Das Visum ins Paradies Europa – Sammelband. Dantse Dantse
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Название: Das Visum ins Paradies Europa – Sammelband

Автор: Dantse Dantse

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783753187297

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СКАЧАТЬ des Sommers 2005

      „Hey Rita, ich habe gerade etwas sehr Interessantes im Internet gelesen.“

      Rita tat so, als ob sie nichts gehört hätte.

      Sie hatte es satt, von diesen Ankündigungen von Johnny Walker zu hören, die sich doch immer als Luft erwiesen hatten. Dazu hatte sie noch einen weiteren Grund, heute richtig sauer auf ihn zu sein.

      „Hast du mich gehört Rita?“, fragte Johnny.

      „Dich hören? Dein Internet bezahlt die Wasserrechnung, die Stromrechnung? Das Essen für die Kinder Evarist?“, antwortete Rita.

      Johnny wusste genau, wenn Rita ihn Evarist nannte, musste sie sehr sauer sein.

      Johnny Walker war auch nicht sein richtiger Name. Sein richtiger Name war Mendo choup ke joug Evarist Dieu ne dort. Wegen seiner ausgeprägten Vorliebe zu Whisky, hatten sich seine Freunde als Spitznamen die Whiskymarke Johnny Walker, abgekürzt J.W., ausgedacht. Manche nannten ihn einfach Johnny Waka. Waka nennt man in Kamerun einen Menschen, der sehr viele wechselnde, sexuelle Partnerschaften hat.

      Ja, Johnny Walker war die Verkörperung eines Mannes, der hundertprozentig lebt: Voll leben, einfach leben, als ob die Welt an besagtem Tag zu Ende gehen würde. Monsieur la vie (Mister Life), wie man ihn in allen angesagten Kneipen und Diskotheken der Stadt rief, mochte das Leben und dabei vor allem das gute feine Leben. Er sah zwar nicht schlecht aus, aber auch nicht besonders gut. Aber man fragte sich, warum J.W. so erfolgreich bei Frauen war, obwohl sein Portemonnaie fast immer leer war.

      J.W. war 32 Jahre alt, aber wann genau er geboren wurde? Das wusste niemand. Er spielte gerne damit. Auf diese Frage sagte er einfach: “Ich wurde 1973 geboren, während der großen Mais-Erntezeit.“

      Er wurde in dem schönen bergigen Land Westkamerun, in der Stadt Banganté geboren. Banganté liegt in der NDE-Region und gehört dem Volk der Bamileké. Er rühmte sich damit, dass er aus dem NDE kam. Der NDE ist die Abkürzung für „Departement des gens Nobles, Dignes et Elegants“ (Land von adeligen Menschen voller Würde und Eleganz). Und so versuchte er sich immer nach außen zu verhalten, zumindest was die Eleganz betraf.

      Als er zehn Jahre alt war, wurden seine Eltern beruflich bedingt nach Bafoussam geschickt. Bafoussam ist die Hauptstadt der Bamileké Region. Das Land der roten Erde. In Kamerun ist es so, dass die staatlichen Beamten ständig von Stadt zur Stadt abkommandiert werden, damit ihre Dienste das ganze Volk erreichen. So will das Land die Einheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.

      Er hatte sechs Geschwister, zwei Brüder und vier Schwestern und er war der Letztgeborene der Familie. Dementsprechend wurde er sehr verwöhnt. Er war der Chou-Chou (Liebling) der Familie. Er hatte nicht gelernt, durch Anstrengungen etwas zu erreichen. Alles wurde ihm zu Füßen gelegt und er genoss diesen Zustand sehr.

      Seine Geschwister, die, bis auf eine Schwester, nach ihrem Abitur in Europa und Amerika studierten, schickten ihm immer die schönsten Kleider, Spielzeuge usw. Deswegen wollten alle in der Stadt - Jungs wie Mädchen - mit ihm befreundet sein. Damals nannte man ihn Chaudgars (Hot Guy).

      Eine Schulparty ohne den Chaudgars wäre nichts. Er war das Zentrum des Geschehens in der Stadt.

      Jeden Mittwochnachmittag sowie Samstag und Sonntag verbrachten die Jugendlichen ihre Zeit am Sportplatz „La Pelouse“ hinter dem Rathaus von Bafoussam. An diesen Tagen versammelten sich Schüler von verschiedenen Schulen dort und taten so, als ob sie Sport treiben würden. Tatsächlich ging es da mehr um Show, wer hatte die neuesten Schuhe, das neueste Handy, und auch darum, Mädchen anzubaggern.

      Hot Guy war immer der Bestangezogenste, er hatte immer etwas Neues dabei und oft auch viele Leckereien aus Europa. Sie wurden ihm von seinen Geschwistern geschickt.

      Man hätte erwartet, dass er damit angab. Aber erstaunlicherweise war Johnny nicht arrogant oder hochnäsig. Er war immer gut gelaunt, immer mit einem lächelnden Gesicht. Er brüskierte nie seine Freunde und war sehr hilfsbereit. Er konnte auch gut geben, ohne zu zählen.

      Schon damals merkte man, dass er sehr intelligent war. Wenn er sich etwas in seinen Kopf gesetzt hatte, konnte ihn nichts daran hindern, das zu erreichen.

      Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen hatte er mehr als genug. Er strahlte schon damals als Schüler eine unwiderstehliche Persönlichkeit aus, obwohl er nicht der hübscheste war.

      Die Schule absolvierte er mit Erfolg. Nach seinem Abitur mit einem Notendurchschnitt von 1 ging er in die Wirtschaftsstadt Douala, um zu studieren.

      Ein Jahr später starb sein Vater bei einem mysteriösen Unfall. Alle sprachen von Magie, weil sein Vater Mitglied einer satanistischen Sekte gewesen sein soll. In Afrika stirbt man nicht auf natürliche Weise. Es gibt immer einen Grund, warum man stirbt. Es wurde viel erzählt; zum Beispiel sagte ein Mann, dass der Vater von Johnny sterben musste, weil er kein Opfer, keinen Preis für seinen steilen und schnellen Erfolg geben wollte, obwohl er für diesen Erfolg einen Pakt mit den Geistlichen gemacht hatte. Als Strafe musste er in einem komischen Unfall sterben, um andere Leute in der gleichen Situation abzuschrecken. Der Unfall schien auch tatsächlich seltsam zu sein. Er war unterwegs von Bafoussam nach Douala, auf der schönsten bergigen Landstraße Kameruns, die sich in einer wunderschönen grünen Landschaft zwischen Bergen schlängelt, als er den Autounfall ohne Unfall hatte. Man sah später das Auto mitten auf der Straße stehen, der Motor lief noch und der Mann saß einfach hinter dem Lenkrad, als ob er sich erholte. Er war aber tot. Im Auto war eine Boa zu sehen, die aber auch tot war. So die Erzählung.

      Eine Boa? Am helllichten Tag? In einem klimatisierten Auto? Obwohl niemand die Boa gesehen hatte und es keinen Beweis dafür gab, reichte es, um die Fantasie der Menschen zu schüren: „C‘est un sectaire“ (Er ist Mitglied eines Geheimbundes). „Nun verstehen wir, warum er so viel Geld hatte“ und „ja, und alle seine Kinder sind in Europa“ sagten die einen, „oh ja, und sein Bruder, der vor fünf Jahren gestorben ist! Hatte er ihn umgebracht für den ersten Pakt...?“, sagten die anderen. Damit stand fest und es war klar, der Mann war ein sectaire. Er hatte sein Geld mit Blut verdient und war auch genauso gestorben. Ob es wahr war oder nicht, interessierte eigentlich niemanden. Die Menschen interessierte nur die Geschichte.

      Als die Gerichtsvollzieher nach dem Tod seines Vaters all sein Hab und Gut konfiszierten, wegen angeblicher hoher Schulden, waren es nicht mehr nur Gerüchte, nein, es war nun mathematische Wahrheit. Dieser Mann gehörte einem magischen Bund an, der den Teufel anbetet. Du bekommst alles, was du willst: Ruhm, Geld, Erfolg..., aber irgendwann musst du es zurückzahlen und all dein Reichtum verschwindet einfach nach deinem Tod, wie es auch gekommen ist.

      Solche Menschen sind zwar physisch bzw. körperlich tot, aber sie leben weiter in einer anderen Welt und arbeiten all das ab, was sie auf der Erde bekommen haben. Das ist die Strafe. Auf jeden Fall wird es so in Kamerun erzählt.

      So sind in der afrikanischen Kultur und im Glauben die Toten nicht tot. Sie leben weiter. Deswegen ist auch der Kult der Toten sehr wichtig. Sie leben weiter in einer anderen Dimension, aber sie sehen alles, was wir hier machen und man kann sogar mit ihnen in Kontakt treten. Man hört deswegen überall von Geschichten über Leute, die bei einem afrikanischen Geistlichen ihre verstorbenen Verwandten gesehen und mit ihnen geredet haben. So können sie zum Beispiel erfahren, was die Ursache des Todes war.

      Diese Geschichte hatte Hot Guy sehr getroffen, weil sie falsch war. Nach dem Tod seines Vaters war auf einmal seine heile, reiche Welt zusammengebrochen. Den Luxus und das schöne Leben konnte er nicht mehr so einfach finanzieren. Seine Geschwister in Europa und Amerika hatten alle nun auch eigene Familien und konnten СКАЧАТЬ