Название: Kritische Anmerkungen zu spirituellen Denkern
Автор: Anton Weiß
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783847644064
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Auch U. G. Krishnamurti vermengt die Dinge, wodurch es zu unnötigen Ungereimtheiten kommt. „Der Körper existiert nicht, außer als Gedanke. Da ist ein Gedanke … Dieser Gedanke ist ‚Ich’“ (MM 39). Wieder, wie bei Nisargadatta, wird der Körper mit dem Ich gleichgesetzt. Es ist richtig, dass im Ich-Zustand alles – die Welt und der eigene Körper - nur im Denken existiert. Darin besteht ja die Subjekt-Objekt-Spaltung, dass sich im Ich alles nur im Denken abspielt. Daher hat der Mensch im Ich keinen Zugang zum Leben, ist vom Strom des pulsierenden Lebens abgeschnitten. Erst, wenn das Ich transzendiert ist, ist man eins mit sich, seinem Körper und der Welt und ist unmittelbar, eben nicht mehr vermittelt durch das Denken. Es ist aber abwegig, Körper, Gedanke und Ich in einen zwangsläufigen Zusammenhang zu stellen und in eins zu setzen.
Auch in dem Satz „Solange da ein lebendiger Körper ist, wird es Verlangen geben“ (MM 43) wird das Ich mit dem Körper gleichgesetzt. Nicht der Körper hat das Verlangen, sondern das Ich, nicht der Körper muss sterben, sondern das Ich. Ist das Ich transzendiert, gibt es kein Verlangen mehr, sondern nur noch natürliche Bedürfnisse.
Nun ist es von U. G. Krishnamurtis Erleben her durchaus verständlich, dass er den Tod des Körpers als zentral ansieht, da er ihn ja fast erlebt hat, was er als „Kalamität“ bezeichnet, die den Kern seiner Verwandlung darstellt. Das zeigt aber nur die enge Verbundenheit des Menschen mit seinem Körper. Was sterben muss, ist das Ich, und das kann durchaus körperlich erfahren werden, so wie viele psychische Zustände körperlich erfahren und ausgelebt werden können, wie z. B. in den Süchten. Körper und Psyche sind eben eine Einheit.
Für U. G. Krishnamurti ist der Körper unsterblich. Der Körper kennt keinen Tod, er ändert nur die Form (MM 62). Allein auf die Existenz des Körpers kommt es bei ihm an. Dem Körper die Oberhand im Leben zurückzugeben ist das erklärte Ziel von U. G. Krishnamurti (MM 73): „Der Körper handhabt sich selbst“ (MM 73); er hat „eine natürliche Intelligenz“ ebd; verdorben wird das ganze durch das Eingreifen des Menschen in das natürliche Funktionieren des Körpers.
Diese Auffassung vom Körper ist ziemlich der Haltung von Nisargadatta entgegengesetzt: Während für Nisargadatta der Mensch gar nicht in einem Körper existiert – Geben Sie die Vorstellung auf, „dass Sie geboren wurden, dass Sie Eltern haben, einen Körper haben, dass Sie sterben werden“ (II/72) – ist für U. G. Krishnamurti das Körperdasein das einzig Reale.
U. G. Krishnamurti bejaht die Notwendigkeiten des Lebens: „Nicht an Geld und die anderen Notwendigkeiten des Lebens zu denken ist eine Krankheit. Es ist eine Perversion, sich selbst die grundlegenden Lebensbedürfnisse zu versagen“ (MM 20). Diese Sicht bejaht das Leben, und auch Balsekar tut das, wenn er kopfschüttelnd die Irrwege der Sucher betrachtet, die sich jede Lebensfreude versagen in der Meinung, auf diese Weise Erleuchtung zu finden.
Vom Wert der Erfahrung
Viele Denker erliegen der Gefahr, die eigene Erfahrung absolut zu setzen und auf andere zu übertragen und als allgemein gültig anzusehen. Jemand, der eine für ihn absolut entscheidende Wahrheit erfahren hat, hat sie in seinem Denkhorizont gemacht, durch den er geprägt ist. Das können viele nicht sehen und glauben, dass die von ihnen erfahrene Wahrheit absolut ist und auch für andere gilt. Davon ausnehmen muss ich natürlich U. G. Krishnamurti, dem dies völlig klar ist. Bei Nisargadatta bin ich mir da nicht so sicher. Viele können die Erfahrung und den Denkhorizont, innerhalb dessen diese Erfahrung gemacht wurde, nicht auseinanderhalten. Und nun glauben sie, dass diese Erfahrung nur innerhalb dieses Denksystems erfolgen kann, und versuchen, anderen dieses Denksystem nahezubringen. Diesen Eindruck habe ich bei Nisargadatta, und ich halte es für wichtig zu erkennen, dass die Erfahrung eine Sache ist und der Denkhorizont, innerhalb dessen die Erfahrung gemacht wird, eine andere und dass man beides auseinanderhalten muss.
Über den Stellenwert der Erfahrung gehen die Meinungen auseinander:
Aus meiner Sicht ist die einzig gültige Bestätigung für das, wie sich einem die Welt, auch die spirituelle Welt, zeigt, die direkte Erfahrung. Das vertritt auch Nisargadatta an manchen Stellen: „Versuchen Sie nicht, vom Verstand eine Bestätigung dessen zu bekommen, was jenseits des Verstandes ist. Die einzig gültige Bestätigung ist die Erfahrung (Hervorhebung von mir)“ (II/214). Dem gegenüber behauptet U. G. Krishnamurti: „Alles, was Sie erfahren, ist aus dem Denken geboren. Deshalb ist alles, was Sie erfahren oder erfahren können, Illusion“ (MM 129). „Das Wirkliche kann nicht erfahren werden“ ebd. Oder: „Alle spirituellen, mystischen Erfahrungen entspringen dem Denken“ (MM 61). Da wird es schwierig, sich zu verständigen.
Aber auch bei U. G. Krishnamurti finden sich Belege dafür, dass Erfahrung das Entscheidende und nicht einem anderen mitteilbar ist: „Sie können Ihre Erfahrung nicht mit anderen teilen“ (MM 110), worin er natürlich recht hat, dann setzt das aber die Möglichkeit von Erfahrung voraus. „Ich erzähle Ihnen das alles aus eigener Erfahrung“ (MM 173) bestätigt meine oben gemachte Auffassung, während er schon auf der nächsten Seite sagt – in durchaus vergleichbarem Zusammenhang! – „Es ist überhaupt keine Erfahrung“ (MM 174), oder, 182: „Es ist keine Erfahrung und kann deshalb nicht übermittelt werden“. Wenn U. G. Krishnamurti sagt: „Es ist keine Erfahrung, die man mit anderen teilen kann. Es ist überhaupt keine Erfahrung. Es ist eine Katastrophe“ (MM 174), will er offensichtlich die Ungeheuerlichkeit seines Erlebens ausdrücken. Aber es deshalb nicht als Erfahrung zu bezeichnen, leistet das nicht. Auch eine Katastrophe ist eine Erfahrung!
Wenn U. G. Krishnamurti sagt: „Es ist keine Erfahrung und kann deshalb nicht mitgeteilt oder übermittelt werden“ (MM 182), scheint diese Aussage zwei Dinge durcheinander zu bringen bzw. miteinander zu verquicken: 1. die erschütternde Erfahrung des Todes, 2. dass sie nicht mitteilbar ist. Aber sie deshalb nicht als Erfahrung zu bezeichnen, weil sie nicht mitteilbar ist, kann ich nicht als Argument sehen, denn schon einen einfachen Schmerz, z. B. den Stich einer Nadel, kann man nicht mitteilen, und dennoch ist es eine Erfahrung! Etwas deshalb nicht als Erfahrung zu bezeichnen, weil es nicht mitteilbar ist, halte ich nicht für legitim.
Ich weiß nicht, warum sich U. G. Krishnamurti dagegen sperrt, das erschütternde Erlebnis der Ich-Transzendierung, das er kennt, als Erfahrung zu bezeichnen. Allerdings, wenn man diesen Begriff dahingehend einschränkt, dass man Erfahrung mit Denken verquickt (MM 39) – wofür ich keine Notwendigkeit sehe -, dann hat man sich selbst ein Bein gestellt und verstrickt sich zwangsweise in Widersprüche und Ungereimtheiten.
Auch bei Nisargadatta findet sich diese Widersprüchlichkeit: Einerseits vertritt er, dass „das Reale erfahren werden [muss]“ (II/164), „… dass es eine Realität gibt, die man im Bewusstsein finden und erfahren kann“ (II/189), andererseits ist für ihn das „Selbst … jenseits aller Erfahrung“ (II/139). Überboten wird das noch von seiner Aussage: „Ich bin jenseits aller Erfahrungen“ (III/35) (zitiert Sri Nisargadatta Maharaj „Ich bin, Teil III, Seite 35).
Da kann ich nur sagen: Das ist mir nicht zugänglich, damit kann ich nichts anfangen; ich erachte solch eine Behauptung in keiner Weise wesentlich für den Transformationsprozess.
Die Polaritäten des Lebens
Als Individuum bin ich der Endlichkeit und damit der Gegensätzlichkeit, den Polaritäten bzw. der Dualität des Lebens unterworfen. In dieser Dualität gibt es Freude und Leid, Erfolg und Misserfolg, Gelingen und Misslingen und die daraus resultierende Freude bzw. das Leid. Auch wenn ich sehen kann, dass Misslingen genau so wie Tod ein notwendiger Pol in der Dualität ist, dass es Leben nicht ohne Tod und Erfolg nicht ohne Misserfolg geben kann, leidet das Individuum darunter. Aber СКАЧАТЬ