Название: Die Elixiere des Teufels
Автор: E.T.A. Hoffmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742751287
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einflößende Würde gab. Sie sah mich mit einem ernsten, bis ins Innerste dringenden Blick an und frug: »Ist das Euer Sohn?« –
Ihre Stimme, ihr ganzes Ansehn – selbst die fremde Umgebung, das hohe Gemach, die Bilder, alles wirkte so auf mich, daß ich,
von dem Gefühl eines inneren Grauens ergriffen, bitterlich zu weinen anfing. Da sprach die Fürstin, indem sie mich milder und
gütiger anblickte: »Was ist dir, Kleiner, fürchtest du dich vor mir? – Wie heißt Euer Sohn, liebe Frau?« – »Franz«, erwiderte
meine Mutter, da rief die Fürstin mit der tiefsten Wehmut: »Franziskus!« und hob mich auf und drückte mich heftig an sich, aber in
dem Augenblick preßte mir ein jäher Schmerz, den ich am Halse fühlte, einen starken Schrei aus, so daß die Fürstin erschrocken
mich losließ und die durch mein Betragen ganz bestürzt gewordene Mutter auf mich zusprang, um nur gleich mich fortzuführen.
Die Fürstin ließ das nicht zu: es fand sich, daß das diamantne Kreuz, welches die Fürstin auf der Brust trug, mich, indem sie
heftig mich an sich drückte, am Halse so stark beschädigt hatte, daß die Stelle ganz rot und mit Blut unterlaufen war. »Armer
Franz,« sprach die Fürstin, »ich habe dir weh getan, aber wir wollen doch noch gute Freunde werden.« – Eine Schwester brachte
Zuckerwerk und süßen Wein, ich ließ mich, jetzt schon dreister geworden, nicht lange nötigen, sondern naschte tapfer von den
Süßigkeiten, die mir die holde Frau, welche sich gesetzt und mich auf den Schoß genommen hatte, selbst in den Mund steckte.
Als ich einige Tropfen des süßen Getränks, das mir bis jetzt ganz unbekannt gewesen, gekostet, kehrte mein munterer Sinn, die
besondere Lebendigkeit, die nach meiner Mutter Zeugnis von meiner frühsten Jugend mir eigen war, zurück. Ich lachte und
schwatzte zum größten Vergnügen der Äbtissin und der Schwester, die im Zimmer geblieben. Noch ist es mir unerklärlich, wie
meine Mutter darauf verfiel, mich aufzufordern, der Fürstin von den schönen herrlichen Dingen meines Geburtsortes zu erzählen,
und ich, wie von einer höheren Macht inspiriert, ihr die schönen Bilder des fremden unbekannten Malers so lebendig, als habe ich
sie im tiefsten Geiste aufgefaßt, beschreiben konnte. Dabei ging ich ganz ein in die herrlichen Geschichten der Heiligen, als sei
ich mit allen Schriften der Kirche schon bekannt und vertraut geworden. Die Fürstin, selbst meine Mutter, blickten mich voll
Erstaunen an, aber je mehr ich sprach, desto höher stieg meine Begeisterung, und als mich endlich die Fürstin frug: »Sage mir,
liebes Kind, woher weißt du denn das alles?« – da antwortete ich, ohne mich einen Augenblick zu besinnen, daß der schöne
wunderbare Knabe, den einst ein fremder Pilgersmann mitgebracht hätte, mir alle Bilder in der Kirche erklärt, ja selbst noch
manches Bild mit bunten Steinen gemalt und mir nicht allein den Sinn davon gelöset, sondern auch viele andere heilige
Geschichten erzählt hätte. –
Man läutete zur Vesper, die Schwester hatte eine Menge Zuckerwerk in eine Tüte gepackt, die sie mir gab und die ich voller
Vergnügen einsteckte. Die Äbtissin stand auf und sagte zu meiner Mutter: »Ich sehe Euern Sohn als meinen Zögling an, liebe
Frau, und will von nun an für ihn sorgen.« Meine Mutter konnte vor Wehmut nicht sprechen, sie küßte, heiße Tränen vergießend,
die Hände der Fürstin. Schon wollten wir zur Tür hinaustreten, als die Fürstin uns nachkam, mich nochmals aufhob, sorgfältig das
Kreuz beiseite schiebend, mich an sich drückte und heftig weinend, so daß die heißen Tropfen auf meine Stirne fielen, ausrief:
»Franziskus! – Bleibe fromm und gut!« – Ich war im Innersten bewegt und mußte auch weinen, ohne eigentlich zu wissen warum.
–
Durch die Unterstützung der Äbtissin gewann der kleine Haushalt meiner Mutter, die unfern dem Kloster in einer kleinen Meierei
wohnte, bald ein besseres Ansehen. Die Not hatte ein Ende, ich ging besser gekleidet und genoß den Unterricht des Pfarrers,
dem ich zugleich, wenn er in der Klosterkirche das Amt hielt, als Chorknabe diente. –
Wie umfängt mich noch wie ein seliger Traum die Erinnerung an jene glückliche Jugendzeit! – Ach, wie ein fernes heiliges Land,
wo die Freude wohnt und die ungetrübte Heiterkeit des kindlichen unbefangenen Sinnes, liegt die Heimat weit, weit hinter mir,
aber wenn ich zurückblicke, da gähnt mir die Kluft entgegen, die mich auf ewig von ihr geschieden. Von heißer Sehnsucht
ergriffen, trachte ich immer mehr und mehr, die Geliebten zu erkennen, die ich drüben, wie im Purpurschimmer des Frührots
wandelnd, erblicke, ich wähne ihre holden Stimmen zu vernehmen. Ach! – gibt es denn eine Kluft, über die die Liebe mit starkem
Fittich sich nicht hinwegschwingen könnte? Was ist für die Liebe der Raum, die Zeit! – Lebt sie nicht im Gedanken, und kennt der
denn ein Maß? – Aber finstre Gestalten steigen auf, und immer dichter und dichter sich zusammendrängend, immer enger und
enger mich einschließend, versperren sie die Aussicht und befangen meinen Sinn mit den Drangsalen der Gegenwart, daß selbst
die Sehnsucht, welche mich mit namenlosem wonnevollem Schmerz erfüllte, nun zu tötender heilloser Qual wird! –
Der Pfarrer war die Güte selbst, er wußte meinen lebhaften Geist zu fesseln, er wußte seinen Unterricht so nach meiner Sinnesart
zu formen, daß ich Freude daran fand und schnelle Fortschritte machte. – Meine Mutter liebte ich über alles, aber die Fürstin
verehrte ich wie eine Heilige, und es war ein feierlicher Tag für mich, wenn ich sie sehen durfte. Jedesmal nahm ich mir vor, mit
den neuerworbenen Kenntnissen recht vor ihr zu leuchten, aber wenn sie kam, wenn sie freundlich mich anredete, da konnte ich
kaum ein Wort herausbringen, ich mochte nur sie anschauen, nur sie hören. Jedes ihrer Worte blieb tief in meiner Seele zurück,
noch den ganzen Tag über, wenn ich sie gesprochen, befand ich mich in wunderbarer feierlicher Stimmung, und ihre Gestalt
begleitete mich auf den Spaziergängen, die ich dann besuchte. – Welches namenlose Gefühl durchbebte mich, wenn ich, das
Rauchfaß schwingend, am Hochaltare stand, und nun die Töne der Orgel von dem Chore herabströmten und, wie zur brausenden