es da nicht dumm, von Recht und Unrecht zu sprechen, wenn ein begabter und nützlicher Mensch, ein Musiker z. B. oder ein Maler, um aus der Gefangenschaft zu entkommen, seine Kerkerwand zertrümmert und seine Wächter täuscht. In solch einer Lage ist alles recht.

      Um zwei Uhr setzten sich Lajewskij und Nadeschda Fjodorowna zu Tisch. Als die Köchin die Reissuppe mit Tomaten auf den Tisch setzte, sagte Lajewskij:

      »Jeden Tag dasselbe. Warum kochst du nie Kohlsuppe?«

      »Man bekommt keinen Kohl.«

      »Merkwürdig. Aber bei Samoilenko gibt es Kohlsuppe, und bei Marja Konstantinowna gibt es Kohlsuppe. Nur ich muß, weiß der liebe Gott warum, diese süßliche Jauche essen. Das geht doch nicht, mein Schatz.«

      Wie bei den meisten Ehepaaren war früher auch bei Lajewskij und Nadeschda Fjodorowna kein Mittagessen ohne Zank und Szenen vorübergegangen, aber seit es für Lajewskij feststand, daß er sie nicht mehr liebte, bemühte er sich, Nadeschda Fjodorowna in allen Stücken nachzugeben, sprach sanft und höflich mit ihr, nannte sie: mein Schatz und küßte sie nach Tisch auf die Stirn.

      »Diese Suppe schmeckt nach Lakritz,« sagte er lächelnd; er strengte sich an, freundlich zu erscheinen, brachte es aber nicht fertig und sagte: »Bei uns kümmert sich niemand um die Wirtschaft. Wenn du so krank bist, oder so viel lesen mußt, dann könnte ich vielleicht für die Küche sorgen.«

      Früher hätte sie geantwortet: »Meinetwegen«, oder »Es scheint, du willst eine Köchin aus mir machen«, jetzt aber sah sie ihn nur schüchtern an und errötete.

      »Wie geht es dir denn heute?« fragte er schüchtern.

      »Heute einigermaßen. Nur etwas schwach fühl' ich mich.«

      »Sei nur vorsichtig, mein Schatz. Ich bin so besorgt um dich.«

      Nadeschda Fjodorowna hatte ein Leiden. Samoilenko sagte, es wäre Wechselfieber, und fütterte sie mit Chinin. Der andere Arzt, Ustimowitsch, ein großer, hagerer, zugeknöpfter Mensch, der tags zu Hause saß und abends, die zusammengelegten Hände mit dem Spazierstock auf dem Rücken, langsam am Meer herumpromenierte und hustete, erklärte es für ein Frauenleiden und verschrieb warme Kompressen. Früher, СКАЧАТЬ